MuseumsbefragungKunst: Wie wichtig ist das Original im Museum?
Jeden Tag drängen sich mehr als 20.000 Menschen vor die Mona Lisa im Pariser Louvre-Museum. Und das, obwohl man sich das Gemälde mittlerweile auch bequem Zuhause auf dem Smartphone ansehen kann. Der Zauber des Originals scheint ungebrochen, da sind sich die mitteldeutschen Kunstmuseen in der Museumsbefragung 2024 von MDR KULTUR sicher. Die Befragung zeigt aber auch: Nicht einmal der Hälfte der Museumsgäste ist es wichtig, dass im Museum auch wirklich die Originale zu sehen sind.
- Ein Großteil der Museen glaubt, dass Originalwerke auch in Zukunft bedeutsam für den Museumsbesuch bleiben werden.
- Rund die Hälfte der potenziellen Museumsgäste sagt, ihnen würden auch Nachbildungen und Repliken im Museum reichen.
- Mit der Neuinszenierung von Originalen wollen Museen das Interesse ihres Publikums wecken.
Wer sich heute sein Lieblingskunstwerk anschauen oder mehr über eine Ausstellung erfahren möchte, muss nur das Smartphone zücken. Längst ist die Museumswelt auch digital erlebbar. Aber, wie relevant ist dann noch der Besuch des Originalwerks? Wie bleiben Museen spannend, wenn Kunst und Kultur nur einen Klick entfernt sind?
Carolin Schäfer, Leiterin des Schlossmuseums Sondershausen, hat darauf eine klare Antwort: "Das Original ist und bleibt das Original." In einer so schnelllebigen, digitalen Zeit wie unserer, in der jeder alles fotografieren kann, würde es zu einem Verschleiß kommen. Menschen würden gezielt ins Museum gehen, um etwas Echtes zu sehen. Die Präsentation von Originalwerken sei zudem der primäre Auftrag von Museen.
Das Original, das man im Museum sehen kann, das ist unser Auftrag.
Carolin Schäfer, Leiterin Schlossmuseum Sondershausen
Originale weiterhin bedeutsam für Museen
Ähnlich sehen das auch viele andere Museen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Das geht aus einer Befragung von MDR KULTUR und dem Meinungsbarometer MDRfragt unter den mittleren und großen mitteldeutschen Kunstmuseen hervor. 42 Prozent der befragten Einrichtungen sind der Meinung, dass Originalwerke zukünftig gleichbedeutend für Museen bleiben werden. Über die Hälfte von ihnen glaubt, dass das Original sogar an Bedeutung gewinnen wird.
In der Friedenstein Stiftung in Gotha spielt das Original eine ganz besondere Rolle. Viele der Sammlungsstücke sind zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs verloren gegangen, etwa durch Abstransporte, unrechtmäßige Verkäufe oder Diebstahl. Wenn die Originale dann teils nach vielen Jahrzehnten ihren Weg zurück in das Herzogliche Museum der Stiftung finden, sei das ein ganz besonderer Moment, sagt Susanne Finne-Hörr, Pressesprecherin der Friedenstein Stiftung.
Erst vor kurzem feierte das Museum die Rückkehr des Werkes "Heiliger Gregorius von Nazianz" des flämischen Malers Peter Paul Rubens. Fast 80 Jahre war es aus dem Museum verschwunden. Das hinterlässt Eindruck – beim Museumspublikum und seinen Mitarbeitenden, so Susanne Finne-Hörr. "Wenn dann unsere Jungs aus dem Depot mit ihren weißen Handschuhen kommen und dieses Werk dann ganz vorsichtig herausheben – da kriegt man Gänsehaut." Auf diese Weise würden Museumsgäste den Wert von Originalwerken und ihren ganz individuellen Geschichten erkennen.
Vielen Museumsgästen reichen auch Nachbildungen
Aber ist dem wirklich so? In einer Umfrage des Meinungsbarometers MDRfragt unter mehr als 19.000 potenziellen Museumsgästen gab fast die Hälfte an, ihnen würden auch Nachbildungen und Repliken im Museum genügen. Carolin Schäfer vom Schlossmuseum Sondershausen kann das nur in Teilen nachvollziehen. Vor allem digitale Nachbildungen von Werken könnten Museumsgäste höchstens neugierig auf das Original machen. Nur vor Ort könnten sie dann die Exponate in all ihren Facetten erleben, argumentiert sie.
Museumserlebnis für alle Sinne
Carolin Schäfer betont aber auch, dass Neuinszenierungen von Originalwerken das Interesse von Museumsgästen wieder neu wecken könnten. Im Schlossmuseum Sondershausen soll deshalb langfristig ein Museumserlebnis für alle Sinne geschaffen werden: "Dass Museumsgäste hierherkommen können und nicht nur etwas lesen, sondern auch hören oder fühlen können. Vielleicht können sie auch etwas nachmachen, etwas mit Nachhause nehmen. Das ist die Zukunft des Museums."
Ein ganzheitliches Museumserlebnis ist die Zukunft.
Carolin Schäfer, Leiterin Schlossmuseum Sondershausen
Viele andere Museen schließen sich dem an. In der Museumsbefragung 2024 zeigten sich 65 Prozent der befragten Einrichtungen offen dafür.
Die Friedenstein Stiftung in Gotha macht anhand des Gothaer Tafelaltar vor, wie Originalwerke neu präsentiert und ergänzt werden können. Das Werk beeindruckt mit seinen vielen Flügeln und Tafeln, die mit biblischen Zeichnungen und Versen bestückt sind. Damit die Museumsgäste auch hinter die Flügel blicken und jedes kleine Detail unter die Lupe nehmen können, gibt es vor dem Tafelaltar einen Touchscreen, mit dem sich die Besucherinnen und Besucher durch das Originalwek klicken können. "Da unterstützt eben das Digitale das Werk selbst“, sagt Pressesprecherin Susanne Finne-Hörr.
Die Museumswelt glaubt weiter an den Zauber des Originals. Gleichzeitig stehen Originalwerke in vielen Einrichtungen heute nicht nur für sich, sondern werden durch moderne Ansätze ergänzt, neu inszeniert und sollen Museumsgäste wieder neugieriger auf das "Echte" machen.
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Hinweise zur Museumsbefragung 2024MDR KULTUR hat in Zusammenarbeit mit MDRfragt, dem Meinungsbarometer für Mitteldeutschland, die 34 mittelgroßen und großen Kunst- und Kulturmuseen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die eine eigene Kunstsammlung besitzen, befragt. 26 von ihnen haben an der Befragung teilgenommen. Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Die Umfrage unter der MDRfragt-Community fand vom 5. bis 12. Juli 2024 statt.
Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen.
Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ. Bei dieser Befragung haben sich 19.056 Menschen online mit ihrer Meinung eingebracht.
Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland.
MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests. Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie unter dieser Erklärungsbox.
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