Arafats Thüringer "General" - Wo ist Udo Albrecht? Keine Flucht, sondern Entlassung aus der Haft

31. März 2019, 05:01 Uhr

Im März 1978 zeichnet sich ab, dass die Ermittlungen gegen Albrecht wegen Gründung einer terroristischen Vereinigung wohl eingestellt werden. Der Verdacht konnte nicht erhärtet werden. Deshalb wird die Justizvollzugsanstalt in Bochum angewiesen, die verschärften Sicherheitsvorkehrungen gegen Albrecht aufzuheben. Allerdings: "Ich weise jedoch darauf hin", so der Oberstaatsanwalt, "dass Albrecht in der Vergangenheit mehrfach aus der Haft entwichen ist. Deshalb bitte ich, in geeigneter Weise sicherzustellen, dass jede Möglichkeit zu einer Flucht des Beschuldigten ausgeschlossen ist."

Am 27. April 1978 lehnt Albrecht Schöttler als Anwalt mit Nachdruck ab. Zwischen ihm und Schöttler bestehe kein Vertrauensverhältnis. Später ändert sich das Verhältnis wieder.

Am 7. Mai 1978 schreibt Albrecht aus der Haft in Bochum einen mehrseitigen Brief an den Bundesgerichtshof. Er beschwert sich ausführlich über seine lange Untersuchungshaft, lehnt jede Verteidigung ab, weil Verteidiger "ohne Gewicht" und "wertlos" seien. Dann kommt er auf einzelne Tatvorwürfe zu sprechen. Albrecht: "Ich war kein Terrorist, ich bin keiner und will auch keiner sein!" Er beteuert, dass er kein Interesse an einer Flucht habe: "Ich habe keine Illusion mehr über Flucht. Ich will nichts weniger, als wieder auf der Flucht zu sein; von einer erbärmlichen Zwangssituation in die andere zu flüchten!" Selbst zu den Palästinensern will er angeblich nicht zurück. Dort habe er nichts zu gewinnen: "Da schlägt völlig unberechenbar jeder gegen jeden los und man fliegt als Europäer dazwischen rum; bestenfalls als nützlicher Idiot!". Zum Schluss des neunseitigen Briefes klagt er, die langjährige Haft sei "letztendlich qualvoller als das Fallbeil!" Ausdrücklich entzieht Albrecht seinem Anwalt Schöttler die Verteidigung. Als Grund gibt er an, dass er mit dessen Leistung nicht zufrieden sei. "Ich habe von 'Anwälten' restlos die Schnauze voll!"

Das Emittlungsverfahren wird eingestellt

Anfang Juni 1978 stellt die Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf das Ermittlungsverfahren wegen Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ein. Die Ermittler können nicht beweisen, dass es sich bei den Waffen- und Lkw-Transporten um terroristische Aktivitäten handelte. Terrorziele seien nicht bekannt. Eine Mitgliedschaft in der PLO oder El-Fatah sei nicht strafbar. Trotzdem ist der Fall damit nicht erledigt. Albrecht bleibt weiter in Haft. Gegen ihn wird weiter ermittelt. Das Verfahren wird von der Generalstaatsanwaltschaft an Staatsanwaltschaft Dortmund abgegeben. Obwohl Albrecht eigentlich keine anwaltliche Vertretung mehr will, meldet sich Anwalt Schöttler und legt erneut Beschwerde gegen die andauernde Untersuchungshaft ein. Er versichert dem Gericht, dass keine Fluchtgefahr bestünde. Auch aufgrund von Albrechts Aussagen, könne sich dieser nicht mehr "zu den Palästinensern oder ihren Freunden" begeben. Albrecht führt nun einen Kampf für seine Freilassung. Immer wieder schreibt er Briefe an das Gericht.

Im Gefängnis will Albrecht lesen. Fünf Bücher beantragt er: "Das Patronenbuch", "Die modernen Handfeuerwaffen", "Die Raketenwaffen und modernen Flugkörper der Welt", "Panzerabwehrkanonen" und "Handbuch der Bundeswehr". Die Gefängnisleitung will die Bücher nicht aushändigen, das Landgericht soll entscheiden, Derweil bereitet der Gefangene offenbar seinen nächsten Ausbruch vor: Anfang Oktober 1978 kommt Albrecht beinahe in den Besitz eines Flacheisens, das ihm ein Gefangener zukommen lassen wollte, der in der Schlosserei arbeitet.

Nach zwölf Jahren erstmals wieder legal auf freiem Fuß

Am 5. Oktober 1978 legt die Staatsanwaltschaft Dortmund die Anklageschrift gegen Albrecht vor. Ihm werden Diebstahl, Urkundenfälschung und Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft hat jedoch Zweifel, ob Albrecht die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nachzuweisen ist. Der Prozess soll im Herbst 1981 beginnen. Am 3. November 1978 wird der Haftbefehl gegen Albrecht unter Auflagen ausgesetzt. Der Grund: Zur erwartenden Freiheitsstrafe sei die elfmonatige Untersuchungshaft unverhältnismäßig. Seit fast zwölf Jahren ist er das erste Mal wieder legal auf freiem Fuß.

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 31. März 2019 | 06:00 Uhr