75 Jahre Kriegsende in Thüringen Besichtigung Buchenwald durch General Patton

Konfrontation mit dem Gräuel

Nach der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald inspizierte General Patton das Lager. Was er vorfand, war der schrecklichste Anblick, den er je gesehen hätte.

Kurz bevor die Amerikaner am 11. April 1945 im KZ Buchenwald eintrafen, flüchteten die SS-Wachmannschaften aus dem Lager und überließen die Häftlinge sich selbst. Es war das erste Konzentrationslager, welches von Westalliierten befreit wurde. Dabei war die Entdeckung des Lagers, das auf der Route der 6. Panzerdivision der 3. US-Armee durch Hottelstedt lag, eher zufällig. Ungläubig, erschöpft vom Grauen und dem Trauma des Erlebten, versuchten die zurückgebliebenen 21.000 Häftlinge nach der Befreiung ihr Leben im Lager fortzuführen.

Der US-Militärgeistliche Rabbi Herschel Schacter, der nach Buchenwald eilte und dort die kommenden Monate verbrachte, notierte seine Eindrücke:

Vom Boden bis zur Decke waren Hunderte von Männern und einige Jungen, hingen über dürren Strohsäcken und sahen auf mich herab, sahen auf mich herunter aus verwirrten Augen. […] Ich erinnere ihre Augen, wie sie herabschauten, herabschauten aus großen, großen Augen - alles, was ich sah, waren Augen - gejagt, verkrüppelt, vor Angst paralysiert. Sie waren abgemagerte Haut und Knochen, halbverrückt, mehr tot als lebendig. Und da stand ich und rief auf Jiddisch: 'Shalom Aleychem, Juden, ihr seid frei! Ihr seid frei' Die Mutigeren von ihnen kamen langsam auf mich zu [...], um meine Armeeuniform zu berühren, um die jüdischen Geistlichen-Insignien zu betrachten, und fragten mich ungläubig: Ist das war? Ist es vorüber?

Rabbi Herschel Schacter, US-Militärgeistlicher (Bericht 1981, Gedenkstätte Buchenwald)

Inspektion des Lagers durch Patton

Am 15. April 1945 kam General George S. Patton nach Buchenwald. Nachdem er bereits das Buchenwald-Außenlager Ohrdruf am 12. April gesehen hatte, inspizierte er nun das befreite Stammlager auf dem Ettersberg. Noch am Abend schrieb Patton einen Brief an General Dwight D. Eisenhower, der gemeinsam mit ihm Ohrdruf besichtigt hatte, aber nicht mit nach Buchenwald gekommen war:

"Wir fanden an einen Ort, vier Meilen nördlich von Weimar, ein ähnliches Lager, nur noch schlimmer. Die normale Belegschaft betrug 25.000, und sie starben mit einer Rate von einhundert pro Tag. Die Verbrennungseinrichtungen waren noch überlegener als die in Ohrdruf."

Die US-Soldaten wurden von einigen Häftlingen durch das Lager geführt. Sie sahen die Verbrennungsöfen, die medizinischen Labore und die Baracken der Häftlinge. Noch immer lagen Leichenberge und menschliche Überreste auf dem Gelände, die Überlebenden waren in einem desaströsen Gesundheitszustand. Die Situation und die Versorgungsnotstände waren für die Amerikaner schockierend. Patton nannte den Anblick in Buchenwald den schrecklichsten, den er je gesehen hätte: 

"Ich ging durch zwei der Gebäude. Auf jeder Seite waren vier Reihen mit Etagenbetten, in denen die Häftlinge im rechten Winkel zur Wand lagen. Die Häftlinge sahen aus wie halbtote Mumien und sie schienen auf demselben Intelligenzniveau. Als wir durch die Räume gingen, versuchten sie, uns zu zujubeln, waren aber zu schwach."

Von dem Gräuel schockiert, befahl Patton für den darauffolgenden Tag, 1.000 Weimarer Bürger kommen zu lassen und sie mit der Realität vor den Toren der Kulturstadt Weimar zu konfrontieren. Außerdem forderte er Eisenhower auf, Pressevertreter nach Buchenwald zu schicken um Zeugnis über "die Brutalität der Deutschen" zu nehmen. Eine Gruppe amerikanischer Reporter erreichte am 24. April Buchenwald. Zahlreiche internationale Korrespondenten folgten dem Appell in den Wochen darauf. Die veröffentlichten Berichte, Artikel und Bilder prägten die Sicht auf die Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur.

Ein Journalist des Manchester Guardian schrieb am 18. April 1945 über die die Weimarer Bürger, die nach Buchenwald mussten: "Die meisten Frauen und einige Männer hatten Tränen in den Augen, als sie von Block zu Block gingen. Viele weinten bitterlich, einige der mitgeführten Frauen wurden ohnmächtig und konnten nicht weiter mitgeführt werden." Die meisten konnten nicht glauben, was sie da sahen. Doch das Lager und die Schicksale der Opfer waren Realität.

Das Konzentrationslager Buchenwald Das KZ Buchenwald wurde von den Nationalsozialisten 1937 auf dem Ettersberg bei Weimar eingerichtet.

Das Lager war zunächst für politische Gegner, Kriminelle, sogenannte Asoziale, Juden, Zeugen Jehovas und Homosexuelle bestimmt. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden zunehmend auch Menschen aus den besetzten Ländern eingeliefert. Darunter Kriegsgefangene sowie Sinti und Roma.

1945 wurde Buchenwald Ziel der Todesmärsche aus den Vernichtungslagern Ausschwitz und Groß-Rosen.

Nachdem die 3.US-Armee am 4. April 1945 bereits das Außenlager Ohrdruf erreicht hatte, wurde das Stammlager Buchenwald am 11. April 1945 als erstes Lager in Deutschland von westalliierten Truppen befreit. Von den rund 250.000 Menschen aus ganz Europa, die dort inhaftiert waren, starben 50.0000. Unter den 21.000 befreiten Häftlingen befanden sich etwa 900 Kinder.

Die Gedenkstätte Buchenwald wurde 1958 eröffnet.

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit vom Tag | 16. April 2020 | 18:00 Uhr

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