Kontaktverfolgung kaum zu stemmen Weimarer Amtsärztin: Extrem hohe Corona-Dunkelziffer
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Die Gesundheitsämter arbeiten am Rand ihrer Möglichkeiten. Dabei sei die Situation in Weimar noch vergleichsweise gut, berichtet Amtsärztin Isabelle Oberbeck. Trotz Personalaufstockung und einer vergleichsweise hohen Impfquote unter den Behördenmitarbeitern führt die jetzige Corona-Situation das Amt an seine Grenzen. Die tagesaktuelle Ermittlung von Kontaktpersonen Infizierter ist nicht mehr zu schaffen, ebenso wie viele reguläre Pflichten eines Gesundheitsamts.

- Viele Gesundheitsämter waren schon vor Beginn der Corona-Pandemie unterbesetzt.
- Die Infektionszahlen sind momentan so hoch, dass sich kaum sagen lässt, wie viel Personal im Gesundheitsamt aufgestockt werden müsste, um die Lage zu bewältigen.
- Es gibt mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich mehr Corona-Infizierte, als den Behörden bekannt ist.
Es gab Zeiten, vor der Pandemie, da führten Gesundheitsämter ein gewisses unbeliebtes Schattendasein. Zwar sind die Amtsaufgaben mannigfaltig - etwa Schuleingangsuntersuchungen, Schwangerenkonfliktberatung oder sozialpsychiatrische Themen - doch die Anerkennung sei oft ausgeblieben, sagt die Weimarer Amtsärztin Isabelle Oberbeck.
Sparmaßnahmen kommen Gesundheitsämtern jetzt teuer zu stehen
Im Grunde seien die Gesundheitsämter vor der Pandemie kaputt gespart worden. Die personelle Besetzung sei teilweise katastrophal gewesen, so dass eigentliche Pflichtaufgaben in der Vergangenheit gar nicht geleistet werden konnten. Corona habe nun "ganz klar aufgezeigt, was passiert, wenn niemand gewappnet ist, wenn niemand gerüstet ist für eine Notsituation."
Jetzt seien die Ämter bundesweit im Fokus und würden personell aufgestockt: "Ein Glück", sagt die Weimarer Amtsärztin. Sie denke jedoch, dass das Personal noch immer nicht ausreiche. Nur sei jetzt die Chance gekommen, darum zu kämpfen. Das habe auch etwas mit dem öffentlichen Ansehen der Gesundheitsverwaltung zu tun.
Personalaufstockung nicht ausreichend
Momentan würden rund 70 Mitarbeiter auf dem Weimarer Gesundheitsamt arbeiten. Die Stadt habe sich sehr bemüht, qualifizierte Leute zu finden. Als nächstes solle die Bundeswehr mithelfen. "Trotzdem muss man ganz einfach sagen, die Inzidenz ist so wahnsinnig hoch, dass wir im Moment gar nicht sagen könnten, wie viel Personal man eigentlich zuführen müsste", so Oberbeck.
Der Bedarf sei einfach riesig: Infektionsketten, Kontaktpersonen könnten somit nicht vollständig erfasst werden. So konzentriert sich das Amt auf die besonders verletzlichen Gruppen - auf die Menschen in Pflegeheimen oder Krankenhäusern sowie auf Schulen oder Kindergärten.
Hohe Dunkelziffer: Sehr viel mehr Infizierte als bekannt
Ohnehin würden viele infizierte Menschen nicht erfasst, sagt Isabelle Oberbeck: "Es gibt sicherlich eine extrem hohe Dunkelziffer." Die eigentlichen Zahlen von Infizierten - so viel sei klar - würden sehr viel höher liegen. Als relativ gut bezeichnet die Ärztin die Zusammenarbeit des Amts mit den Bürgern der Stadt. Aber sie habe bemerkt, dass sich die Situation wandele. Es sei anders geworden als vor einem Jahr. Die Spaltung zwischen den Menschen nehme zu und sei inzwischen "sehr stark spürbar".
Viele Bürger würden andere Bürger anzeigen: "Hier gibt es einfach sehr viele unschöne Situationen. Das denke ich, zieht sich durch die ganze Gesellschaft." Als "recht schwierig" empfindet sie es auch, wenn in Heimen Bewohner sich nicht impfen lassen wollten oder die Betreuer einer Impfung nicht zustimmten.
Klare Haltung zur Impfpflicht
Hier sei ihre Meinung klar, sagt Isabelle Oberbeck, mit einer allgemeinen Impfpflicht zu einem früheren Zeitpunkt wäre es nicht in diesem Ausmaß zu solchen Aggressionen und Problemen in diesem Ausmaß gekommen.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Morgen | 18. Dezember 2021 | 06:00 Uhr