Gesundheitswesen Thüringer Krankenhäuser setzen immer stärker auf Künstliche Intelligenz

09. Mai 2025, 17:06 Uhr

Fahrassistenzsysteme, Übersetzungsprogramme, ChatGPT - Künstliche Intelligenz dringt immer mehr in unser Leben ein. Bahnbrechendes verspricht sie etwa in der Medizin. Auch Thüringer Krankenhäuser arbeiten bereits damit.

Erkennen kleinster Strukturen in der Zentralklinik Bad Berka

Ein Blick wie in die Tiefen des Alls: Nur führt er hier ins Innere des Körpers. Mit dem neuen Photonen-Computertomografen (CT) in der Zentralklinik Bad Berka können die Ärzte sogar kleinste Gewebeveränderungen und damit Frühformen von Lungenfibrose, Weichteil- oder Knochentumoren, aber auch Gefäßverschlüsse bei Herzpatienten erkennen.

Ein Patient liegt in einem Gerät zur Photonen-Computertomografie
Der Photonen-CT mit künstlicher Intelligenz ermöglicht hochauflösende Bilder kleinster Strukturen. So lassen sich etwa risikoreichere Kathederunersuchungen für Herzpatienten vermeiden. Bildrechte: MDR/Ria Weber

"Bisher hat man diese Patienten im CT noch mit Kathedern untersucht, möglicherweise auch ohne Ergebnis, vielleicht sogar mit einer Komplikation", erklärt Oberarzt Dr. Philipp Lauten. "Durch die neue Technik sehen wir jetzt genau in die Herzkranzgefäße rein. Wir erkennen, ob sie relevante Verkalkungen haben. Und was noch ein zusätzlicher Vorteil ist: Wir sehen, ob sich Stents, die vor längerer Zeit zur Aufweitung des Gefäßes gesetzt wurden, zugesetzt haben."

KI übernimmt die Daten-Auswertung

Die Auswertung der enormen Datenmengen, die das Gerät generiert, übernimmt dabei zum Teil Künstliche Intelligenz. Nicht nur Herzkranke oder Krebspatienten profitieren von dieser KI-Anwendung, sondern auch Menschen mit Adipositas, bei denen herkömmliche Bildgebungsverfahren oft keine aussagekräftigen Ergebnisse liefern.

Über drei Millionen Euro hat die Zentralklinik Bad Berka in das Gerät investiert. Es ist nach Angaben der Klinik eines von aktuell drei Geräten dieser Art im Osten Deutschlands.

Genauere Bestrahlungsmethode in der Uniklinik Jena

Bereits seit über einem Jahr bietet das Uniklinikum Jena seinen Krebspatienten eine schonende Strahlentherapie mit einem durch Künstliche Intelligenz besonders passgenau arbeitenden Linearbeschleuniger an.

Das Gerät erkennt innerhalb von nur sechs Sekunden die aktuelle Lage der Organe und errechnet einen Behandlungsplan, der von den Ärzten und Medizinphysikern nur noch abgeglichen werden muss. "Diese aktuelle Anpassung ist entscheidend, denn der menschliche Körper ist nicht jeden Tag gleich", erklärt Dr. Klaus Pietschmann, der Direktor der Klinik für Strahlentherapie. "Es gibt anatomische Veränderungen, die uns bei Erkrankungen wie dem Prostata-Karzinom oder dem Gebärmutterhalskrebs immer wieder Probleme machen. Beispielsweise führen unterschiedliche Füllungszustände von Blase und Darm zu bis zu zwei Zentimeter Verschiebung von Organen und Geweben. Das wird jetzt sofort erkannt."

Der Vorteil für den Patienten: Durch die genaue Lenkung der Strahlen, wird gesundes Gewebe geschont. Sie haben weniger Schmerzen, der Heilungsprozess geht schneller vonstatten.

Das Land Thüringen förderte die Anschaffung im Januar 2024 mit 4,5 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre).

Schnellere Bild-Auswertung im Sophien- und Hufelandklinikum Weimar

Im Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar kommt KI neuerdings bei der Auswertung von Kapsel-Endoskopien zum Einsatz. Besteht ein Verdacht etwa auf Blutungen im Dünndarm und haben herkömmliche Endoskopien nichts ergeben, kommt die verschluckbare Kapsel mit integriertem Kamerasystem zum Einsatz. Diese Untersuchungsmethode ist schon älter. Die Auswertung der Aufnahmen aus der kleinen Kapsel war aber aufwendig und langwierig, dauerte oft länger als einen halben Tag.

Eine Krankenschwester gibt einer Patientin eine Kapsel für Untersuchungen.
Nach dem Verschlucken der kleinen Kapsel nimmt sie ihre Fahrt durch den Darm per Kamera auf. Bildrechte: MDR/Ria Weber

"Der Einsatz unserer KI", freut sich Dr. Anja Fisker, die Leitende Oberärztin der Gastroenterologie, "verkürzt die ursprüngliche Auswertzeit der Bilder aus dem Darm um über 90 Prozent. Nach einer Studie aus dem Jahr 2022 dauerte die Auswertung ohne KI im Schnitt 54 Minuten - die KI verkürzt sie auf rund fünf Minuten."

Besonders bemerkenswert: In der Auswertung erzielte die KI mit rund 99 Prozent Genauigkeit eine um elf Prozentpunkte höhere Trefferquote beim Finden von Erkrankungen als die Ärzte.

Riesiges Potenzial

Das Potenzial von Künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen ist riesig: Denn die KI ermöglicht durch die schnelle Auswertung enormer Datenmengen nicht nur bessere Bildgebungs- oder Bestrahlungsmethoden, sondern auch das bessere Verstehen der Vorgänge in Zellen, der Rolle genetischer Strukturen oder bestimmter Moleküle bei Erkrankungen. Künstliche Intelligenz ist aus Sicht der Experten damit auch ein Weg zu neuen, wirksameren Medikamenten und zu einer personalisierten Medizin.

Den Arzt oder die Ärztin komplett ersetzen könne die KI jedoch nicht, da ist sich Dr. Anja Fisker vom Sophien- und Hufelandklinikum Weimar sicher: "Natürlich ist KI eine gute Unterstützung in der Zukunft in der Medizin", sagt sie. "Aber man darf nicht vergessen, dass viele dieser Systeme noch durch uns Menschen angelernt werden und dadurch auch fehlerbehaftet sind. Außerdem spielen bei der Behandlung das Zwischenmenschliche sowie der Erfahrungsschatz und das Bauchgefühl der Mediziner eine Rolle, was eine KI nicht ersetzen kann."

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MDR (dr)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 09. Mai 2025 | 18:00 Uhr

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