Jahresbericht Bevölkerungsrückgang in Thüringen: Landesrechnungshof rät zu mehr Landgemeinden

07. Februar 2023, 16:51 Uhr

Der Thüringer Rechnungshof rät in seinem Jahresbericht zu mehr Gemeindefusionen. Denn Teil einer Landgemeinde zu sein, habe für Dörfer finanzielle und organisatorische Vorteile. Die letzte Gebietsreform gab es 2018 und 2019.

Der Thüringer Rechnungshof hat wegen des Bevölkerungsrückgangs im Freistaat zu mehr Tempo bei Gemeindefusionen aufgerufen. Regelmäßige Prüfungen hätten ergeben, dass größere Verwaltungseinheiten sowohl in finanzieller als auch in organisatorischer Hinsicht Vorteile haben, heißt es im Jahresbericht zu den Kommunen, den der Rechnungshof am Dienstag vorlegte.

Landesregierung soll neue Anreize schaffen

Eine größere Gebietsreform gab es zuletzt zwischen 2018 und 2019. Die Anzahl der Gemeinden sank durch Zusammenschlüsse und Eingemeindungen von 658 auf 628. In den Folgejahren habe es jedoch kaum noch Veränderungen gegeben. Ende 2021 hätten 626 kreisangehörige Gemeinden im Freistaat bestanden, heißt es im Bericht.

Der Rechnungshof empfiehlt den Gemeinden als Organisationsform Landgemeinden. Dabei sollte zudem die ursprüngliche Vorgabe der Landesregierung mit einer Mindesteinwohnerzahl von stabil 6.000 eingehalten werden. Thüringens Finanzkontrolleure sehen vor allem das Land in der Pflicht, "Veränderungen mit größeren Auswirkungen in den kommunalen Verwaltungsstrukturen" zu initiieren. Landesregierung und Parlament sollten deshalb weitere Anreize für Neugliederungen schaffen.

Bei Landgemeinden haben die dazu gehörenden Ortschaften mehr gesetzlich garantierte Gestaltungsspielräume als bei Einheitsgemeinden.

Zum Aufklappen: Was ist eine Landgemeinde?

Eine Landgemeinde ist ein Zusammenschluss mehrerer Dörfer zu einer Kommune. Sie besteht aus mehreren Ortsteilen (ehemalige Ortschaften oder Dörfer). In § 6 der Thüringer Kommunalordnung ist festgelegt, dass benachbarte Gemeinden zu einer Landgemeinde fusionieren können, wenn sie gemeinsam mindestens 3.000 Einwohner haben.

Voraussetzung für eine Fusion ist, dass die Gemeinden ihren Willen zum Zusammenschluss durch entsprechende Beschlüsse der Gemeinderäte aller beteiligten Gemeinden und entsprechende vertragliche Regelungen bekunden und einen Antrag stellen. In Thüringen gibt es zurzeit 30 Landgemeinden. Sie wurden 2008 eingeführt und sollen perspektivisch Verwaltungsgemeinschaften ablösen.

Gesamteinnahmen der Thüringer Kommunen steigen

Wie mitunter mit Steuergeldern umgegangen wird, zeigen Beispiele aus dem Bericht. Im einem Fall leistete sich eine Verwaltungsgemeinschaft einen hauptamtlichen Vorsitzenden, obwohl diese Aufgabe laut Satzung vom hauptamtlichen Bürgermeister einer dazu gehörenden Kleinstadt mit übernommen werden könnte. Beide Seiten beharrten auf einem bezahlten Oberhaupt - mit jährlichen Zusatzkosten von rund 70.000 Euro.

Nach dem Bericht waren die Gesamteinnahmen der Thüringer Kommunen 2021 um rund fünf Prozent auf etwa 6,7 Milliarden Euro gestiegen. Die Steuereinnahmen wuchsen um 193 Millionen Euro auf 1,931 Milliarden Euro - ein Spitzenwert innerhalb von fünf Jahren. Abzüglich ihrer Ausgaben und der Schuldentilgung erwirtschafteten die Kommunen einen Überschuss von 364 Millionen Euro - laut Rechnungshof der höchste in den vergangenen zehn Jahren.

Gemischte Reaktionen in der Politik

Den Rat zu mehr Gemeindefusionen unterstütze er ausdrücklich, sagte der kommunalpolitische Sprecher der Linke-Fraktion, Sascha Bilay. Zudem bestätigte der Bericht zur Kommunalprüfung auch bei der Bilanz der Finanzen den Kurs der rot-rot-grünen Landesregierung. Ähnlich äußerte sich die Grünen-Landtagsfraktion.

Dagegen wies die FDP-Gruppe im Landtag die Rechnungshof-Forderung nach mehr Gemeindefusionen zurück. Diese hätten in den wenigsten Fällen zu Kosten- oder gar Personaleinsparungen geführt, sagte deren kommunalpolitischer Sprecher Dirk Bergner. Der Rechnungshof übersehe, dass in vielen kleinen Kommunen ehrenamtlich gearbeitet werde. Bei größeren Einheiten würden dann Gehaltskosten fällig, so der ehemalige Bürgermeister von Hohenleuben.

Mehr zum Landesrechnungshof

MDR (kw,jn,dpa)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 07. Februar 2023 | 16:00 Uhr

7 Kommentare

Harka2 am 08.02.2023

Es ist den Betroffenen egal, wer dafür zuständig ist, aber schon heute gibt es reichlich Orte, dort fährt früh und nachmittags der Schulbus und sonst gar nichts mehr. In den Ferien sitzt man vor Ort fest. Gerade in den Tälern sind die dortigen Straßen nicht selten über viele Jahre gesperrt, weil ihre Sanierung kaum voran kommt. In den letzten Jahren mal versucht von Plaue zum (ehemaligen) Verwaltungssitz nach Gräfenroda zu kommen? Und kommt jetzt nicht mit der Bahn, die man ab Plaue tatsächlich nutzen könnte, nur befindet sich der Bahnhof Gräfenrodas vor dem Ort, der Verwaltungssitz aber erst viele Kilometer weiter hinter dem langstreckten Straßendorf.

Harka2 am 08.02.2023

Da es bei noch größeren Gemeinden dann noch längere Wege zu den Verwaltungen gibt, kommen dort auch nur noch weniger Leute hin, da der ÖNV dort ja sowieso kaum mehr existiert, ergo spart man dort Personal.

Basil Disco am 08.02.2023

Ja, der Landkreis ist zuständig. Es geht aber darum, dass durch die Fusionen die Verwaltungsstandorte immer weniger werden und damit die Wege dorthin immer länger. Das ist hier in Sachsen-Anhalt genauso. Wir haben zwei Kreisgebietsreformen hinter uns. Jedes Mal wurde versprochen, in den Ex-Kreisstädten Verwaltungseinheiten zu belassen und nach wenigen Jahren wurden diese dann geschlossen.

Mehr aus Thüringen