1993 bis heute Wie sich das Gehalt in Thüringen entwickelt hat

17. Oktober 2019, 15:30 Uhr

In den vergangenen 25 Jahren sind die Gehälter in Thüringen deutlich gestiegen. Welche Phasen der Freistaat dabei durchlaufen hat und welche Regionen besonders herausstechen, klärt ein Blick in die Statistik.

Selbstständig oder angestellt, Teilzeit oder Vollzeit, tarifgebunden oder außertariflich - die Art und Weise, wie Menschen in Deutschland ihren Lebensunterhalt verdienen, ist vielfältig. So vielfältig, dass die Löhne und Gehälter nicht in einer universellen Statistik gesammelt und verglichen werden können. In Deutschland existieren deshalb parallel zueinander eine Vielzahl von Erhebungen.

Welche Daten wir verwenden

In der Folge betrachten wir die Bruttolohn-Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten, die etwa 75 Prozent aller Erwerbstätigen ausmachen. Nicht eingeschlossen in diese Betrachtung sind unter anderem Selbstständige, Beamte und Beschäftigte in Teilzeit.

1993-2012: Auf starkes Wachstum folgt Stagnation

Mit der Gehaltsentwicklung von Thüringen nach der Wiedervereinigung beschäftigt hat sich das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) - eine Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit. Die Daten des IAB reichen zurück bis ins Jahr 1993 und sind an Thüringens aktuelle Gebietsstruktur angepasst.

Spitzenreiter beim Bruttolohn im Jahr 1993 war Erfurt mit umgerechnet 1.558 Euro. Wichtig: Bei allen Lohnangaben handelt es sich um den sogenannten Median. Dieser Wert teilt das Lohnspektrum aller Beschäftigten in zwei gleichgroße Gruppen. Die eine Hälfte der Erfurter verdiente demnach mehr als den Medianlohn, die andere Hälfte weniger. Thüringer Schlusslicht zum damaligen Zeitpunkt war das Gebiet des heutigen Landkreis Sonneberg mit einem Medianlohn von 1.270 Euro:

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Anhand der IAB-Daten lässt sich in Thüringen die Gehaltsentwicklung in den ersten zwei Jahrzehnten nach der Wiedervereinigung grob in zwei Phasen unterteilen. Zunächst stiegen die Gehälter bis Ende der 1990er-Jahre deutlich an. Grund dafür waren unter anderem die Tariflöhne in den neuen Bundesländern, die auf Bestreben der Gewerkschaften immer weiter dem West-Niveau angeglichen werden sollten.

Etwa ab der Jahrtausendwende wurden die jährlichen Lohnzuwächse kleiner und kleiner. Schließlich finden sich ab Mitte der 2000er-Jahre in einigen Regionen Thüringens sogar Gehaltsrückgänge in den Daten:

Mithilfe des Aufklapp-Menüs (oben links) können Sie in der Grafik zwischen den Landkreisen und Städten auswählen.

2014-2018: Bezahlung steigt wieder spürbar

Die historischen Gehalts-Daten des IAB enden im Jahr 2012. Da es aufgrund fortwährender methodischer Veränderungen keine allumfassande Lohnstatistik gibt, wird zur Betrachtung der Gehaltsentwicklung in jüngerer Vergangenheit die Entgeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) verwendet.

Für den Zeitraum von 2014 bis 2018 weisen diese Zahlen für Thüringen einen Bruttolohnzuwachs von rund 14 Prozent aus, in Westdeutschland waren es dagegen nur knapp 9 Prozent. Den deutlichsten Lohnzuwachs in diesem Zeitraum konnte der Landkreis Sömmerda verzeichen. Das Landsratsamt Sömmerda begründet diese Entwicklung gegenüber MDR THÜRINGEN folgendermaßen:

Gemeinsam mit dem Regionalen Servicecenter der IHK, der Kreishandwerkerschaft Weimar-Sömmerda sowie der Agentur für Arbeit Erfurt führen wir die deutliche Lohnsteigerung der vergangenen Jahre nicht allein auf Tariferhöhungen zurück. Vielmehr trägt vor allem dazu bei, dass die Firmen durch Lohnsteigerungen bemüht sind, neue Fachkräfte zu gewinnen und vorhandene langfristig an sich zu binden. So können sie im Wettbewerb um Fachkräfte in Mittelthüringen bestehen.

Landratsamt Sömmerda

Doch auch wenn die Gehälter in Thüringen in den vergangenen Jahren wieder spürbar gestiegen sind, so werden anhand der BA-Daten deutliche regionale Unterschiede sichtbar. Denn während im Jahr 2018 der Median-Bruttolohn im Altenburger Land bei 2.308 Euro lag, waren es in Jena 3.173 Euro - ein Unterschied von 865 Euro:

"Jena ist eine Erfolgsgeschichte für ganz Ostdeutschland"

Michaela Fuchs, Regionalökonomin am IAB in Halle (Saale), begründet die hohen Löhne in Jena mit einer Vielzahl von positiven Merkmalen, die in der Universitätsstadt zusammenkommen: Viele Hochqualifizierte, Arbeitsplätze im Forschungs- und Entwicklungsbereich, dazu gibt es eine große Universität, die Uni-Klinik und nicht zuletzt die Carl Zeiss AG, die in Jena gegründet wurde. Insgesamt sei die "Wissensstadt" Jena eine Erfolgsgeschichte für ganz Ostdeutschland und die Löhne deshalb nicht ohne Grund höher als im Rest Thüringens.

Dass sich diese Erfolgsgeschichte andernorts wesentlich seltener wiederholt hat als in den alten Bundesländern, führt Michaela Fuchs vor allem auf die wirtschaftliche Struktur den neuen Bundesländer zurück:

Gute Jobs gibt es in der Regel da, wo es Industrie gibt und wo es große Unternehmen gibt, die tarifgebunden sind, die auf internationalen Märkten tätig sind und die eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung oder eine strategische Entscheidungszentrale vor Ort haben. Da gibt es dann gute Jobs, in dem Betrieb und in der Region.

Michaela Fuchs, IAB

Das Problem: Es gibt zwar Unternehmen in Thüringen, die ein oder zwei der genannten Voraussetzungen erfüllen, jedoch brauche es nahezu alle, um auch in Zukunft gute Gehälter zahlen können.

Quelle: MDR THÜRINGEN/mm

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 19. Oktober 2019 | 19:00 Uhr

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