Der Redakteur | 08.06.2022 Bisher keine Bußgelder wegen Corona-Impfpflicht für Gesundheitsberufe

07. Juni 2022, 19:16 Uhr

In Thüringen sind bei der Corona-Impfpflicht für Gesundheitsberufe noch keine Bußgeld-Bescheide erlassen worden. Das hat eine MDR-Umfrage unter den Landratsämter ergeben. Demnach wurden bisher lediglich Anhörungsbögen an die gemeldeten nicht geimpften Mitarbeiter verschickt.

Anne aus dem Saale-Holzland-Kreis hatte sich an unseren Redakteur für Hörerfragen, Thomas Becker, gewandt. Sie sagt: "Ich gehöre zu denjenigen, die nicht geimpft sind und falle unter die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Nun habe ich einen Anhörungsbogen vom Gesundheitsamt bekommen und bin verunsichert". Sie möchte wissen: "Wo geht das hin, muss ich Bußgeld zahlen und darf dann nicht mehr arbeiten?"

Im Anhörungsbogen können die Angeschriebenen Stellung nehmen, warum sie ohne den geforderten Impfnachweis arbeiten. Nach dem Zeitplan des Gesundheitsministeriums sollten die Bußgeldbescheide für Nicht-Geimpfte schon in Arbeit sein. Allerdings fehlen den Landkreisen auch feste Vorgaben, wie hoch die Strafen liegen sollen. Die vom Bund beschlossene Impfpflicht gilt seit Mitte März und läuft Ende des Jahres aus.

MDRfragt - Impfpflicht: Meinung des Personals in Pflege und Medizin
MDRfragt-Umfrage zur Impfpflicht beim medzinischen Personal. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Überlastete Gesundheitsämter haben noch mehr Papierkram

Ganz sicher wird es die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht in die Vitrinen eines Deutschen Bürokratiemuseums schaffen. Dafür ist sie zu ungerecht, durch Kompromisse zerstückelt und das eigentliche Ziel, die Menschen zum Impfen zu bewegen, wurde auch ganz klar verfehlt.

Stattdessen müssen sich die ohnehin überlasteten Thüringer Gesundheitsämter mit aufwändigen Anhörungs- und Bußgeldverfahren beschäftigen, die alle in Einzelfallprüfung abgearbeitet werden müssen und das braucht Zeit. Zeit, die das Gesetz eigentlich gar nicht zur Verfügung stellt, denn zum Jahresende ist schon wieder Schluss.


Rund 11.000 Fälle in Thüringen

Bis Ende Mai wurden in Thüringen 10.983 Fälle gemeldet, also nicht immunisierte Mitarbeiter einer von der Impfpflicht betroffenen Einrichtung. Ende April waren es noch rund 8.700, was an den Nachmeldungen der Einrichtungen liegt oder schlicht daran, dass sich Mitarbeiter infiziert hatten und nun nicht mehr über einen Genesenen-Nachweis verfügen.

An dieser Stelle soll trotzdem noch einmal darauf hingewiesen werden, dass das Impfen nach wie vor der beste "Erstkontakt" mit dem Virus ist, dem man - das zeigen die Infektionszahlen - ohnehin nicht dauerhaft entfliehen kann. Unter diesen Umständen ist es immer die bessere Wahl, zunächst nur Bestandteilen des Virus zu begegnen und nicht ungeschützt die volle Ladung zu inhalieren.


Endlich ein einheitlicher Bußgeldrahmen

Die Befragung der Gesundheitsämter sämtlicher Thüringer Landkreise hat ergeben, dass sich eigentlich alle (die unsere Fragen beantwortet haben) einen einheitlichen Rahmen wünschen. Dem ist das Thüringer Gesundheitsministerium nun auch nachgekommen und hat in einem Schreiben an die Gesundheitsämter einen Rahmen von 150 bis 250 Euro empfohlen, das ist geringer als die Vorgabe Bayerns von 300 Euro. Das Gesetz sieht für Ungeimpfte in den Gesundheitseinrichtungen sogar Bußgelder bis 2.500 Euro vor.

Aus unserer Sicht wäre eine allgemeine Impfpflicht besser gewesen, einerseits mit Blick auf den kommenden Herbst, aber auch weil es solidarischer gewesen wäre.

Silke Fließ, Sprecherin Thüringer Gesundheitsministerium

Hier sieht man den Bund in der Pflicht, auch mit Blick auf das Auslaufen des Gesetzes zum Jahresende. Auch wenn das nicht alle Gesundheitsämter so deutlich gesagt haben, wie der Sozialdezernent des Wartburgkreises im "Freien Wort". Dort äußerte Martin Rosenstengel, dass man das gesamte Verfahren bewusst herauszögern werde. Er sagte, vor August werde da nichts passieren.


Gesundheitsämter haben andere Prioritäten

Wirklich eilig haben es die Gesundheitsämter nicht und verweisen darauf, jeden Einzelfall sehr gründlich zu prüfen. Schuleingangsuntersuchungen, die Flüchtlingswelle aus der Ukraine, die Freigabe erneuerter Trinkwasserleitungen oder die Bearbeitung von Corona-Fällen habe eine höhere Priorität als Anhörungsbescheide zu verschicken und die Betroffenen zu Einzelgesprächen einzuladen.

Ob dann am Ende wirklich flächendeckend Bußgeldbescheide verschickt werden in Thüringen und gar jemand ein Betretungsverbot für seine Einrichtung erhält, das wird mit jeder verstrichenen Woche unwahrscheinlicher. Wenngleich sich natürlich alle an Recht und Gesetz halten wollen, das in diesem Falle mit sehr viel Gummi daher kommt. Knallharte Ansagen, Paragrafen und Strafrahmen zügig und gnadenlos durchzusetzen haben die Antworten aus den Landkreisen jedenfalls nicht enthalten.

Altenburger Land

Im Altenburger Land haben 472 ungeimpfte Personen eine Aufforderung bekommen, einen Immunitätsnachweis vorzulegen. 180 kamen dem bisher nicht nach. Noch wurden keine Bußgeldverfahren eingeleitet, die Einleitung wird aber ab Mitte Juni erfolgen. Tätigkeits- und Betretungsverbote sind letztlich nicht ausgeschlossen.

Erfurt

Bis Ende Mai haben 744 Personen ein Aufforderungsschreiben erhalten, die entsprechenden Impfnachweise vorzulegen, das haben 115 Personen auch getan. Dass es am Ende bei einigen Nichtgeimpften auf Bußgelder und auf ein Betretungs- und Beschäftigungsverbot hinausläuft, ist nicht ausgeschlossen, auch in Erfurt gilt aber: Alles in Absprache mit der Einrichtung und mit Blick auf die Versorgungssicherheit.

Kyffhäuserkreis

Bereits 370 Personen wurden im Kyffhäuserkreis angeschrieben, das sind nahezu alle Betroffenen. Wenn die Fristen für die Erbringung des Nachweises verstrichen sind, folgt auch das Bußgeldverfahren. Bezüglich der Höhe der Bußgelder gab es Abstimmungen mit anderen Landkreisen, ein Betretungsverbot erfolgt nur in Rücksprache mit betreffender Person und der Einrichtung unter Ausnutzung der Ermessensspielräume, die das Gesetz einräumt.

Landkreis Gotha

Im Kreis Gotha hat bislang noch niemand Post bekommen, derzeit werden die Fälle erfasst und geprüft. Und zwar sorgfältig, besonders bei der Frage der Zutritts- und Beschäftigungsverbote. Was die Bußgelder betrifft, hält man sich an das Gesetz und an die ja nun erfolgten Vorgaben des Landes.

Landkreis Sonneberg

Auch das Gesundheitsamt des Landratsamtes Sonneberg hat noch keine Aufforderungen an Betroffene versandt. Man befinde sich noch in der Erarbeitungsphase der Dokumente. Ob die Einführung der Impfpflicht dazu geführt hat, dass sich Betroffene haben impfen lassen, kann derzeit nicht eingeschätzt werden.

Landkreis Nordhausen

Im Gesundheitsamt des Landkreises Nordhausen sind rund 400 Meldungen im Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht eingegangen, bezogen auf die Zahl der Einrichtungen sei das eine vergleichsweise geringe Anzahl. Alle Betroffenen wurden bereits angeschrieben und aufgefordert, einen Nachweis vorzulegen. Danach erfolgt das Anhörungsverfahren.

Ilm-Kreis

Im Ilm-Kreis wurden bislang 163 Briefe verschickt, 247 stehen noch aus. Das Gesundheitsamt rechnet mit weiteren Nachmeldungen, noch sind die Rücksendefristen nicht abgelaufen, von daher kann auch noch keine Aussage darüber getroffen werden, wie viele Betroffene Impfnachweise erbringen oder wie viele Mitarbeiter der Einrichtungen sich wegen der Impfpflicht haben impfen lassen.

Saale-Holzland-Kreis

Das Gesundheitsamt hat bislang 330 Anhörungsschreiben verschickt, erwartet aber weitere Nachmeldungen. Wie andere Kreise auch drängte der Saale-Holzland-Kreis auf eine thüringenweite Regelung bezüglich der Höhe der Bußgelder. Ein Betretungsverbot erfolgt nur nach individueller Prüfung.

Sömmerda

Sömmerda hat bereits 220 Aufforderungen verschickt, was ein Bußgeld und ein mögliches Betretungsverbot betrifft, wird jeder Fall einzeln geprüft.

Unstrut-Hainich-Kreis

Bislang wurden 512 Personen seitens der Einrichtungen gemeldet, die nicht durchimmunisiert sind. Alle haben bereits Anhörungsbescheide erhalten. In jedem einzelnen Fall wird entschieden, ob Bußgelder oder Zutrittsverbote verhängt werden, die Versorgungssicherheit im Landkreis wird dabei immer im Auge behalten.

Weimar

In Weimar wurden schon 278 Personen angeschrieben, es gibt aber immer wieder Nachmeldungen, zum Beispiel durch einen auslaufenden Genesenen-Status. Bußgeldhöhe und ein mögliches Betretungsverbot sind Einzelfallentscheidungen. Bislang haben sich von den 278 angeschriebenen Personen acht Personen doch impfen lassen. 73 Vorgänge wurden aus anderen Gründen geschlossen, zum Beispiel wegen einer zwischenzeitlichen Erkrankung oder weil der Arbeitsplatz gewechselt wurde.

Weimarer Land

Das Gesundheitsamt des Weimarer Landes hat bisher 236 Aufforderungen versandt, 43 stehen noch aus. Bei der Bußgeldhöhe spielen nicht nur die Tätigkeit im medizinischen/pflegerischen Bereich eine Rolle und die persönlichen Umstände der betroffenen Person, sondern auch die Art und Weise der Zusammenarbeit mit den Behörden. Ausdrücklich nennt das Gesundheitsamt Umgangston und die Kooperation in Bezug auf die Bereitstellung der geforderten Nachweise. Dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht dazu geführt hätte, die Menschen zum Impfen zu bewegen, das geben die Zahlen nicht her. Von den bislang 236 angeschriebenen Personen im Weimarer Land haben lediglich zwei Personen Impftermine vereinbart und zwei weitere Personen ein Impfberatungsangebot wahrgenommen. Was die Betretungs- und Beschäftigungsverbote betrifft, werde genau geprüft, welche Tätigkeit mit wieviel Patientenkontakt die betroffene Person inne hat und welche konkreten Folgen der Wegfall dieser Person für die jeweilige Einrichtung hätte.   

MDR (tk)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 08. Juni 2022 | 16:40 Uhr

6 Kommentare

DermbacherIn am 09.06.2022

Maßnahmen im Herbst sind meiner Meinung nach nur zu rechtfertigen, wenn das Gesundheitssystem ernsthaft und flächendeckend an seine Kapazitätsgrenzen käme. Seit Omikron war das in Deutschland nicht mehr der Fall.
Es "bräuchte" also eine Variante, die sich gegen Omikron durchsetzt, den Impfschutz umgeht und die deutlich häufiger zu schweren Verläufen führt. Laut WHO ist eine solche Variante das unwahrscheinlichste Szenario. Natürlich kann man sich ruhig auch auf ein unwahrscheinliches Szenario vorbereiten, aber mich stört, dass RKI, Karl Lauterbach und auch manche Medien suggerieren, es sei sicher, dass im Herbst wieder Maßnahmen notwendig seien. Ist es nicht.

DermbacherIn am 09.06.2022

Trotz Open Air Konzerte, volle Fußballstadien, volle Volksfeste und vieles mehr, sieht frau, doch dass es auch ohne Einschränkungen geht, Keine Maskenpflicht mehr und trotzdem sinken seit Wochen die Zahlen und das hat sicher nicht nur mit dem saisonalen Effekt, zu tun. Bitte die Maßnahmen nicht überbewerten, vieles hätte man sich sparen können und hätte den gleichen Effekt gehabt. Diejenigen, die sich noch im Coronamodus befinden können ja alle Maßnahmen aufrecht erhalten, ist ja nicht verboten. Vor Corona hat sich auch keiner für die Risikogruppen interessiert und aus Rücksicht Maske getragen, da gab und gibt es auch zahlreiche infektiöse Übertragungen die geschadet haben.

DermbacherIn am 09.06.2022

Ohne Evaluation sind keine sinnvollen Maßnahmen möglich. Allein schon die Behauptung, dass es in der Bevölkerung erhebliche Immunitätslücken gibt, ist durch nichts belegt, eine Repräsentative-Stichprobe Antikörperuntersuchung gibt es nämlich bisher nicht.

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