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EnergiekriseHeizöl und Holzpellets: Wie hohe Preise Thüringer in Bedrängnis bringen

21. Oktober 2022, 15:21 Uhr

Die Preise für Heizöl sind in den vergangenen Monaten am schnellsten gestiegen. Kunden kaufen daher teils weniger Brennstoff ein. Trotzdem müssen viele ihre Ersparnisse angreifen, um über den Winter zu kommen. Brennstoffhändler dringen deshalb darauf, nicht nur bei Gas und Fernwärme einen Preisdeckel einzuführen - sonst werde ein Teil der Bevölkerung ungerecht behandelt. Derweil sind viele Preiserhöhungen bei den Betroffenen noch gar nicht angekommen.

von Florian Girwert, MDR THÜRINGEN

Pünktlich um 10:30 Uhr rollt André Rupprecht in Tonna mit seinem Lastwagen auf den Hof der Thiele GmbH & Co. KG. Der Thüringer Brennstoffhändler liefert unter anderem Heizöl frei Haus. Die Touren, wie die von Rupprecht, sind fest getaktet. Kunden können online nachschauen, wo sich ihre Lieferung gerade befindet, denn manche legen extra auf Arbeit eine Pause ein, um die Lieferung entgegenzunehmen.

Doch im Moment haben die Kunden andere Sorgen: "Weil sie ihre ganzen Ersparnisse verbrauchen müssen, um das Öl zu kaufen", sagt Rupprecht, während er den Laster in Richtung Burgtonna steuert. "Es ist dreimal teurer als im vergangenen Jahr - und teilweise nehmen die Leute nur so viel, wie sie bezahlen können", berichtet er.

2.000 Liter Heizöl für gut 3.000 Euro

Inge Stiller erwartet den großen Laster bereits. Sie hat 2.000 Liter Heizöl bestellt. Nicht wie in den vergangenen Jahren 3.000 Liter. "Sonst habe ich immer vollgemacht. Da habe ich sonst vielleicht 2.000 Euro bezahlt", sagt sie. "Das wollte ich dieses Mal auch, aber da hätte ich 5.000 Euro bezahlen müssen. Und das kann ich nicht."

Also nimmt sie nur gut 2.000 Liter für reichlich 3.000 Euro. Sie selbst sei sehr genügsam. "Ich mache die Heizung nur an, wenn das Enkelkind da ist. Ich brauche im Großen und Ganzen keine Heizung. Ich decke mich zu und dann ist es gut", sagt sie.

Kunden wollen sich nicht verschulden

Derlei Verhalten beobachtet Firmeninhaberin Uta Thiele zuletzt häufiger. "Die Kunden kaufen wirklich weniger, was der Geldbeutel eben hergibt. Die wollen sich nicht verschulden", sagt sie. Auch Ratenzahlungen würden etwas häufiger angefragt, sagt die Tonnaer Händlerin. Sie hofft deshalb, dass es "eine Deckelung vom Preis durch die Regierung gibt. Dass es auch was aufs Heizöl gibt, wie beim Gas oder beim Strom".

Die Kunden kaufen wirklich weniger, was der Geldbeutel eben hergibt. Die wollen sich nicht verschulden.

Uta Thiele | Inhaberin Thiele GmbH & Co. KG Tonna

Eine Preisbremse fordert auch der Verband für Energiehandel Südwest-Mitte (VEH), in dem Thiele zusammen mit 350 anderen mittelständischen Händlern organisiert ist. "Wir appellieren an die Bundesregierung und die Expert:innen-Kommission Gas und Wärme, die rund 20 Millionen Menschen in Deutschland, die Heizöl zur Wärmeerzeugung nutzen und derzeit einen äußerst wichtigen Beitrag zur Energiesicherheit leisten, nicht zu benachteiligen", sagt VEH-Geschäftsführer Hans-Jürgen Funke laut einer Mitteilung an die Presse. In Mitteldeutschland heizt etwa ein Viertel der Haushalte mit Öl, knapp vier Prozent nutzen Holz oder Holzpellets.

Ein Sack Holzpellets für neun bis zwölf Euro

Und die Pellets sind ebenfalls mächtig gestiegen im Preis. "Vor der Krise lag der Sack vielleicht bei drei Euro, heute sind es neun bis zwölf", berichtet Thiele. Gerade hier sei viel aus Russland oder der Ukraine geliefert würden. Die Herstell-Kapazitäten in Deutschland könnten den Bedarf kaum decken. Beim Heizöl sei die Tendenz sehr ähnlich, auch hier ist der Preis bereits massiv angestiegen. Das Landesamt für Statistik verzeichnet gegenüber dem Vorjahresschnitt etwa 102 Prozent Zuwachs beim Preis.

Dass es beim Gas etwa 65 Prozent mehr sind, liegt hier vor allem daran, dass viele Preiserhöhungen bisher erst angekündigt, aber noch nicht umgesetzt wurden. Gemessen wird hier nur, was tatsächlich schon angekommen ist. Teilweise steigen die Preise auch schrittweise, sodass die Erhöhungen noch nicht vollständig angekommen sind. Bei der Kohle sei der Preis mitunter gar nicht mehr relevant - sie sei schlicht nicht zu bekommen. Natürlich gebe es neben dem Durchschnitt immer auch Extremfälle mit Vervielfachungen der Preise, heißt es bei der Verbraucherzentrale Thüringen.

Viele Gaskunden verstehen nicht, wie das mit den Abschlägen funktioniert, wie die heruntergesetzt werden sollen.

Ramona Ballod | Energie-Referentin der Verbraucherzentrale

Auch dafür ist der Preisdeckel für Erdgas und Fernwärme gedacht. Wie er nun tatsächlich umgesetzt werden soll, da ist man auch bei der Verbraucherzentrale noch nicht sicher. Schon jetzt sei der Beratungsbedarf hoch. "Viele Gaskunden verstehen nicht, wie das mit den Abschlägen funktioniert, wie die heruntergesetzt werden sollen", sagt Ramona Ballod, Energie-Referentin der Verbraucherzentrale. "Die bekommen Preiserhöhungsschreiben, die dann zurückgenommen werden, weil die Preisbremse angekündigt wurde und die Mehrwertsteuer gesenkt worden ist. Viele kommen mit diesen Schreiben nicht klar."

Eingriff des Staates grundsätzlich richtig

Wie die Umsetzung dann funktionieren werde, sei noch unklar. "Der Preisdeckel gliedert sich in eine Einmalzahlung für den Dezember-Abschlag. Und irgendwann ab März oder April kommt der Preisdeckel." Wer nun Fernwärmekunde ist, da solle der Abschlag wohl direkt an den Vermieter fließen, der dann einmalig einen geringeren Nebenkosten-Abschlag vom Mieter bekommt. "Ich sehe da große Probleme, wie das ausgestaltet werden soll."

Der Eingriff des Staats sei grundsätzlich richtig: "Wo die Energie leitungsgebunden ist, kann man sich keine Alternative suchen", sagt sie. Heizölkunden hingegen könnten zumindest den Zeitpunkt bestimmen, zu dem sie Öl kauften. "Und vielleicht hat mancher Glück und hat noch einen gut gefüllten Tank." Trotzdem kritisiert Ballod die Gestaltung der Preisbremse. "Sie ist nicht sozial ausgewogen. Jemand, der viel verbraucht, vielleicht weil er hohes Einkommen hat, wird stärker entlastet als jemand, der schon immer gespart hat." Wer wirklich knapp bei Kasse sei, dem nütze die Übernahme eines einzelnen Abschlags wenig.

Wer eine neue Heizung hat, fühlt sich verschaukelt

Und es sei ein Problem, dass sich Verbraucher, die gerade auch mit Hilfe von Förderung eine alte Heizung mit einer modernen Pellet-Heizung ersetzt hätten, nun plötzlich ihr neues Brennstofflager für ein Vielfaches der alten Preise auffüllen müssen. "Die sagen dann, lasst mich in Ruhe mit der Energiewende, die kostet mich ja nur Geld." Diese Verbraucher fühlten sich von der Politik verschaukelt. "Aber der Preis unterliegt nun mal Schwankungen."

Heizölkunden seien damit am ehesten vertraut. Sie rät dazu, sich möglichst unabhängig zu machen von Brennstoffen. "Den Energieverbrauch so weit wie möglich drücken, um unabhängig zu sein von dem, womit ich heize. Den Wohnraum so weit wie möglich sanieren, so gut es der Geldbeutel hergibt", rät Ballod. "Da muss der Staat auch helfen. Da kann er nicht die Fördersätze reduzieren. Die muss er ausweiten."

Lieferwagen-Fahrer Rupprecht derweil hat auch Kunden, die nicht so freundlich sind wie Inge Stiller aus Burgtonna. "Es gibt Leute, die richtig auf uns Fahrer schimpfen", sagt er. "Habe ich auch schon selbst erlebt. Die einen richtig runtermachen. Wo ich dann sage: Ihr habt es bestellt, ihr habt den Preis vorher gewusst. Ich fahre nur, ich beliefere euch. Mehr mache ich nicht." Und auch er macht sich Sorgen um seine nächste Nebenkosten-Nachzahlung. "Die wird für uns vielleicht bitterböse."

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MDR (co)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 21. Oktober 2022 | 07:00 Uhr

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