Fragen und Antworten zum WarntagLängerer Stromausfall? So gehen in Sachsen nicht alle Lichter aus
Orkan, Starkregen, Frost und Eis, Unfälle oder gezielte Sabotage: Es gab schon viele Ursachen für Stromausfälle in Sachsen. Einen flächendeckenden Blackout will niemand erleben. Trotzdem sollten sich die Menschen darüber informieren und an Vorsorge für sich, ihre Familie und Haustiere im Notfall denken - nicht nur am bundesweiten Warntag, wenn überall die Sirenen und Warnapps losgehen.
Inhalt des Artikels:
Gibt's denn heute noch Stromausfälle in Sachsen?
In den zurückliegenden Jahren haben kleinere und größere Stromausfälle Sachsen betroffen. Die Ursachen und Dauer der Ausfälle variierten. Die Stromversorger konnten in den meisten Fällen nach wenigen Stunden oder einem halben Tag Ausfall Entwarnung geben. Hier die bekanntesten Fälle:
- August 2024: Stromausfall wegen defekter Kabel in Dresden. Drei Stunden lang sind 1.700 Haushalte ohne Strom.
- Februar 2024: Wegen eines Kabelfehlers im Stromnetz sind Ende Februar im Raum Pulsnitz, Großröhrsdorf und Kamenz rund 5.000 Haushalte von der Stromversorgung abgeschnitten.
- November 2023: Nach einer Havarie im Umspannwerk sitzen in Freiberg und Dörfern ringsum 5.200 Kunden im Dunkeln.
- September 2021: Ein metallisierter Ballon löst am Umspannwerk Dresden-Süd ein Stromausfall aus, 300.000 Haushalte in Dresden und in mehreren Landkreisen sind betroffen. Die Polizei vermutet einen Unfall. 2023 wird bekannt, dass kurz vor dem Stromausfall Drohnen über das Umspannwerk geflogen sein sollen.
- Juli 2021: Nach starken Regenfällen und Überschwemmungen kommt es in einigen Regionen Sachsens zu Stromausfällen, verursacht durch Schäden an der Infrastruktur.
- Februar 2021: Während einer Kältewelle kommt es in einigen Teilen Sachsens zu kurzfristigen Stromausfällen, weil das Netz überlastet ist.
- Januar 2020: Ein Bagger durchtrennt ein Stromkabel in Dresden, vom Stromausfall ist auch das Einkaufszentrum Kaufpark Nickern betroffen.
- Januar 2018: Die Folgen des Orkantiefs "Friederike" verursacht in Sachsen Stromausfälle.
- Januar 2017: Das Sturmtief "Egon" führt zu vielen Stromausfällen in Sachsen, besonders in ländlichen Gebieten. Der Orkan tobt über den Fichtelberg mit 150 Stundenkilometern.
- Dezember 2009: Ein Schneesturm und starker Schneefall führen in Sachsen zu Stromausfällen. In der Nacht zum 19.12.2009 werden laut Unwetterzentrale an der Station Dippoldiswalde-Reinberg (Sachsen) minus 24,3 Grad gemessen.
Welche Grundprobleme entstehen bei flächendeckendem Stromausfall?
Alle Bereiche und alle Menschen sind beim Blackout zu 100 Prozent betroffen. Strom ist das Lebenselixier moderner Gesellschaften. "Der Komplettausfall der üblichen Telekommunikation (Festnetztelefonie, Mobiltelefonie, Internet) und damit einhergehend der Wegfall der Möglichkeiten für Notrufe, vor allem bei medizinischen Notfällen, an die Rettungsleitstelle zu übermitteln, wird in der Erstphase des Blackouts als kritischster Punkt gesehen“, schätzt der Landkreis Bautzen ein.
Die Stadt Leipzig kritisiert, dass die Bevölkerung, aber auch die Betreiber kritischer Infrastruktur nicht sensibel genug die Krisenvorsorge angehen und sich nicht bzw. nicht genug um ihre eigene Absicherung kümmern. Die Empfehlungen des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hätten noch zu wenige Menschen verinnerlicht.
Was gehört zur kritischen Infrastruktur - was nicht?
- Bund und Länder haben 2011 die Sektoren der kritischen Infrastrukturen (KRITIS) benannt: Transport und Verkehr, Wasser, Energie, Ernährung, Finanz- und Versicherungswesen, Gesundheit, Informationstechnik & Telekommunikation, Siedlungsabfallentsorgung, Medien und Kultur, Staat und Verwaltung. Ohne diese Branchen wäre die Gesellschaft erheblichen Versorgungsengpässen und Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit ausgesetzt.
- Es gibt aber auch Branchen und Teile davon, die nicht "kritisch" sind. Beispiel: Nur die Entsorgung von "Siedlungsabfällen" gilt als kritisch. Gemeint sind damit Abfälle aus Privathaushalten und aus Einrichtungen wie Arzt- und Rechtsanwaltspraxen, aber auch hausmüllähnliche Abfälle aus Gewerbe und Industrie. Die Entsorgung von besonderen Stoffen wie Altöl, Bauabfällen und alten Elektrogeräten gehört dagegen nicht zur kritischen Infrastruktur.
- Im Sektor Medien und Kultur gelten zwar sämtlich Bereiche von Presse und Rundfunk als kritisch, ebenso Kulturgüter. Kinos, Konzerte und ähnliches sind aber keine kritische Infrastruktur.
Kein Strom: Wie informieren die Behörden?
Untereinander verständigen sich die Einsatzkräfte der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben über das gemeinsame Digitalfunknetz, informiert Sachsens Innenministerium. Das Netz ist u.a. für Polizei, Rettungsdienste, Feuerwehr und dem Katastrophenschutz da. Deren Sprachkommunikation soll im Krisenfall auch der TETRA-Digitalfunk der Bundeswehr gewährleisten, der eingeführt wurde.
So informieren die Behörden die Menschen
Für Sachsen gelten seit 2003 per Erlass des Freistaats festgelegte landeseinheitliche Sirenensignale. Die können von herkömmlichen Motorsirenen oder auch von modernen elektronischen Sirenen wiedergegeben werden. Neben Sirenen können Warnungen auch per Lautsprecherdurchsagen, Handzettel und Verlautbarungen im Rundfunk erfolgen und mit Informationen via Warn-Apps ergänzt werden.
Es bleibt bei einem Grundsatz in der Warnung, dass möglichst über viele verschiedene noch verfügbare Kanäle Informationen herausgeben werden müssen.
Sächsisches Innenministerium
Der Erzgebirgskreis verweist auf Bevölkerungsinformationen und Warnungen, die die Integrierte Rettungsleitstelle Chemnitz verbreitet. Die können als Sirenen-Ton, App-Info, über den Warnkanal "Cell Broadcasting (CB)" und via Stadtinformationssystem bei den Menschen ankommen.
Anlaufpunkte mit Notstromversorgung
Die Stadt Dresden will im Katastrophenfall mit Sirenen warnen, das Modulare Warnsystem des Bundes (MoWaS) nutzen, über Soziale Netzwerke und Medien sowie mit Durchsagen informieren. Aber: Festnetz, Mobilfunk und somit auch Internet werden bei Stromausfall nach kurzer Zeit nicht mehr funktionieren. Und dann?
"Wenn die Telefone aufgrund eines Stromausfalls über einen längeren Zeitraum nicht mehr funktionieren und keine Notrufe abgesetzt werden können, werden lokale Notfallmeldestellen in der Stadt eingerichtet. Dort bekommen Sie Informationen und Hilfe", erklärt Dresden auf seiner Homepage. Zudem wolle die Verwaltung im Katastrophenfall "über das Radio und, sofern möglich, auf der Internetseite informieren", wo diese lokalen Notfallmeldestellen sind und was die leisten.
Die Stadt Leipzig sagt, sie werde "den ortsansässigen Mitteldeutschen Rundfunk, der über sein Programm die Informationen der Behörden bekannt machen soll", informieren. Es werde auch ein Konzept erarbeitet, bei dem für Leipzig mehr als 100 "Katastrophenschutz-Leuchttürme" benannt werden, die als Anlaufstellen für die Menschen dienen und wo sie aktuelle Informationen bekommen sollen.
Sirenen mit Akkus und App-Warnungen
Solche Orte gibt es auch im Landkreis Bautzen. Gemeint sind Liegenschaften, die eine zentrale Bedeutung für die Leitung der Katastrophenbekämpfung haben, zum Beispiel der Sitz des Verwaltungsstabes, aber auch andere Häuser im Kreis mit Notstromversorgung als Anlaufstelle für Bürger. "Die Integrierte Regionalleitstelle Ostsachsen bleibt durch ein durch den Landkreis betriebenes und Notstromversorgtes digitales Alarmierungssystem sichergestellt", erklärt der Landkreis. Und weiter: "Die Funktionalität der Sirenen wird wöchentlich geprüft. Die Sirenen sind durch Akkubetrieb auch bei Stromausfall weiter funktionsfähig."
Der Vogtlandkreis hat unlängst 74 Sirenen aufgerüstet oder neu installiert. Weitere 20 Anlagen sollen in diesem Jahr folgen, teilte der Landkreis mit. Je nach Leistungsstärke der Anlage können mit einer Sirene Menschen in einem Radius von bis zu zwei Kilometern je Sirene alarmiert werden. An mehreren Dutzend davon lassen sich gezielte Sprachmitteilungen durchsagen, die im Katastrophenfall für die Betroffenen wichtig seien. Akkus an den Anlagen stellen sicher, dass die Sirene aufheulen, auch wenn Strom oder Handynetze ausgefallen sind. Auch im Vogtland soll es Bürgerinformationszentren in den Gemeinden geben, die als Anlaufstellen in der Not dienen.
Die Stadt Chemnitz will die Bevölkerung auch mit Durchsagen von Lautsprecherwagen informieren.
Was und wer hat beim Blackout Vorrang?
Die Behörden priorisieren im Notfall ganz klar. "Natürlich haben Einrichtungen wie Krankenhäuser in einem solchen Fall Vorrang vor anderen Bereichen", erklärt die Stadt Chemnitz dazu. Auch die Wasserversorgung in Chemnitz sei "aufgrund der Lage der Speicher relativ sicher".
Leipzig benennt den Weg des Vorrangs für Trinkwasser so: "Im Ereignisfall wird das zur Verfügung stehende Trinkwasser nach Maßgabe 1. Trinkwasser, 2. Abwasser, 3. Löschwasser priorisiert". Beim Notstrom gehe es zuerst um Einrichtungen der kritischen Infrastruktur (Versorger wie Stadtwerke, Wasserwerke, Krankenhäuser, Pflegeheime). Weil bei einem längeren Stromausfall auch Kraftstoff Mangelware sein könnte, hat die Stadt die Rangfolge nach den Punkten festgelegt: "Menschenleben/Gesundheit, Handlungsfähigkeit der Bevölkerung, Handlungsfähigkeit der Stadtverwaltung, Kulturgut/immaterielle Werte, materielle Sachwerte".
Was ist mit der Notstromversorgung?
Die Betreiber der Einrichtungen kritischer Infrastruktur (KRITIS) müssen die Notstromversorgung selbst sicherstellen. Ihre autarke Energieversorgung liegt in ihrer Verantwortung, erklärt das sächsische Innenministerium. Allerdings würden die Katastrophenschutz-Behörden den KRITIS-Betreibern mit Treibstoff für die Notstromaggregate helfen. Sachsen erarbeitet dafür ein Konzept namens "Treibstoffumschlagpunkt". Das soll den Aufbau einer Logistik-Kette beschreiben, die im Falle eines Blackouts aufgebaut wird.
Keine Experimente: Was gehört zum Selbstschutz jedes einzelnen?
Nicht nur die Behörden und kritische Infrastruktur-Einrichtungen müssen sich auf Notfälle vorbereiten. Sachsens Innenministerium spricht auch von einem "gewissen Selbstschutz der Bevölkerung."
Wer selber vorsorgt, ist weniger abhängig und kann einen Stromausfall besser überbrücken.
Stadtverwaltung Dresden
Zur Einschränkung von Privathaushalten bei längerem Stromausfall schreibt die Stadt Dresden: "Kein Licht nach Einbruch der Dunkelheit. Keine Heizung im Winter und kein warmes Wasser zum Duschen. Das Telefon stumm und das Handy nur noch mit Akkuleistung. Die Information per Internet, Fernseher, Radio gekappt. Statt warmer Mahlzeiten kalte Küche. Tiefkühlgeräte tauen ab und Kühlschränke sind funktionslos." Hinzu kämen Ausfälle im Bahnverkehr, bei Banken und Geschäften und Tankstellen. Daher müsse jeder selber vorsorgen.
Tipp: "Trinken ist wichtiger als Essen"
Deutschlands Bevölkerungsschützer empfehlen, dass sich jeder mit einem Vorrat an Lebensmitteln und Getränken für zehn Tage rüsten sollte. In einer Broschüre des BBK heißt es: "Trinken ist wichtiger als Essen." Ein Mensch könne unter Umständen drei Wochen lang ohne Nahrung auskommen, aber nur vier Tage ohne Flüssigkeit. Auch wichtig für die Lagerhaltung: "Keine Experimente." Man solle die Speisen und Getränke bevorraten, die man auch ansonsten isst. Die Lebensmittel sollten auch kalt verzehrt werden können, weil bei Stromausfall kochen schwierig werden könnte. Außerdem gilt:
- Lebensmittel aus der Tiefkühltruhe gehören auch zum Vorrat, weil die nach dem Auftauen zuerst weg müssen.
- Fällt die Wasserversorgung länger aus, sollte man Wasser in allen verfügbaren großen Gefäßen sammeln: in Badewanne, Dusch- und Waschbecken, Eimern und großen Schüsseln.
- Tipp: Müllbeutel bevorraten, denn im Katastrophenfall fährt auch die Müllabfuhr nicht.
- Und dran denken: Auch Haustiere haben im Katastrophenfall Hunger, daher müssen auch für sie Futtervorräte gelagert werden.
Mehr Infos zur Vorsorge bei Stromausfall finden Sie in der Übersicht des Bundesamtes für Katastrophenschutz, bei der Stadt Dresden, aber auch auf den Homepages des Landkreises, in dem Sie in Sachsen wohnen.
MDR (kk/sme)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 12. September 2024 | 19:00 Uhr