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Erneuerbare EnergieSolarstrom mit Hürden: Ehepaar zieht nach fünf Jahren Bilanz

16. November 2022, 05:00 Uhr

Vor rund fünf Jahren hat sich das Ehepaar Senf für eine Solaranlage auf dem Dach entschieden. Ein guter und richtiger Schritt, finden sie noch heute. Doch nach wie vor steht die Anlage auf der Bremse. Ein Erfahrungsbericht.

von Christian Franke, MDR THÜRINGEN

"Das war eine unserer weisesten Entscheidungen", sagt Torsten Senf, während seine Frau Christiane in einem dicken Aktenordner blättert. Anfang 2017 haben sich die beiden Mathematiker aus der Nähe von Jena nach längerer Überlegung dazu entschieden, eine Photovoltaikanlage auf ihrem Dach zu installieren. Dabei habe auch der Gedanke an die Umwelt eine Rolle gespielt: "Wir wohnen schließlich auf dem Land und sind mit der Natur verbunden. Wir hatten immer das Gefühl, dass wir etwas tun müssen. Und, dass Solarzellen eine gute Idee sind", blickt Christiane zurück.

Förderung mit "Solar Invest"-Programm

Lange Zeit hatten die Kosten das Ehepaar abgeschreckt, sich eine PV-Anlage anzuschaffen. Doch mit dem Förderprogramm "Solar Invest" des Landes, das 2016 an den Start ging, änderte sich die Lage. Dann hätten sie das Gespräch mit den Stadtwerken gesucht und eine Firma gefunden, die die Anlage auf dem Dach installierte. "Die waren extrem zuvorkommend, das hat alles prima geklappt", erinnert sich Torsten Senf.

Auch bei den Formalien habe es Unterstützung gegeben. "Die haben uns Tausende Dokumente ausgefüllt, die man als normaler Mensch gar nicht verstehen kann." Schließlich wurde aber auch die Hürde genommen und die Solaranlage zu 50 Prozent gefördert, inklusive Stromspeicher im Keller des Hauses. "Ohne Speicher lohnt sich das nicht", sagt Torsten Senf.

Von alten und neuen Förderrichtlinien

Doch so reibungslos die Anschaffung auch geklappt hat, hier und da sehen Christiane und Torsten Senf Verbesserungsbedarf - vor allem im Detail. Ein Beispiel:

Die Förderrichtlinie, die 2017 für den Bau ihrer Anlage gegolten hat, sieht vor, dass fünf Jahre lang kein damit produzierter Strom ins Netz eingespeist werden darf. Andernfalls geht der Förderanspruch verloren, der 50 Prozent der Kosten ausmacht. Eine Regelung, die nicht nur bei Familie Senf auf Unverständnis stieß.

Wir hatten immer das Gefühl, dass wir etwas tun müssen. Und, dass Solarzellen eine gute Idee sind.

Christiane Senf | Mathematikerin

Auf Nachfrage teilte das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) mit, dass es zu dieser Regelung vielfach Fragen gegeben habe. Daraufhin sei die Förderrichtlinie 2019 überarbeitet worden, die laut Ministerium nun "sowohl rechtlich sauber als auch im Interesse der Einspeisung ist".

Der Hintergrund: Mit der alten Regelung, die für Familie Senf noch gültig ist, sollte eine Doppelförderung für dieselbe Energieernte vermieden werden, also durch Solar Invest und EEG-Vergütung. Nach Angaben des Ministeriums wird mit der neuen Richtlinie nun lediglich der Anlagenteil gefördert, der für den Eigenverbrauch verantwortlich ist.

Der Anlagenteil, der darüber hinaus Strom ins Netz einspeist, werde nicht mehr gefördert. Dafür könne aber nun die Einspeisevergütung in Anspruch genommen werden. Heißt, seit 2019 werden nun Eigenverbrauch und Einspeisung ermöglicht - ohne Doppelförderung.

Stromproduktion auf der Bremse

Soweit zur Theorie. In der Praxis sieht das aber alles ein bisschen anders aus, denn dort speist die Solaranlage von Familie Senf sehr wohl Strom ins Netz ein. "Es gibt für diese Anlage keine Möglichkeit, das Einspeisen vollständig zu verhindern", erklärt Torsten Senf. Deshalb regele sich das System selbst so herunter, dass es mit einem vollen Speicher und nicht ausreichend Verbrauch im Haus weniger Strom produziert, als es eigentlich könnte. Stromproduktion auf der Bremse sozusagen.

Für uns hieß es ja, wir dürfen nicht einspeisen.

Torsten Senf | Mathematiker

"Aber natürlich kann sie das nicht total runterfahren - ist ja alles ein bisschen träge - deswegen speisen wir in Summe doch einiges übers Jahr ein." Im Jahr 2021 waren es beispielsweise rund 420 Kilowattstunden. Geld gibt es dafür aber gemäß der alten Förderrichtlinie nicht. "Wir haben uns damals sehr gewundert", sagt Senf. "Für uns hieß es ja, wir dürfen nicht einspeisen." Zunächst habe er Sorge gehabt, die Förderung zu verlieren. Der Installateur habe ihn dann aber aufgeklärt, dass es technisch nicht anders möglich sei. Dementsprechend steht auch auf der Rechnung, dass null Kilowattstunden eingespeist worden sind - während tatsächlich ständig Strom ins Netz geht.

Teurer Strom aus dem Netz

Für Christiane und Torsten Senf gibt es aber noch eine weitere befremdliche Sache. Dafür, dass sie Strom von ihrer Solaranlage beziehen und ein Teil davon sogar zwangläufig ins Netz einspeisen, gelten sie als "Geringverbraucher", wenn sie Energie aus dem Netz beziehen.

Das Problem daran: Für Geringverbraucher liegt der Preis pro Kilowattstunde höher als für "normale" Verbraucher. "Das ist für uns natürlich ärgerlich", sagt Torsten Senf.

Für das Ehepaar noch ärgerlicher ist aber, dass es viel weniger Strom aus dem Netz beziehen müsste, wenn es die zuvor beschriebene Drosselung der PV-Anlage nicht gäbe. "Wir könnten theoretisch fast autark leben, praktisch geht es aber nicht, weil die Anlage immer wieder gedrosselt wird. Dann müssen wir Strom aus dem Netz beziehen, den wir teurer bezahlen, als es sein müsste", führt Torsten Senf aus. "Etwa die Hälfte von dem, was wir aus dem Netz beziehen, speisen wir auch ein derzeit", ergänzt Christiane. Die Grenze zum Geringverbraucher liege bei 607 kWh im Jahr. Wenn sie darunter kommen, zahlen sie pro Kilowattstunde 8 Cent mehr und außerdem je Monat eine um 4 Euro höhere Grundgebühr.

Bewusster Umgang mit Energie

"Um das noch mal klarzumachen: Wir können nicht klagen. Wir finden weiterhin, das ist eine tolle Sache mit dem Solardach. Wir sind sehr froh über die Förderung. Aber es gibt halt Optimierungsmöglichkeiten, die wir da sehen", versucht Torsten Senf ein Fazit der vergangenen fünf Jahre mit PV-Anlage zu ziehen. Auf jeden Fall sei das Paar in dieser Zeit aber viel bewusster im Verbrauch von Energie geworden. "Man stellt nicht alles gleichzeitig an, sondern je nach Produktion auf dem Dach und Speicherstand."

Rein formal fällt die Reglung, dass kein Strom ins Netz eingespeist werden darf, zum 1. Januar 2023 weg. "Also zum Ende des Kalenderjahres der Inbetriebnahme der Anlage - ein bisschen mehr als fünf Jahre", ergänzt Christiane Senf. Erst danach könne die Solaranlage ohne Bremse Strom produzieren und diesen dann auch - ganz offiziell - ins Netz einspeisen.

PV-Anlagen wichtigste Öko-Stromlieferanten in Thüringen

Nach Angaben des Umweltministeriums waren erneuerbare Energien im zweiten Quartal 2022 die wichtigsten Stromproduzenten in Thüringen. Demnach machten sie 69,9 Prozent des im Freistaat erzeugten Stroms aus. Der wichtigste Öko-Stromlieferant seien dabei Photovoltaik-Anlagen mit 698 Gigawattstunden gewesen. Sie sorgten laut Ministerium für einen Anteil von 40 Prozent am gesamten Thüringer Ökostrom, der 1.713 Gigawattstunden entsprochen hat.

Insgesamt ist Thüringen bei der Energieversorgung allerdings stark von anderen Bundesländern abhängig. So machten Importe im Jahr 2019 laut Statistischem Landesamt 75,5 Prozent des im Freistaat zu deckenden Energiebedarfs aus.

Wie das Energieministerium auf Anfrage mitteilte, wurden seit 2016 mehr als 4.000 Photovoltaik-Anlagen mit einer Förderung durch Solar Invest errichtet. Mehr als 3.300 PV-Anlagen seien derzeit in der Umsetzung. Zum Vergleich: Insgesamt sorgen in Thüringen den Angaben nach rund 40.000 PV-Anlagen für klimafreundliche Energie.

MDR (cfr)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 15. November 2022 | 19:00 Uhr

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