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MDR Data hat die Stadt-Land-Gefälle in den Wahlergebnisse ausgewertet. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

DatenanalyseSo krass ist das Stadt-Land-Gefälle zur Landtagswahl - erste Erkenntnisse zu BSW-Wählern

03. September 2024, 19:20 Uhr

Die Landtagswahl in Thüringen zeigt bei AfD, Linke, SPD und Grünen ein ausgeprägtes Stadt-Land-Gefälle. Die AfD ist auf dem Land nicht nur traditionell am stärksten, sie gewinnt dort auch die meisten neuen Wähler. Das BSW ist in Kleinstädten am stärksten.

Bei der AfD-Zustimmung gilt die Formel: je ländlicher, desto stärker. Hätten nur Menschen in Gemeinden unter 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern gewählt, läge das Wahlergebnis der AfD bei 37,8 Prozent - also fünf Prozentpunkte über dem landesweiten Wert. In den kleinsten Gemeinden von unter 1.000 Einwohnern kommt die AfD im Schnitt sogar auf 40,2 Prozent.

In städtischen Regionen liegen die Zustimmungswerte hingegen bei 28,4 Prozent. Das zeigen Auswertungen von MDR Data. Die Analyse stützt sich auf Daten des Thüringer Landesamtes für Statistik.

Stadt-Land-Gefälle bei BSW und Linke sehr unterschiedlich

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Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wurde erst 2024 gegründet. Die MDR Data-Auswertung gibt nun genauere Einblicke seine Wählerstruktur. Die Partei wird von der ehemaligen Linken-Politikerin Wagenknecht angeführt und gewann die meisten Stimmen bei ehemaligen Linken-Wählern. Die Stadt-Land-Ausprägung des BSW unterscheidet sich dennoch deutlich von der Linken.

Die Ergebnisse der Linken wachsen nämlich enorm, je städtischer eine Region ist. In kleinen Gemeinden von unter 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern kommt die Linke auf nur neun Prozent. Dieser Wert steigt kontinuierlich mit der Gemeindegröße. In Städten ab 20.000 Personen holt die Partei durchschnittlich 15,5 Prozent der Stimmen.

Anders das BSW. Die höchste Zustimmung erreicht die neue Partei in Kleinstädten von 5.000 bis 19.999 Einwohnern (15,8 Prozent). Die Stimmenanteile schrumpfen anders als bei der Linken in den sehr dörflichen Regionen nur minimal. In Gemeinden mit weniger als 1.000 Einwohnern kommt das BSW noch auf 14,1 Prozent. Eine klare Zuordnung der BSW-Wählerschaft in urban oder ländlich ist also nicht möglich.

Warum nicht alle ländlichen Gemeinden per Einwohnerzahl gemessen werden können

Diese Analyse orientiert sich bei der Trennung in eher ländliche und eher urbane Räume an den Grenzwerten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt, und Raumforschung (BBSR). Das BBSR kategorisiert Gemeindeverbände oder Einheitsgemeinden von 5.000 bis unter 20.000 Einwohnerinnen und Einwohner als "Kleinstadt" und damit eher ländlich.

Es fallen bei der Einteilung nach Einwohnerzahlen aber ebenso Gemeinden in diese Kategorie, die zum Umland von größeren Städten gehören und auch urbane Eigenschaften aufweisen. Praktisch heißt das: Eine Gemeinde mit 500 Personen kann in einem städtischen Speckgürtel liegen und eine Gemeinde mit 22.000 Einwohnern teilweise eher ländlich geprägt sein. Die Einteilung der Gemeinden in verschiedene Kohorten nach Einwohnerzahler ist daher nur eine Annäherung an die Realität.

Grüne und FDP existieren auf dem Land praktisch nicht

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Ein krasses Stadt-Land-Gefälle zeigt sich bei den Grünen. In den eher städtischen Gemeinden ab 20.000 Einwohnern hätte die Partei die Fünf-Prozent-Hürde geknackt (5,2 Prozent). In ländlichen Regionen erreichen die Grünen dagegen nur etwa ein Drittel ihres städtischen Ergebnisses (1,6 Prozent).

CDU und FDP erreichen auf dem Land und in der Stadt jeweils etwa gleich viele Wählerinnen und Wähler. Während das bei der Union allerdings 24,3 oder 22 Prozent sind, kommt die FDP auf etwa ein Prozent.

Insgesamt bestätigt die Landtagswahl in Thüringen die klassische Rollenverteilung zwischen einem eher linken Wahlverhalten in der Stadt und einem eher rechten Wahlverhalten auf dem Land. Das BSW lässt sich auf einem Links-Rechts-Spektrum kaum einordnen. Dasselbe gilt für die Wählerschaft, die weder klar städtisch noch klar ländlich ausgeprägt ist.

Ungewöhnliche Ergebnisse in ländlichen Grenzregionen

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Die Auswertung von Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern zeigt ein interessantes Phänomen in der Grenzregion zwischen Thüringen, Hessen und Niedersachsen. Denn gleich mehrere Parteien erreichen in diesen ländlichen Regionen ungewöhnliche Zustimmungswerte.

Die AfD, die auf dem Land normalerweise am stärksten abschneidet, erzielt in kleinen Gemeinden in der Grenzregion wie Sickerrode (18,8 Prozent), Schachtebich (19,4 Prozent), Wahlhausen (19,9 Prozent) auffallend niedrige Ergebnisse.

Auch das BSW überzeugt in den ländlichen Grenzregionen zu Hessen und Niedersachsen wenige Menschen auf dem Land. In vielen Gemeinden bleibt es unter sechs Prozent der Wählerstimmen. Beispiele sind Burgwalde (5,6 Prozent), Marth (5,7 Prozent) oder Schwobfeld (5,7 Prozent).

Wo AfD und BSW schwächeln, schneidet die CDU dagegen außergewöhnlich stark ab. In Sickerode knackt sie sogar die 60-Prozent-Marke (65,6 Prozent). In vielen anderen ländlichen Gemeinden an der Grenze zu Hessen und Niedersachsen liegt sie bei etwa 55 Prozent, wie etwa in Burgwalde (54,8 Prozent) oder Rohrberg (54,8 Prozent).

Eine Erklärung für dieses Phänomen könnte darin liegen, dass der betroffene thüringische Landkreis Eichsfeld, der im Ländereck zu Hessen und Niedersachsen liegt, katholisch geprägt ist. Im Landkreis Eichsfeld kam die CDU bei dieser Landtagswahl insgesamt auf 45 Prozent, 2019 sogar auf 48,9 Prozent.

Die Grünen schaffen die Fünf-Prozent-Hürde in Gemeinden unter 5.000 Einwohnern in Regionen nahe der Städte Erfurt, Weimar oder Jena. Beispiele sind Tautenburg bei Jena (12,1 Prozent), Zöllnitz bei Jena (8,6 Prozent) oder Kappelendorf zwischen Weimar und Jena (7,8 Prozent).

Die AfD wächst auf dem Land am stärksten

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Schon bei der Landtagswahl 2019 erreichte die AfD auf dem Land (26 Prozent) ein deutlich stärkeres Ergebnis als in der Stadt (20,9 Prozent). Das Stadt-Land-Gefälle hat sich nun weiter vergrößert. Denn in Gemeinden unter 20.000 Einwohnern stieg die Zustimmung um 11,8 Prozentpunkte. In urbanen Regionen wuchs die AfD nur um 7,5 Prozentpunkte. Kurzum: Die AfD spricht nicht nur generell Menschen im ländlichen Raum stärker an, sie findet dort auch mehr neue Wähler als in urbanen Regionen.

Auch bei CDU und SPD zeigen sich Unterschiede in der Wählerwanderung zwischen Stadt und Land. Die CDU blieb sowohl in städtischen als auch in ländlichen Regionen stabil. Die leichten Stimmengewinne bei der Landtagswahl 2024 stammen aber eindeutig aus städtischen Gemeinden. Die Stimmverluste der SPD im Vergleich zu 2019 kommen vor allem von Landbewohnerinnen und -bewohnern.

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MDR

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 03. September 2024 | 19:00 Uhr

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