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BildungWie Thüringen an den Schulen auf Seiteneinsteiger setzt

13. Oktober 2022, 20:57 Uhr

In Thüringen ist rund ein Viertel der neu eingestellen Lehrkräfte Seiteneinsteiger. Dafür mussten sie oft nochmal selbst die Schulbank drücken.

von Robert Müller, MDR THÜRINGEN

Der Lehrermangel ist bei weitem kein alleiniges Problem von Thüringen. Bundesweit werden händeringend qualifizierte Pädagogen gesucht. Thüringen ist mit rund 800 unbesetzten Stellen für Lehrkräfte in das neue Schuljahr gestartet - bei weiter steigenden Schülerzahlen.

Deshalb geht nach einer nicht repräsentativen Umfrage des Thüringer Lehrerverbandes etwa jede fünfte Schule von einem Unterrichtsausfall von 50 Stunden pro Woche aus. Der hohe Altersdurchschnitt - er liegt derzeit bei etwa 50 Jahren - und der Krankenstand verschärfen das Problem den Angaben nach zusätzlich. Rund 26.000 Schulstunden seien im vergangenen Schuljahr ausgefallen.

Länder setzen auf Seiteneinsteiger

Angesichts des Lehrkräftemangels setzen viele Bundesländer immer stärker auf Seiteneinsteiger. Fachkräfte, die zwar nicht klassisch Lehramt studiert haben, aber über ähnliche Abschlüsse verfügen und nachqualifiziert werden. Die Schulämter entscheiden, wer sich aus ihrer Sicht dafür fachlich eignet.

In Sachsen-Anhalt waren zum neuen Schuljahr schon ein Drittel aller Neueinstellungen Seiteneinsteiger. In Sachsen dagegen sanke die Quote bei den Seiteneinsteigern von 30 auf 12 Prozent. Dort konnten 1.024 neue Lehrkräfte gewonnen werden.

Julia Schulz hat ein Diplom als Sozialpädagogin, musste für die Qualifizierung zur Lehrkraft aber nochmal auf die Schulbank. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

In Thüringen liegt die Quote laut Bildungsministerium bei 23 Prozent. Das sei ein hoher Wert und es werden viel dafür getan, die Seiteneinsteiger zu qualifizieren. Der Fokus bei der Einstellung liegt demnach bei den berufsbildenden Schulen. Dort könne ganz besonders vom Fachwissen der Quereinsteiger profitiert werden, zum Beispiel aus dem Bereich Wirtschaft.

Dafür ist der Berufsschulcampus Unstrut-Hainich in Görmar bei Mühlhausen ein gutes Beispiel. 2.300 Berufsschüler werden von 167 Lehrkräften ausgebildet. 52 davon sind Seiteneinsteiger.

Verbeamtung als wichtiger Anreiz

Eine davon ist Julia Schulz, die zwar bereits ein Diplom als Sozialpädagogin in der Tasche hat, aber für die staatliche Anerkennung als Lehrerin eine berufsbegleitende Qualifizierung machen musste. Für sie war neben den finanziellen Vorteilen der Verbeamtung auch das Erlernen neuer pädagogischer Konzepte ein Antrieb, berichtet sie. Trotzdem sei es nicht einfach gewesen, sich mit Anfang 40 und als alleinerziehende Mutter nochmal auf die Schulbank zu setzen.

Kirstin Grunert vom Berufsschulcampus mit den Seiteneinsteigerinnen Julia Schulz und Nadia Niemann. (v.l.n.r.) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Ähnlich geht es Nadia Niemann. Bevor sie in den Schuldienst wechselte, hatte sie bereits 18 Jahre Berufserfahrung an Universitäten im wissenschaftlichen Bereich gesammelt. Sie steht kurz vor dem Ende ihrer pädagogischen Nachqualifizierung. Aus ihrer Sicht könnten die Schulämter noch viel stärker auf die einzelnen Biografien der Seiteneinsteiger eingehen, damit bereits absolvierte Kursinhalte nicht noch einmal abgelegt werden müssen.

Schwierigkeit mit Abschlüssen aus dem Ausland

Einige der Bewerber, die ihre Abschlüsse in anderen Ländern gemacht haben, beklagen sich darüber, dass ihre europäisch-zertifizierten Abschlüsse nicht oder nur teilweise für den Seiteneinstieg anerkannt würden. Das funktioniere in anderen Bundesländern besser, beklagten Lehrkräfte, die anonym bleiben wollen. Die Anerkennung mitgebrachter Kompetenzen sei ihrer Meinung nach wichtiger als die hundertprozentige Erfüllung formaler Voraussetzungen.

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MDR (cfr)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 13. Oktober 2022 | 19:00 Uhr

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