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Alternative für Deutschland10 Jahre AfD: So sehen Thüringer Politiker die Partei heute

07. Februar 2023, 08:44 Uhr

2013 trafen sich 18 Männer in einem Gemeindesaal im hessischen Oberursel. Ihr Ziel: die Gründung der Alternative für Deutschland. Seitdem hat sich die AfD zu einer festen Größe in der Parteienlandschaft entwickelt. In Thüringen gilt die AfD mit ihrem Landeschef Björn Höcke als besonders radikal. Die Bilanz für zehn Jahre AfD fällt daher aus Sicht der Politiker in Thüringen überwiegend kritisch aus.

von Wolfgang Hentschel, MDR THÜRINGEN

Für Thüringens SPD-Parteichef  Georg Maier ist die Lage klar: "Die alte AfD von 2013 gibt es nicht mehr." Die Gründung der Partei vor zehn Jahren habe er noch mit einer gewissen Akzeptanz beobachtet. Die AfD sei eine Folge der damaligen Euro- und Währungskrise gewesen. Eine überwiegend bürgerliche Partei, getragen von Professoren.

Danach habe es aber eine sehr negative Entwicklung gegeben: "Die AfD hat sich radikalisiert und stramm rechts entwickelt. Auch die Menschen, die sich in der Gründungsphase engagierten, sind teilweise schon lange nicht mehr dabei."

Die besondere Rolle von Björn Höcke in der AfD

Nach Ansicht von Maier, der auch Innenminister in Thüringen ist, kommt Thüringens AfD-Chef Björn Höcke eine besondere Rolle innerhalb der Bundespartei zu. "Höcke ist eine Figur von zentraler Bedeutung. Auch mit dem Flügel, den er gegründet hat. Er war und ist immer noch derjenige, der diese Partei weiter nach rechts treibt. Auch mit seinem Gedankengut. Er verschriftet das auch und bildet ein theoretisches Konstrukt, was diese Partei sein soll. Das ist die Ursache, dass wir die AfD als demokratiefeindliche Bestrebung einstufen."

Ein Beobachtungsfall des Verfassungsschutzes seit 2021

In Thüringen wird der AfD-Landesverband seit 2021 vom Landesamt für Verfassungsschutz als sogenannter Beobachtungsfall eingestuft. Demnach kann der Geheimdienst die AfD auch mit nachrichtendienstlichen Methoden überwachen. Die Behörde hält es für erwiesen, dass die AfD extremistisch ist.

Als Begründung nennt der Verfassungsschutz zum Beispiel, dass Führungsleute der AfD antisemitische Vorurteile bedienten, Muslime pauschal herabwürdigen würden und ehemalige Mitglieder des formal aufgelösten Flügels in der Partei weiter aktiv seien.

Nach Ansicht von Thüringens Linken-Chef Christian Schaft vollzieht die AfD insbesondere in Thüringen den Schulterschluss zwischen der Fraktion im Landtag und der extrem Rechten auf der Straße. Allerdings will Schaft nicht von einem Sonderfall Höcke sprechen. Auch in der gesamten AfD-Bundespartei würden völkisch-nationalistische Debatten geführt, dominiert durch die Mitglieder des Flügels.

CDU: Höcke ist Standortrisiko für Thüringen

CDU-Landeschef Mario Voigt sagt, die AfD habe sich im Lauf der vergangenen zehn Jahre von einer blauen zu einer braunen Partei gewandelt. Höcke sei der größte Feind der Zukunft des Landes Thüringen. Er verstehe, dass es unter den Menschen viel Frustration, Wut und auch Angst vor der Zukunft gebe, so Voigt: "Aber die Wahrheit ist, dass Höcke ein echtes Standortrisiko für Thüringen darstellt. Er vertreibt mit seiner Politik dringend benötigte Fachkräfte für Krankenhäuser, Pflegeheime, Schulen und Industrie. Er schreckt Investoren ab und wird damit zur Wohlstandsbremse für jeden einzelnen Thüringer."

Ähnlich sieht das Madeleine Henfling, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Landtagsfraktion. Ihren Angaben nach betreibt die AfD keine Sach-, sondern eine Gefühlspolitik, die gerade in den ostdeutschen Bundesländern gut funktioniert.

AfD liegt in Umfragen in Thüringen vorn

In Umfragen liegt die AfD in Thüringen zurzeit bei rund 25 Prozent und ist damit politisch die stärkste Kraft. Bei der Bundestagswahl 2021 gewann die Partei vier von acht Direktmandaten. Nach Ansicht von Björn Höcke sind die vergangenen zehn Jahre insgesamt eine großartige Erfolgsgeschichte für die AfD.

Gelungen sei dies gegen den Widerstand der anderen Parteien und der Medien. "Das etablierte Parteienkartell driftete in den letzten Jahren weiter nach links. Auch die CDU war nicht mehr als konservative Kraft erkennbar", sagt Höcke. "Es ist ein Vakuum entstanden, in das die AfD als neue Kraft gestoßen ist."

Höcke weist Vorwürfe zurück

Den Vorwurf, ein Rechtsextremist zu sein, weist Höcke zurück - trotz seines 2018 erschienenen Buchs "Nie zweimal in denselben Fluss", in dem Höcke feststellt, dass sich Deutschland "im letzten Degenerationsstadium" der Demokratie befinde. Trotz seines Auftretens bei Veranstaltungen mit Rechtspopulisten und Rechtsextremisten.

Wie etwa im November 2022 bei einer Demonstration vor dem Thüringer Landtag, bei der Martin Kohlmann, Vorsitzender der als rechtsextrem eingestuften Freien Sachsen, die Frage stellte, ob das politische System in Deutschland wirklich alternativlos sei.

Und trotz etwa seiner 2017 gehaltenen Dresdner Rede über eine Kehrtwende in der NS-Erinnerungskultur. Für Höcke sind dies alles legitime und angemessene Äußerungen und Veranstaltungen. "Das muss alles in einer Demokratie möglich sein", behauptet Höcke. "Solche Aussagen müssen offen diskutiert werden. Deutschland ist in einer schlechten Verfassung. Wir gehen ganz schweren Zeiten entgegen. Und es ist meine Pflicht, als Oppositionspolitiker Klartext zu reden. Auch um den Preis, dass man mich dafür angreift und diffamiert."

Dass mit der AfD keine andere Partei zusammenarbeiten will, findet Höcke undemokratisch. 25 Prozent der Wähler etwa in Thüringen würden "in den Skat gedrückt". Die AfD wolle regieren und politisch gestalten. Dafür müssten die anderen Parteien über ihren Schatten springen.

CDU soll klare Kante gegenüber AfD zeigen

Die anderen Parteien in Thüringen versuchen allerdings eher, der AfD wieder Wählerstimmen abzunehmen. Ein Patentrezept dafür haben sie noch nicht. Nach Ansicht der Grünen-Politikerin Henfling muss es gelingen, die AfD zu enttarnen. "Sie versucht ja immer, gutbürgerlich rüberzukommen. Aber dahinter versteckt sich eine zutiefst menschenverachtende Politik. Das müssen wir klar machen und immer wieder aufklären." Zudem mahnt Henfling die Union, klare Kante gegenüber der AfD zu zeigen.

Hintergrund ist, dass zuletzt im Thüringer Landtag unter anderem ein von der CDU vorgelegter Antrag zum Verzicht auf die Gendersprache in der öffentlichen Verwaltung gemeinsam mit der AfD angenommen sowie eine von der FDP vorgeschlagene Änderung des Spielhallengesetzes mit CDU und AfD beschlossen wurde. Gegen den Widerstand der rot-rot-grünen Minderheitsregierung.

Auch Linke-Landeschef Schaft warnt die CDU davor, einen Normalisierungskurs im Umgang mit der AfD einzuschlagen. Es gehe darum, die AfD im Landtag klar auszugrenzen. SPD-Landeschef Maier geht davon aus, dass es möglich ist, die AfD wieder klein zu bekommen. "Indem wir offen legen, was für ein Gedankengut hinter der Partei steht."

CDU will eigene Standpunkte vertreten

CDU-Landeschef Voigt bekräftigt, dass die Union gegenüber der AfD einen klaren Abgrenzungskurs fährt. Anträge oder Gesetzentwürfe der AfD trägt die CDU nicht mit. Anders ist es aber bei eigenen Vorschlägen.

Hier pocht Voigt darauf, dass seine Partei auch Politik gestalten und eigene Standpunkte vertreten kann. "Wir wollen Dinge ansprechen, die die Leute bewegen, wie Energie, Inflation, Wirtschaftskrise oder die Identitätsfragen. Wir haben viel Zuspruch der Bevölkerung bei dem Thema Gender-Sternchen und Binnen-I. Es geht nicht, dass öffentliche Einrichtungen so kommunizieren. Da gibt es eine klare Abgrenzung. Die Reaktion der politisch Linken ist dann immer, die CDU in ein schräges Licht zu rücken. Das zeigt aber, wir müssen als Demokraten wachsam sein, wenn es darum geht, wie man miteinander umgeht. Wenn man die AfD klein kriegen will, muss man auch zulassen, dass Themen hart angesprochen werden, auch von anderen Parteien."


Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Textes hatten wir geschrieben, dem CDU-Antrag zum Verzicht auf die Gendersprache in der öffentlichen Verwaltung habe auch die FDP zugestimmt. Dies ist nicht korrekt, die Liberalen haben sich an dieser Abstimmung nicht beteiligt. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten ihn zu entschuldigen.

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MDR (jn)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 06. Februar 2023 | 19:00 Uhr

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