Montage von Sonnenkollektoren für Solarthermie.
Mit Solaranlagen auf den eigenen Gebäuden können Kommunen autarker werden. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO/U. J. Alexander

Energiemanagement Wie bereiten sich Kommunen auf das Energiesparen vor?

05. August 2022, 00:39 Uhr

Wie können Städte und Gemeinden ihre Räume und Anlagen künftig heizen, ohne sich zu ruinieren? Wer schon über Jahre ein Energiemanagement aufgebaut hat, tut sich leichter mit Lösungen. Ein Weg wäre: Die Kommune betreibt selbst Solaranlagen und Wärmequellen, um ihre Gebäude zu versorgen. Experten sehen darin einen Weg, kommunale Gebühren für die Bürger im Rahmen zu halten.

Man hätte es im Voraus wissen können: Jena hat mal wieder die Nase vorn. 2002 und 2003 hat die Stadt an der Saale die Eigenbetriebe "Kommunale Immobilien Jena" und "Kommunalservice Jena" gegründet. Stadtrat und Stadtverwaltung legten Sanierung und Neubau von allen kommunalen Gebäuden - etwa Schulen, Verwaltungs- und Sozialgebäude - in die Hände dieser Eigenbetriebe.

Zukunftsweisende Technologien wie Geothermie, Photovoltaik, Solarthermie, Eisspeicher, Wärmepumpen und Blockheizkraftwerke wurden schon damals einbezogen, die effiziente Versorgung der kommunalen Gebäude mittels Gebäudeleittechnik weiterentwickelt.

Wärme-Verbrauch in Jena deutlich unter Bundesdurchschnitt

Heute, 20 Jahre später, antwortet die Stadt auf eine Umfrage von MDR THÜRINGEN zum kommunalen Energiemanagement: "Der Erfolg dieser Maßnahmen zeigt sich unter anderem in einer Reduzierung der Wärmeverbräuche um 21 Prozent gegenüber 2008. Unsere Schulgebäude verbrauchen im Schnitt 22 Prozent weniger Energie pro Quadratmeter und Jahr als der bundesweite Durchschnitt. Bei Verwaltungsgebäuden liegen wir 15 Prozent unter dem angeführten Durchschnitt."

Kommunales Energiemanagement wirkt - wenn es richtig gemacht wird. Seit zehn Jahren engagieren sich die Thüringer Energie- und Greentec-Agentur ThEGA und die Klimastiftung Jena-Thüringen für Kompetenz in diesem Bereich. Der Gemeinde- und Städtebund Thüringen hat registriert, dass inzwischen 27 Energiemanager die von der ThEGA angebotene Ausbildung absolviert haben.

Geld vom Land für ausgebildete Manager

MDR THÜRINGEN hat jetzt in den 18 Thüringer Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern nachgefragt: Haben Sie einen Klimaschutz- oder Energiemanager?

Rudolstadt, Gera, Eisenach, Nordhausen, Erfurt, Jena, Sonneberg und Weimar antworteten mit "ja". Altenburg, Saalfeld, und Suhl schaffen gerade eine Stelle dafür oder haben sie schon ausgeschrieben. Auch Ilmenau, wo man bisher auf die Zusammenarbeit mit dem Klimamanager des Ilm-Kreises gebaut hat.

Das Land Thüringen versucht, es den Städten, Gemeinden und Landkreisen leicht zu machen: Die können das landeseigene Förderprogramm "Klima Invest - Kommunale Klimaschutz- und Klimafolgenanpassungsmaßnahmen" nutzen und sich für drei Jahre bis zu 60 Prozent der Personalkosten für einen Klimaschutzmanager fördern lassen.

Städten ohne Energiemanagement läuft die Zeit davon

Das Beispiel Jena zeigt: Nachhaltiger Klimaschutz durch Energieeffizienz braucht Zeit. Zeit haben die Kommunen im Moment aber nicht. Die bevorstehenden Preissteigerungen zwingen zu schnellen Entscheidungen. Und deshalb lautet eine typische Antwort auf die Frage, wie in den kommunalen Einrichtungen Energie eingespart werden soll, zum Beispiel so:

"Die Stadt Altenburg ist angehalten auf Grund der aktuellen Entwicklungen am Energie- und Gasmarkt die Verbrauchsgewohnheiten in jeglichen Bereichen der Stadtverwaltung auf den Prüfstand zu stellen. Aus diesem Grund werden derzeit in allen Bereichen der Verwaltung geeignete Maßnahmen aufgelistet, die in einem 'Konzept zur Minderung der finanziellen Belastungen für die Stadt Altenburg in Folge der Marktpreisentwicklungen im Energie- und Gassektor und der vorbereitenden Absicherung drohender Versorgungslücken' zusammengetragen werden. Der Konzeptentwurf soll Ende August fertig sein, dann wird festgelegt, welche Maßnahmen wann umgesetzt werden. Das angestrebte Ziel ist es, mindestens 20 Prozent der aktuellen Verbräuche einzusparen."

Kurzfristiges Sparen auf Kosten von Komfort und Wohlgefühl

Kurzfristig will Altenburg die technischen Anlagen zur Energieversorgung in den kommunalen Einrichtungen abklopfen auf Sparpotential und sie gegebenenfalls austauschen. Und rechnet vor, was die Absenkung der Raumtemperatur in den stadteigenen Gebäuden bringen würde: Um zwei Grad Celsius - zwölf Prozent Ersparnis.

Straßenlaternen aus, Heizung drosseln, nur kaltes Duschwasser in den Turnhallen - viele Kommunen klammern sich an diese kurzfristigen Möglichkeiten. Der Deutsche Städtetag hat in einem Katalog zwölf Maßnahmen aufgelistet, die unmittelbar umgesetzt werden können. Vor allem kleine und finanzschwache Gemeinden auf dem Land haben jetzt wenig Alternativen.

Angebot für finanzschwache Gemeinden

Für sie hatte die Klimastiftung Jena-Thüringen ein Angebot geschneidert: Kleine Städte und Gemeinden, denen das Geld für einen eigenen Manager fehlt, können sich von einer durch die Klimastiftung beauftragten Partnerfirma unter die Arme greifen lassen beim Energiemanagement. Das erstaunlichste dabei: Mitten in der Energiekrise sagt der Chef dieser Firma, er habe seit Monaten keine Anfragen aus Thüringer Kommunen auf den Tisch bekommen.

Viel Sparpotential liegt seit Jahren brach

Martin Weigand ist Energieexperte beim Gemeinde- und Städtebund Thüringen. Er hat mehrfach erlebt, was ein ausgebildeter Energiemanager in einer Kommune bewirken kann: Wenn kommunale Liegenschaften nach den in der Ausbildung vermittelten Kriterien erfasst und geprüft würden, kämen da immer wieder unerwartete Einsparpotentiale zusammen.

Auch wenn über Investitionen entschieden würde, sei es hilfreich, diese Manager einzubeziehen. Die Art und Weise, wie die Klimaschutzstiftung gemeinsam mit den Kommunen einfach Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt hat, bewertet er positiv. Trotzdem sagt er: "Unser Weg ist noch weit." Auch für geförderte Manager-Stellen müssten die Kommunen einen Eigenanteil zur Verfügung haben. Den könne sich nicht jede Kommune leisten.

Immer mehr Kommunen wollen selbst Energie erzeugen

Selbst Strom und Heizwärme erzeugen und für die kommunalen Liegenschaften nutzen - darin liegt für Weigand der Weg, die Ausgaben von Städten und Gemeinden für die Energieversorgung unter Kontrolle zu bekommen. Die Nutzung von Photovoltaik haben einen Riesenschwung bekommen. "Wenn die Kommunen das selbst machen wollen, stellt sich allerdings eine Fülle von Fragen: Welchen Anlagentyp nehmen wir? Wem geben wir den Zuschlag?" sagt Weigand.

"Wenn Kommunen so ein Projekt ausschreiben, finden sich immer Anbieter, die es umsetzen möchten. Aber vor den Entscheidungen brauchen wir externe Beratung. Die kommunalen Verwaltungen haben da keine eigene Kompetenz." Und die größte Hürde sei die Bauleitplanung. Die Verfahren für die Planung und Genehmigung der Anlagen bezeichnet Weigand als das eigentlich Nadelöhr, die an dieser Stelle eine schnellere Energiewende ausbremsen.

Gebühren für Wasser und Abwasser nicht ausufern lassen

Dabei erlebe er gerade, wie das Interesse an solchen Lösungen steigt. Zum Beispiel, weil die Kosten für kommunale Leistungen der Daseinsvorsorge auf diese Weise stabil gehalten werden können. Rund um die Anlagen der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung böten sich viele Dächer und Freiflächen an, für die alternative Energiegewinnung in kommunaler Hand genutzt zu werden.

Die Investitionen für diese Anlagen auf die Wasser- und Abwassergebühren umzulegen - das hält Weigand für deutlich klüger als die Preisentwicklungen an den Energiemärkten an die Bürger weiterzugeben. Kommunale Eigenerzeugung sei ein Beitrag, mit dem der Anstieg von Wasser- und Abwassergebühren im Rahmen gehalten werden kann.

Genauer Umfang der Preissteigerungen noch völlig unklar

Auf die Frage von MDR THÜRINGEN, wie hoch die Kosten für Strom, Gas und Wärme zur Versorgung der kommunalen Liegenschaften im Jahr 2021 gewesen sind, haben acht Städte geantwortet. Die Summen liegen zwischen 3,8 Millionen Euro in Jena und 720.000 Euro in Altenburg. Für 2022 erwarten die meisten Städte noch keine größeren Preissprünge. Bisher schützen langfristige Verträge davor.

Aber beim Blick auf die Zeit ab 2023 macht sich Ratlosigkeit breit. Steigerungen von 30 über 50 bis zu 200 Prozent bei den Preisen für Energie - so sind die Befürchtungen. Doch eigentlich weiß keine Verwaltung genau, worauf sie sich einstellen muss. Wichtige Gesetze fehlen noch.

Energiepreise werden kommunale Haushalte unter Druck setzen

Etliche Thüringer Kommunen - darunter auch Nordhausen - sind beim Energiemanagement in den letzten Jahren gut vorangekommen. Ihre Stadt- und Gemeindehaushalte hat das entlastet. Andere hatten für die freiwillige kommunale Aufgabe keine Ressourcen. Bei den sehr erfolgreichen wie Jena wird die Entwicklung der Energiepreise nicht ganz so exorbitant auf das städtische Budget durchschlagen wie dort, wo nur wenig passiert ist.

Und das zeigt: Eigentlich ist erfolgreiches Energiemanagement so wertvoll wie Gold.

Mehr zu den Folgen der Energiekrise

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 04. August 2022 | 18:38 Uhr

6 Kommentare

martin am 05.08.2022

Wenn das mit Sinn und Verstand geplant wird, kann sich so etwas durchaus rechnen und in der Wasserwirtschaft sind lange Amortisationszeiten ja auch eher normal. Sicher nicht an jedem Standort. Ich sehe dabei aber das Problem, dass die externer Planer umso mehr Honorar erhalten, je teurer die Anlange wird. Gegen diesen Preistreiber müsste auch ein funktionierendes Mittel gefunden werden.

JanErfurt am 05.08.2022

Fazinierend zu sehen (vielmehr zu lesen), wie einfach alles bei Ihnen ist. Mit ein bischen mehr Überlegungen würden Sie aber vermutlich selbst darauf kommen, dass Ihre ach so einfachen Erklärungen keine Lösungen sind.

Gurg am 05.08.2022

Wenn im Umfeld von Wasser- und Abwasseraufbereitungsanlagen Investitionen in alternative Energiegewinnung stattfindet können die Investitionskosten nicht auf Wasser- und Abwassergebühren umgelegt werden, da nicht ursächlich damit zusammen hängend.

Dadurch würde der Anstieg dieser Gebühren auch nicht im Rahmen gehalten, sondern unkontrolliert steigen.

Wenn solche Flächen kommunal sind, kann die Kommune da investieren, und so sich das rechnet, wird das kommunale Budget entlastet, was dann dem Bürger durch Investitionen oder Entlastung zugute kommen sollte. Ein Zusammenhang mit Wasser und Abwasser und den Gebühren dafür ist dagegen nicht erkennbar. Weder ist mit Energieautarkie dieser Anlagen zu rechnen, noch wäre diese kosteneffizient. Außerdem wäre zu hoffen, dass da mehr Energie gewonnen würde, als nur für die entsprechenden Anlagen benötigt.

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