Flut-Katastrophe in Westdeutschland Thüringer Hubschrauber-Pilot im Hochwasser-Gebiet: "Es fehlen komplette Ortschaften"
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Aus Thüringen wurden am Wochenende viele Helfer in die Hochwasser-Krisengebiete nach Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz geschickt. Einer von ihnen ist Andreas Hofmann. Der Polizeihubschrauber-Pilot berichtet im Gespräch mit MDR THÜRINGEN von der Verwüstung, von vom Wasser eingeschlossenen Polizisten und davon, wie die Menschen vor Ort mit der Situation umgehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von "gespenstischen Bildern", als sie sich am Wochenende ein Bild vom Ausmaß der Hochwasser-Katastrophe in der Eifel machte. "Gespenstisch" - das ist aus Sicht eines Hubschrauber-Piloten aus Thüringen aber "leicht untertrieben". Andreas Hofmann ist - neben mehr als 200 weiteren Helfern aus Thüringen - im Krisengebiet im Einsatz. Er fliegt mit dem Polizei-Hubschrauber "Habicht 8" die Gebiete im besonders schlimm getroffenen Ahrtal in Rheinland-Pfalz ab. Im Gespräch mit MDR THÜRINGEN berichtet er, dass die Bilder im Fernsehen und in der Zeitung nicht das ganze Ausmaß der Verwüstung erfassen könnten. "Es ist eigentlich nichts mehr da", schildert er. "Es fehlen komplette Ortschaften."
Lebensmittel, Getränke und Kraftstoff geflogen
Seit Freitag ist Andreas Hofmann vor Ort. Er und das Thüringer Team haben mit dem Hubschrauber vor allem Transportaufgaben übernommen, berichtet Hofmann. Sie flogen große Mengen an Lebensmitteln und Getränken sowie Kraftstoffen für die Notstromaggregate in die einzelnen Ortschaften der Krisengebiete. Außerdem gelangten auf diesem Weg auch Seelsorger zu den Menschen, die Hilfe benötigten.
Polizisten vom Hochwasser umschlossen
Mit dem Hubschrauber konnten die Einsatzkräfte auch eine Gruppe von Polizisten retten, die plötzlich vom Wasser eingeschlossen worden war. "Sie waren entlang des Flussverlaufs auf der Suche nach hilfsbedürftigen und verstorbenen Personen", berichtet Hofmann. Als eine Straße plötzlich wegbrach, waren die Polizisten eingekesselt. Glücklicherweise kam rechtzeitig Hilfe aus der Luft.
"Es fehlt jegliche Infrastruktur"
Der Pilot sagt, das volle Ausmaß der Katastrophe sei noch verheerender, als Bilder aus Zeitung und Fernsehen annehmen lassen. Nicht nur Straßen, Brücken und Häuser seien zerstört worden, "es fehlt jegliche Infrastruktur", schildert Hofmann. "Von der Straße bis zur Schiene. Gas, Wasser, Strom - das ist alles nicht mehr vorhanden." Man könne sich kaum vorstellen, dass die Ortschaften, in denen teilweise nur drei Häuser stehen geblieben seien, in einem überschaubaren Zeitraum wieder aufgebaut werden können. Und für viele Einwohner gibt es kein Zurück mehr. "Wir haben mit Leuten vor Ort gesprochen, die gesagt haben: Hier werden wir nie wieder unser Haus aufbauen."
"Rheinländische Frohnatur" der Menschen macht Mut
Überrascht sei Hofmann hingegen von der "rheinländischen Frohnatur" der Menschen vor Ort gewesen. "Sie haben das eigentlich locker weggesteckt - im Rahmen des Möglichen", berichtet er. "Sie haben versucht, das Beste aus der Situation herauszuholen. Entweder die Häuser wieder aufzubauen, oder sich einen neuen Lebensmittelpunkt zu suchen." Aber niemand habe resigniert.
"Das war eine ganz komische Situation - aber auch schön zu sehen, wie die Leute mit der Geschichte umgehen und auch einen Blick in die Zukunft werfen."
Quelle: MDR THÜRINGEN/fno
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 19. Juli 2021 | 08:00 Uhr
Querdenker vor 44 Wochen
@Nico Walter - - - Wenn man die angekündigten 200 Liter pro m² in durchschnittlichen Schnee (weder Pulver noch nasser Schnee) umrechnet, dann kommt man auf eine Schneehöhe von etwa 2 Metern. Nur um die Relation mal zu verdeutlichen.
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200 Liter pro m² sind umrechnet etwa 20 cm Wasserhöhe pro m². Auf dem flachen Land weniger ein Problem. Im Talkessel, wo sich das Wasser in der Mitte sammelt, eine vorhersehbare Katastrophe. Da werden dann ggf. mehrere Meter draus.
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Für solche "Talkessel" muss es Evakuierungspläne (je nach Unwettereinstufung für den Ort) geben, welche der Bevölkerung bekannt sind und die halbautomatisch greifen.
Querdenker vor 44 Wochen
Ein wenig plakativ mal ausgedrückt: Wie viel großflächige Regenmassen muss der Deutsche Wetterdienst noch ankündigen, damit es – vorher - zu Evakuierungen kommt? Topografisch gesehen sind das doch teilweise riesengroße „Kloschüsseln“, wo sich in der Mitte das Wasser sammelt. Was war die Erwartungshaltung, bei großflächig bis zu 200 Liter pro m², in einem Tal umgeben von Berghängen?
Es haben sich hier deutliche Defizite in mehreren Bereichen meiner Meinung nach aufgetan. Das fängt bei der Klassifizierung eines angesagten Unwetters für die jeweilige Region vor Ort an, geht über Aufklärung und Warnung der Bevölkerung über verschiedene Kanäle bis hin zu Evakuierungsplänen, die „halbautomatisch“ greifen.
Nico Walter vor 44 Wochen
Selbst wenn früher und umfassender gewarnt worden wäre bleibt doch immer noch die spannende Frage, wie viel hätte das eigentlich genützt? Jedes Jahr warnt der Wetterdienst vor Wintereinbrüchen und jedes Jahr stecken mit schöner Regelmäßigkeit Hunderte (oder Tausende?) in kilometerlangen Staus fest. Dabei sollte man doch eigentlich wissen, das auf einer zugeschneiten Autobahn schnell kein Durchkommen mehr ist. Aber einfach mal einen Tag früher oder später zu fahren scheint für viele einfach nur eine Zumutung zu sein. Dabei sprechen wir noch von Ereignissen, die jeder kennt. Hätte letzte Woche noch jemand gewarnt, in Deutschland könnten ganze Orte einfach von der Landkarte gespült werden, wer hätte das geglaubt? Nein, nein, solange es Menschen gibt, die sich für klüger halten als die Experten, so lange wird es unnötige Opfer geben, da kann gewarnt werden, soviel man will. Und das betrifft längst nicht nur das Wetter.