Sozialarbeiterin diskutiert mit Schülerinnen einer achten Klasse
24 Kinder- und Jugendparlamente gibt es bisher in Thüringen. Sie setzen sich für die Interessen der jungen Leute ein. (Symbolbild) Bildrechte: imago/Busse

Mitbestimmung Kinder- und Jugendgremien in Thüringen wollen mehr als "Alibi-Beteiligung"

20. September 2022, 16:26 Uhr

24 Kinder- und Jugendparlamente gibt es in Thüringen bereits. Sie stehen laut Dachverband im Bundesvergleich gut da und gestalten zum Beispiel öffentliche Plätze, beraten Politiker oder bewilligen Geld für Jugendprojekte. Aber es gibt noch Luft nach oben.

Der Saale-Holzland-Kreis macht vor, wie ein aktiver Jugendbeirat aussehen kann. Johanna Kranert, Pia Lange und Luis Mischke sind zwischen 17 und 21 Jahre alt und Teil des zehnköpfigen Gremiums, teilweise schon seit etlichen Jahren. Im Saale-Holzland-Kreis organisieren sie nicht nur Veranstaltungen und vertreten die Anliegen von Kindern und Jugendlichen, sondern sie verfügen sogar über ein eigenes Budget aus EU-, Bundes- und Landesmitteln.

Ein Großteil dieser rund 14.000 Euro pro Jahr geht an den Jugendfond "Holzlandcash". HIer können Jugendliche ihre Projekte vorstellen und sich beim Jugendbeirat um eine Förderung bewerben. So konnte zum Beispiel ein Schülerprojekt in Stadtroda einen frei zugänglichen Bücherschrank aufstellen. Und ein Reitverein in Pretschwitz konnte einen neuen Boden für seine Longierhalle anschaffen.


Politisch mitreden, aber wie?

Seit vergangenem Jahr kann der Jugendbeirat auch in der Kommunalpolitik mitreden. Die Jugendlichen haben einen beratenden Sitz im Jugendhilfeausschuss des Landkreises. "Das haben wir uns erkämpft", sagt Johanna Kranert.

§26a der Thüringer Kommunalordnung

Hier steht seit 2021, dass die Gemeinden Kinder und Jugendliche an Entscheidungen beteiligen sollen, die sie betreffen.

Allerdings haben die Beiratsmitglieder aus dem Saale-Holzland-Kreis auch gemerkt, wie langwierig und komplex kommunalpolitische Fragen sein können. Johanna Kranert zieht deshalb eine eher resignierte Bilanz zur Arbeit im Jugendhilfeausschuss und warnt vor "Alibi-Beteiligung". Sie sagt, da "prallen Welten aufeinander. Wir gehen vormittags zur Uni, zur Ausbildung oder zur Schule und machen das in unserer Freizeit. Die Hauptamtlichen in den Ämtern machen es in ihrer Arbeitszeit. Es ist schwierig, das zu verbinden und zum Beispiel Termine zu vereinbaren, an denen Unterlagen mit uns durchgegangen werden."

Da prallen Welten aufeinander - wir gehen vormittags zur Uni, die Hauptamtlichen machen es in ihrer Arbeitszeit.

Johanna Kranert, Mitglied im Jugendbeirat Saale-Holzland-Kreis


Mehr Beteiligung in der Fläche

Lukas Pitzel kennt diese Probleme. Der 18-jährige Jenaer engagiert sich im Vorstand des Dachverbandes der Kinder- und Jugendgremien in Thüringen. Der Verband vertritt 24 Jugendparlamente im Land und setzt sich dafür ein, dass sie mehr an der Kommunalpolitik beteiligt werden. Dafür brauche es aber echte Offenheit und Vermittlungsarbeit vonseiten der erwachsenen Politikerinnen und Politiker, erklärt Pitzel.

Außerdem fordert der Dachverband eine stärkere Beteiligung in der Fläche. "In einigen Städten wie Erfurt oder Jena werden wir schon gut beteiligt. Aber bei anderen Gremien gibt es echt noch Nachholbedarf. Wenn man schon ein Jugendgremium hat, dann sollte das an die Kommune gebunden sein. Es sollte aber trotzdem die Freiheit haben, selbst über sich zu bestimmen und ein gewisses Budget bekommen."

In Erfurt und Jena werden wir schon gut beteiligt. Bei anderen Gremien gibt es Nachholbedarf.

Lukas Pitzel vom Dachverband der Kinder- und Jugendgremien Thüringen

Thüringen: Gut, aber nicht sehr gut

Pitzel sieht Thüringen grundsätzlich auf einem guten Weg, wenn es um die Mitbestimmung von jungen Menschen geht, trotz der benannten Baustellen. In den vergangenen Jahren hat sich schon einiges verändert: Neben dem neuen Paragraphen in der Kommunalordnung gibt es seit 2019 die "Landesstrategie Mitbestimmung junger Menschen". Diese legt bestimmte Ziele und Standards für die Beteiligung fest. Demnach soll es wirklich allen jungen Menschen möglich sein, sich politisch zu beteiligen - mit klaren Entscheidungsspielräumen und verständlichen Informationen.

Dieses Ziel ist sicherlich noch nicht erreicht, meint auch Carsten Nöthling vom Thüringer Landesverband des Deutschen Kinderschutzbundes. Er betont, dass Kinder- und Jugendparlamente nicht ausreichen, um junge Menschen angemessen einzubeziehen. Stattdessen fordert er, dass Kinder auch die grundlegenden Entscheidungen ihres Alltags mitbestimmen können, zum Beispiel im Kindergarten und der Schule.

Wir alten Erwachsenen geben vor. Das kann nicht die Grundlage einer demokratischen Ordnung sein.

Carsten Nöthling, Geschäftsführer Deutscher Kinderschutzbund, Landesverband Thüringen

Nöthling findet, dies fange im im Elternhaus an, gehe in der Krippe weiter und im Kindergarten, bis die Kinder irgendwann Jugendliche sind und schließlich Erwachsene.

MDR (ifl)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 20. September 2022 | 12:00 Uhr

2 Kommentare

Thomas S. am 21.09.2022

So lange in Thüringen nicht flächendeckend Sozialkunde Unterricht angeboten und durchgeführt wird und so lange Berufsschullehrer klagen, dass volljährige Auszubildende nicht mal rudimentäre Kenntnisse des deutschen Wahlrechts geschweige denn Staatsrechts haben, sehe ich keinen Platz für mehr Kinderbeteiligung. Und an die Minderjährigen, die hier zur Sprache kommen: nicht jammern! Kommunalpolitiker sind zur ganz überwiegende Zahl Ehrenamtler. Die arbeiten 40 Stunden die Woche + Familie + Haushalt + Hobby + Kommunalvertretung OHNE Nanny . Wenn die politisches Ehrenamt schaffen, dann schafft ihr das neben der Schule auch.

Ostthueringerin am 20.09.2022

Mich interessiert, wo die 24 Kinder- und Jugendgremien angesiedelt sind. Auf deren Homepage wurde ich nicht fündig.

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