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75 Jahre Kriegsende in Thüringen     Nordhausen - Die schwerste Bombardierung Thüringens

Am 3. und 4. April 1945 erlebte Nordhausen die verheerendsten Luftangriffe seiner Geschichte. Schätzungsweise 8.800 Menschen kamen ums Leben, darunter auch viele KZ-Häftlinge und Geflüchtete. Nordhausen wurde zur meist zerstörten Stadt in Thüringen. Manfred Schröter erlebte die Bombardierung durch britische Bomber als Zehnjähriger. Von 1990 bis 1994 war er Oberbürgermeister von Nordhausen. Davor arbeitete er als Arzt und konnte aus den Erinnerungen seiner Patienten mosaikartig die Ereignisse an verschiedenen Stellen Nordhausens zusammentragen, die er 1988 in einer Publikation veröffentlichte.

Norhausen wurde im Zweiten Weltkrieg stark durch die Bombenangriffe zerstört. Bildrechte: The National Archive

Herr Schröter, wie hat sich für Sie der Krieg in Nordhausen angekündigt?

Bis zu den Ostertagen 1945 war mein kindliches Leben vom Krieg kaum beeinträchtigt. Mein Vater durfte als Ingenieur in einem kriegswichtigen Betrieb bei uns bleiben. In den Tischlerwerkstätten des Großvaters beherbergten wir französische Kriegsgefangene, mit denen hatten wir fast familiären Kontakt, aber es waren eben Kriegsgefangene. Ich hatte sehr viel Schulausfall, weil viele Lehrer eingezogen oder verwundet waren. Wir wurden von uralten Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg  unterrichtet, die versuchten uns im Sinne des Nationalsozialismus zu erziehen. Wir Kinder waren überzeugt, dass Deutschland militärisch stark war und spielten mit Papppanzern und kleinen Soldatenfiguren.

Kurz vor Kriegsende beherrschten die alliierten Flieger den Luftraum. Wie erlebten Sie die steigende Bedrohung durch die Flieger am Himmel?

Der erste ernstliche Bombenangriff war am Ostersonntag, den 1. April, als Flugzeuge, derentwegen kein Alarm gegeben wurde, eine einzige Bombe fallen ließen. Die traf ein Hotel, wo Marineoffiziere waren, die ums Leben kamen. Wir sind damals aber nicht immer gleich in unsere Keller gerannt, Nordhausen hatte ja über 400 Mal Fliegeralarm. Die Sirenen gingen nicht jedes Mal, sonst wäre das ja ständig gewesen. Wir wurden damals oft überflogen, das war aber harmlos, weil die Flieger in Richtung großer Rüstungszentren und Großstädte flogen.

Am 3. April 1945 gab es den ersten großen Bombenangriff auf Nordhausen. Welche Erinnerungen haben Sie an den Tag?

In den Nachmittagsstunden gab es wieder einmal Alarm, doch plötzlich hörte man sehr schnell und sehr nah ein lautes, bedrohliches Dröhnen in der Luft. Dieses Mal knallte es sehr schnell und sehr bedrohlich. Wir stürzten in den Keller und erlebten die ersten 25 Minuten des Bombenangriffs, der in unserer Straße zwar kein Haus niederlegte, aber Schaden an Fensterscheiben und Dächern anrichtete. Daraufhin wurde uns bewusst, dass wir uns sehr wohl luftschutzmäßig zu verhalten hatten.

In wenigen Minuten warfen die Alliierten 1170 Tonnen Sprengbomben auf die südöstliche Stadt ab. Am nächsten Tag früh um 9 Uhr folgte der zweite schwere Angriff auf die Stadt. 1220 Tonnen Flächen- und Brandbomben wurden abgeworfen. Wie haben Sie sich geschützt?

Wir hatten zuvor im Garten eine Art Loch gegraben, weil wir nicht unter unserem Haus verschüttet werden wollten. Als am 4. April die Flieger kamen, konnte kein Alarm mehr gegeben werden, weil beim ersten Bombenangriff die Strom- und Wasserversorgung ausgefallen war. Wir flüchteten mit unserer Hausgemeinschaft in den Gartenunterstand. Bis auf drei Frauen erreichten alle das Versteck als es laut knallte. Wieder waren es 25 Minuten in fürchterlicher Todesangst. Die Luft war durch die Explosionen und den Staub fast zum Ersticken. Doch wir haben in dem Loch überlebt.