Lehrermangel Gutachten empfiehlt weitere Lehrerverbeamtung in Sachsen

09. Juni 2022, 15:14 Uhr

Lehrkräfte fehlen weiter in Sachsen. Außerhalb großer Städte ist die Lage seit Jahren angespannt. Um mehr Lehrer und Lehrinnen zu gewinnen, startete Sachsen vor drei Jahren eine Welle von Verbeamtungen. Damit wollte Sachsen die Abwanderung jüngerer Pädagogen in die Alten Bundesländer stoppen, die dort mit dem Beamtenstatus lockten. In Sachsen ist mittlerweile jeder dritte Pädagoge ein Beamter. Im Jahr 2023 sollen die Verbeamtungen in Sachsen enden. Ein neues Gutachten rät zur Verlängerung.

Die Verbeamtung sächsischer Lehrkräfte hat seit 2019 zu deutlich mehr Einstellungen in den Schuldienst geführt. Das geht aus einem am Dienstag vorgestellten Gutachten des Berliner Forschungs- und Beratungsunternehmen Interval hervor. Das sächsische Kultusministerium hatte das Unternehmen damit beauftragt.

Mehr Lehrer eingestellt dank Beamtenstatus

Zum laufenden Schuljahr 2021/2022 hatte Sachsen insgesamt 1.184 neue Lehrkräfte eingestellt. Das hatte das Kultusministerium zum Schulstart mitgeteilt.

Gleichzeitig kamen erstmals mehr Lehrerinnen und Lehrer aus anderen Bundesländern nach Sachsen als von hier abwanderten. Das rechnet Kultusminister Christian Piwarz (CDU) der Lehrerverbeamtung zu. Diese mache "Sachsen wieder konkurrenzfähig auf dem bundesweiten Lehrermarkt", sagte der Kultusminister im vorigen September. Piwarz sieht sich jetzt durch das neue Gutachten bestätigt.

Gutachten empfiehlt: Verbeamtung von Lehrern in Sachsen auch nach 2023

Die Gutachter empfehlen, dass Sachsen die Frist für Verbeamtungen auf die Zeit nach 2023 verlängert. Die Gutachter rechnen sonst mit deutlich weniger Nachwuchslehrkräften an sächsischen Schulen. In diesem Schuljahr wären ohne Verbeamtung, so das Gutachten, 381 Lehrkräfte weniger eingestellt worden. Das sieht der Kultusminister ebenso. "Ohne die Verbeamtung entsteht ein Lehrerdelta, was wir nicht anders ausgleichen können. Das hätte fatale Folgen für die Bildungsqualität in Sachsen", sagte Piwarz.

Was ist der Unterschied zwischen Angestellten und Beamten?

Obwohl sie den gleichen Job machen, können Lehrer entweder angestellt oder verbeamtet sein. Es gibt mehrere Unterschiede bei den beiden Anstellungsverhältnissen. Angestellte erhalten beispielsweise einen normalen Arbeitsvertrag, handeln mit ihrem Arbeitgeber aus, wie viel sie arbeiten und können entlassen werden, wobei bestimmte gesetzliche Fristen eingehalten werden müssen. Ihr Lohn wird auf Grundlage von Tarifen gezahlt, im Ruhestand erhalten sie eine Rente. Beamte werden per Urkunde ernannt und sind auf Lebenszeit verbeamtet - in Ausnahmefälle, wie schweren vergehen, kann der Beamtenstatus aber entzogen werden. Sie arbeiten in der Regel Vollzeit und erhalten als Lohn eine Besoldung. Im Alter gibt es statt der Rente die Pension.

Mehr zu den Unterschieden finden zwischen Angestellten und Beamten findet sich auf der Website der Gewerkschaft GEW.

Welche Voraussetzungen gelten für die Verbeamtung von Lehrern in Sachsen?

In Sachsen können alle neu ausgebildeten Lehrkräfte, die nicht älter als 41 Jahre sind, verbeamtet werden. Wer bereits als angestellte Lehrkraft arbeitet, kann auf Antrag verbeamtet werden - auch unter Berücksichtigung der Altersgrenze.

Ganz allgemein müssen die Lehrkräfte außerdem beispielsweise die deutsche Staatsbürgerschaft oder die eines anderen EU-Mitgliedsstaates besitzen und auch gesundheitlich geeignet sein.

Kritik von SPD und Grünen an Gutachten

Die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Friedel, sagte, das Gutachten stelle eine Selbstverständlichkeit fest. Da in Deutschland überall Lehrermangel herrsche und alle Bundesländer verbeamten, sei man in eine Situation gekommen, aus der ein einzelnes Bundesland nicht ausscheren könne - ähnlich einem Wettrüsten.

Aus ihrer Sicht ist es generell falsch, Lehrer zu verbeamten, denn die Nachteile seien gravierend: "Es ist deutlich teurer für die Staatskasse durch die Pensionsvorsorge. Die Verbeamtung hat keinerlei Vorteile für Schülerinnen und Schüler und ihren Bildungserfolg. Die Mittel, die dafür zusätzlich aufgebracht werden müssen, fehlen um weitere Lehrkräfte anzuwerben."

Auch Christin Melcher von der Grünen-Fraktion weist auf Defizite der Studie hin. Sie treffe keinerlei Aussagen oder gebe einen Einblick auf die Auswirkung der finanziellen Belastung auf die Staatskasse. "Darüber müssen wir uns im parlamentarischen Raum auch noch intensiver austauschen."

Ein Drittel der sächsischen Lehrer ist verbeamtet

Derzeit sind in Sachsen mit 10.021 Lehrern ein Drittel der Schulpädagogen verbeamtet. Etwa zwei Drittel - 22.783 Lehrer - arbeiten im Angestellenverhältnis. Zudem sind 1.744 Referendare im Beamtenverhältnis auf Widerruf beschäftigt, 153 sind angestellt. Lehrer mit Beamtenstatus nannten laut Studie als wichtigsten Grund für ihren Antrag die gesicherte Altersvorsorge, gefolgt von höherem Einkommen und Vorsorge im Krankheitsfall.

Ohne die Verbeamtung entsteht ein Lehrerdelta, was wir nicht anders ausgleichen können. Das hätte fatale Folgen für die Bildungsqualität in Sachsen.

Christian Piwarz (CDU) Kultusminister in Sachsen

Landtag soll über weitere Verbeamtung zum Jahresende entscheiden

Seit dem 1. Januar 2019 können in Sachsen Lehrerinnen und Lehrer bis zum vollendeten 42. Lebensjahr verbeamtet werden. Die Möglichkeit ist befristet bis zum 31. Dezember 2023. "Die letztendliche Entscheidung zur Weiterführung der Verbeamtung ab 2024 wird vom Landtag mit dem Haushaltsbeschluss Ende diesen Jahres getroffen", sagte der Sprecher des Kultusministeriums, Dirk Reelfs, MDR SACHSEN.

Die Verbeamtung von Lehrkräften kostet Sachsen zusätzliche Gelder aus der Staatskasse, beispielsweise für Pensionsrückstellungen und die Übernahme von Krankheitskosten. Das bestätigte ein Sprecher des Sächsischen Finanziministeriums MDR SACHSEN. Konkrete Zahlen nannte er aufgrund der komplizierten Berechnungen nicht.

MDR (wm)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 07. Juni 2022 | 19:00 Uhr

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