Kinder einer Grundschule beim Mittagessen
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Sozialarbeit Streit mit der Jugendhilfe: 5,45 Euro Essenspauschale pro Kind sollen reichen

28. Oktober 2021, 16:40 Uhr

Seit 2009 hat sich die Verpflegungspauschale für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in Sachsen nicht erhöht. Die Verpflegung der jungen Menschen wird für die freien Träger immer schwieriger. Doch nun gibt es ein Angebot, das für Bewegung sorgen könnte.

Viele Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen in Sachsen haben ein Problem. Laut der Bürgerhilfe Sachsen und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband des Freistaates haben die freien Träger zu wenig Geld für die Verpflegung der Kinder und Jugendlichen zur Verfügung. Seit 2009 wurde die Pauschale trotz steigender Lebensmittelpreise nicht erhöht.

Bereichsleiterin Kathrin Wagner erklärte im Gespräch MDR SACHSEN, dass eine Lebensmittelpauschale von aktuell 4,95 Euro pro Kind und Tag nicht ausreiche. Ein Mittagessen in der Schule oder Kita koste schon weit über fünf Euro, sodass die Einrichtungen das Frühstück und Abendessen aus der eigenen Tasche bezahlen müssen. Manche seien zudem auf Lebensmittelspenden angewiesen.

Zuschuss nicht für alle

Wenn das Geld der Verpflegungspauschale nicht ausreicht, können die Einrichtungen für das Essen in Schule und Kita zusätzliches Geld beantragen, weiß Hartmut Mann vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Sachsen. Die Landkreise gingen allerdings unterschiedlich mit den Anträgen um. "Einige von ihnen akzeptieren solche Anträge, andere lehnen sie ab, wenn solche Aufwendungen zum ersten Mal beantragt werden", sagt er. Etwa die Hälfte der Vereinbarungen im Jahr 2021 hätten ein solchen Zuschuss erhalten.

Verpflegungspauschale kurz erklärt Die Verpflegungspauschale erhalten die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Dort werden junge Menschen betreut, die vom Jugendamt aus unterschiedlichen Gründen aus ihren Familien herausgenommen werden mussten. Mit der Verpflegungspauschale soll sowohl das Essen in der Einrichtung, als auch das Mittagessen in der Kita oder der Schule bezahlt werden. Weil die Essenspreise der Kindergärten und Schulen jedoch vielerorts über dem Betrag der Verpflegungspauschale liegen, bleibt den Einrichtungen kein Geld mehr für das Frühstück und Abendessen übrig. Das muss dann bezuschusst oder aus eigener Hand finanziert werden.

Beantragen können diesen Zuschuss aber nicht alle. In den kreisfreien Städten Leipzig, Dresden und Chemnitz ist das beispielsweise nicht möglich, weil dort eine städtische Kommission über die Pauschale entscheidet. In acht von zehn Landkreisen entscheidet die Kommission des Landkreistages über die Höhe der Pauschale. Die Landkreise Görlitz und Bautzen bestimmen die Pauschale selbstständig.

"Blockadehaltung des Landkreistages"

Dass die Lebensmittelpauschale seit 2009 nicht erhöht wurde, kann Kathrin Wagner von der Bürgerhilfe nicht nachvollziehen. Für eine ausreichende und gesunde Ernährung bräuchten die Einrichtungen mindestens sieben Euro pro Kind und Tag. "Um das Wohl der Kinder sicherzustellen, muss sich etwas tun", betont sie.

Der Meinung ist auch Hartmut Mann vom Wohlfahrtsverband. Den Grund für das Ausbleiben einer Erhöhung sieht Mann in der "Blockadehaltung des Landkreistages. Der Landkreistag sieht keinen Bedarf", kritisiert Mann. Den Kindern gegenüber sei diese Haltung eine besondere soziale Härte.

Wohlfahrtsverband: Situation der Kinder in den Blick nehmen

Mann fordert, dass Situation der Kinder in den Blick genommen werden müsse. Die Kommission dürfe sich nicht auf Formalitäten zurückziehen. "Es geht darum, menschlich zu sein", so Mann. Aus diesem Grund fordert er den Landkreistag auf, sich erneut mit den freien Trägern an den Tisch zu setzten und zu verhandeln.

Landkreistag bietet Erhöhung um 50 Cent

Der Landkreistag signalisierte indes Gesprächsbereitschaft. Referentin Yvonne Sommerfeld erklärte im Gespräch mit MDR SACHSEN, dass der Landkreistag eine Erhöhung von 4,95 Euro auf 5,45 Euro vorschlagen wolle. Die Forderung einer Erhöhung auf sieben Euro lehnt Sommerfeld allerdings ab.

Als Grund für den Vorschlag nannte die Referentin die Erhöhung der Hartz-V-Regelsätze bei Bedarfsgemeinschaften. Die Regelsätze für die 15- und unter 18-Jährigen gelten laut Sommerfeld als "objektiver Maßstab" für die Lebensmittelpauschale. Und weil sich der Satz erst 2021 erhöht hatte, habe der Landkreistag zuvor auch keine Veranlassung gesehen, die Pauschale zu erhöhen.

Wohlfahrtsverband sieht Vorschlag kritisch

Dem Vorschlag von einer Erhöhung auf 5,45 EUR sieht Mann kritisch. "Der Betrag liegt knapp unter dem aktuellen Lebensmittelsatz in der Hilfe zum Lebensunterhalt. Diese Grundlage ist rechtlich schwierig", meint er. Die Versorgung in der Jugendhilfe sollte sich seiner Meinung nach am Einkommensdurchschnitt orientieren und nicht an den Leistungen der Grundsicherung. Die Stadt Leipzig habe bereits im Januar 2017 eine Pauschale von 5,50 Euro festgelegt.

Quelle: MDR/mar

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 27. Oktober 2021 | 19:00 Uhr

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