Überforderter junger Arzt sitzt auf dem Krankenhausflur.
Mediziner warnen davor, die Kliniken in Thüringen kaputtzusparen. Bildrechte: imago/Westend61

Gesundheitssystem Thüringer Ärzte warnen vor überlasteten Kliniken und steigenden Gesundheitskosten

07. Juni 2023, 20:08 Uhr

Mit Blick auf die älter werdende Gesellschaft und den Fachkräftemangel gehen Experten im Thüringer Gesundheitswesen von steigenden Kosten aus. Sie warnen gleichzeitig vor einer finanziellen Schieflage der Kliniken - trotz geplanter Krankenhausreform.

Immer mehr Ältere mit mehr chronischen Erkrankungen, dafür immer weniger Menschen, die die Patienten versorgen: Angesichts dieser Aussichten rechnen Experten und Expertinnen im Thüringer Gesundheitswesen mit höheren Kosten.

"Wir können nicht das gleiche Geld in Anspruch nehmen in der Versorgung, als wenn alles so wäre wie vor 50 Jahren. Das muss man einfach wissen, dass Medizin teurer wird", sagte Ellen Lundershausen, Präsidentin der Landesärztekammer Thüringen und Vizepräsidentin der Bundesärztekammer am Mittwoch in Erfurt.

Präsidentin der Thüringer Landesärztekammer, Dr. Ellen Lundershausen
Ellen Lundershausen, Präsidentin der Landesärztekammer Thüringen Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Lundershausen: Lage schlimmer als vielen bewusst

Bei den Medizinischen Fortbildungstagen in Erfurt warnten Krankenhausvertreter und Ärzte gleichzeitig vor einer finanziellen Schieflage bei den Thüringer Kliniken. Lundershausen sagte, die Lage in den Kliniken sei viel schlimmer, als vielen bewusst sei. Es gebe nicht nur wirtschaftliche Verwerfungen. Probleme gebe es auch, weil die Notaufnahmen sehr stark in Anspruch genommen würden und qualifizierte Mitarbeiter fehlten.

Krankenhaus-Vertreter: Krankenhausreform allein reicht nicht

Gundula Werner von der Landeskrankenhausgesellschaft kritisierte zudem, die vom Bund geplante Krankenhausreform sei zwar notwendig. So fehlten mehr als 100 Millionen Euro seitens des Landes für Investitionsfinanzierungen, kritisierte sie. Auch mit der angestrebten Krankenhausreform sehe sie keine finanzielle Besserung für Kliniken. Die Pläne würden bislang nur eine Umverteilung von Geldern vorsehen.

Dabei sei schlicht mehr Geld im System nötig. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht dagegen nach langem Streit zwischen Bund und Ländern bei der Krankenhausreform einen Durchbruch erreicht.

Darum geht es bei der Klinikreform Im Kern geht es bei der von Lautberach geplanten Klinikreform darum, das bisherige Vergütungssystem mit Pauschalen für Behandlungsfälle zu ändern. Damit soll der wirtschaftliche Druck auf die Häuser gelockert werden.

Zudem sollen die Kliniken künftig in drei verschiedene Versorgungslevel aufgeteilt werden: in eine wohnortnahe Grundversorgung, eine Schwerpunktversorgung und in Maximalversorger wie Universitätskliniken.

Kassenärzte bringen Sparmöglichkeiten ins Spiel

Nach Angaben von Annette Rommel von der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen (KVT) müssen die Finanzlücken zum einen über Steuergelder geschlossen werden. Zum anderen müsse aber auch darüber nachgedacht werden, wo bei den Leistungen gespart werden könne. Denkbar seien etwa neue Tarifmodelle in der gesetzlichen Krankenversicherung. Laut Rommel könnten damit bestimmte Ansprüche in der ärztlichen Versorgung reduziert und Beiträge abgesenkt werden.

An den Medizinischen Fortbildungstagen nehmen nach Angaben der Veranstalter bis Samstag rund 1.000 Ärzte, medizinische Fachangestellte und Pflegekräfte teil.

MDR (whe/dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 07. Juni 2023 | 18:00 Uhr

14 Kommentare

ElBuffo vor 45 Wochen

Tja, heute fahren die Rentner eben selbst zum Arzt und wollen auch nur dem erzählen, dass Nachbars Lumpi immer so laut bellt, wenn gerade Rote Rosen läuft.

Otto_ vor 46 Wochen

Neben den Sparmaßnahmen sollte man auch die Einnahmenseite nicht außer Acht lassen. Es wäre z. B. eine Überlegung wert, dass alle in ein gemeinsames System einzahlen. Warum sollten z. B. Beamte weiterhin privat und nicht genau so gesetzlich versichert sein, wie der einfache Sachbearbeiter in einem Unternehmen? Ähnlich ist es bei den Selbstständigen. Ich kenne mehrere Beispiele von Leuten die fast ihr gesamtes Berufsleben privat versichert waren und dann im Alter durch Schlupflöcher wieder in die gesetzliche Krankenversicherung gewechselt sind.
Zudem gab es schon oft Berichte darüber, dass der Satz, den der Staat für die Bürgergeldempfänger zahlt, eigentlich zu gering bemessen ist.

Otto_ vor 46 Wochen

@salzbrot:

So etwas ähnliches gab es in der DDR doch bereits. Damals haben die Gemeindeschwestern all jene "Kleinigkeiten" übernommen, die jetzt die Arztpraxen oder gar Notaufnahmen "verstopfen".

Hier ein Zitat aus einem MDR-Artikel:
"Sie wechselt Verbände, impft Kinder, misst den Blutdruck und leistet einsamen Dorfbewohnern Gesellschaft: "Schwester Agnes" fährt im gleichnamigen Defa-Film von 1971 mit ihrer Schwalbe von Dorf zu Dorf. So erreicht und versorgt sie diejenigen, die nicht selbst zu den Ärzten fahren können. In der Realität übernehmen zu DDR-Zeiten mehr als 7.000 Gemeindeschwestern diese Aufgaben und werden damit für Patient und Arzt unverzichtbar."

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