Direktkandidaten im Porträt Kristin Linde (Die Linke) | Wahlkreis 14 (Gotha I)

Zur Landtagswahl 2019 in Thüringen haben wir den Direktkandidatinnen und -kandidaten Fragen zur Person sowie zu politischen Themen gestellt. Lesen Sie hier die Antworten von Kristin Linde.

Zur Person

  • 27 Jahre (Jg. 1992)
  • Abitur 2010
  • Studium: Bachelor Pädagogik der Kindheit/Philosophie; Master Lehramt an Grundschulen (Abschluss 2016)
  • seit 10/2016: Promotionsstudium (Dissertation) an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät Universität Erfurt
  • aktuell: Elternzeit

Politischer Werdegang

  • seit 09/2017 Parteimitglied DIE LINKE
  • seit 05/2019 Stadträtin in Friedrichroda

Privates

Was ist Ihre größte Stärke?

Als die größte Stärke sehe ich meine Fähigkeit, Probleme in Konfliktsituationen zu analysieren und die Ausgangsbedingungen der beteiligten Personen zu reflektieren. Dabei ist es mir immer ein wichtiges Anliegen, empathisch auf andere einzugehen und die Konflikte wertschätzend für alle Beteiligten anzugehen.

Was ist Ihre größte Schwäche?

Als meine größte Schwäche sehe ich, dass ich anderen gerne und häufig bei Problemen oder Aufgaben helfe und dabei aber zuweilen meine eigenen zeitlichen und persönlichen Ressourcen überschätze.

Wo erholen Sie sich in Thüringen am liebsten?

Am liebsten erhole ich mich in dem Ort, in dem ich als Kind aufgewachsen bin: in Oberschönau bei Oberhof. Hier lebt nicht nur meine Familie, sondern hier ist auch der Ort meiner Kindheitserinnerungen z.B. an das schöne Waldschwimmbad; die Bank auf dem Wiesenweg, von welcher aus man in den tiefen Wald und auf die Felsspitzen am Berg schauen kann; der Wiesenhügel, von welchem ich schon als Kind im Winter heruntergerodelt bin und auf welchem nun auch meine Kinder Spaß haben. Hier gibt es Ruhe, Gelassenheit und Offenheit der Menschen, das genieße ich.

Welche drei Dinge würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?

Meine Kinder, meinen Mann und einen großen Topf Kürbissuppe von meiner Oma Renate, denn sonst werden meine Lieben wohl kläglich verhungern.

Politisches

Warum haben Sie sich als Direktkandidat zur Wahl gestellt?

Die Gründe für meine Kandidatur sind zum einen inhaltlich und zum anderen direkt auf die Region bezogen. Ich habe mich in den letzten Jahren beruflich stark theoretisch mit Inklusion auseinandergesetzt. Inklusion betrifft nicht nur die Schule und nicht nur Menschen mit Beeinträchtigungen, sondern es dreht sich viel mehr um ein gesamtgesellschaftliches Modell von mehr Teilhabe und weniger Ausgrenzung. Dabei sind Ausgrenzungsmechanismen oft subtil und können uns alle treffen, wenn wir gerade einmal nicht zu einer privilegierten Gruppe gehören. Ich habe in den letzten Jahren sehr genau gelernt, diese subtilen Mechanismen zu erkennen und zu analysieren. Und ich habe erkannt, dass mein eigentliches Forschungsanliegen ebenso hoch politisch ist. Da ich nicht nur für mein Herzthema Inklusion einstehen will, sondern es außerdem wichtig finde, den politischen Diskurs an sich inklusiver zu gestalten, kandidiere ich für den Landtag. Da es in meinem Wahlkreis ohne mich zudem keine einzige Frau als Direktkandidatin gegeben hätte, finde ich meine Kandidatur umso notwendiger.

Wenn Sie gewählt werden, was ist Ihr wichtigstes Ziel für die kommende Legislaturperiode?

Schulische Inklusion mit allen nötigen Maßnahmen voranzutreiben, sodass sie sich nicht als Sparmodell, sondern als DER Weg einer guten Schule auszeichnen kann: mit genügend Lehrkräften und festen sowie multiprofessionellen Teams, mit barrierefreien und gut ausgestatteten Schulen, mit heterogenitätssensiblen Beteiligten, mit längerem gemeinsamen Lernen und mit einem Überdenken unseres Leistungsanspruchs an unsere Kinder.

Was wollen Sie für Thüringen erreichen…

… im Bereich Bildung:

Meine Ziele im Bereich Bildung lassen sich als Ziele im System und als Ziele auf der Mikroebene unterscheiden. Das allgemeine Überdenken des Bildungssystems ist etwas, dass sich nicht in einer Legislatur umsetzen lässt, sondern nur langfristig Stück für Stück möglich ist. Deutschland hat bereits 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention völkerrechtlich verbindlich unterschrieben und damit das Recht auf inklusive Beschulung besiegelt. Im Jahr 2019 - also 10 Jahre später - sollten wir endlich aufhören, darüber zu diskutieren, ob wir nicht doch an der Separierung von Kindern in verschiedenen Schulformen festhalten. Wir sollten eher mit Nachdruck daran arbeiten, dass unsere Kinder chancengleich, gerecht und vor allem gemeinsam lernen können. Dabei ist es notwendig, Modelle eines Schulsystems zu entwickeln, das niemanden auf der Strecke lässt - weder Schüler*innen noch Lehrkräfte. Ich halte die Gemeinschaftsschule für eine geeignete Form. Eine Laufbahnentscheidung nach Klasse 4 ist letztendlich nicht mehr als eine Schleuse für soziale Ungleichheit. Neben dieser Vision sind allerdings auch konkrete Maßnahmen umzusetzen. Nach den Regelschullehrkräften müssen nun endlich auch Grundschullehrkräfte ebenso wie Gymnasiallehrkräfte entlohnt werden - kein Lehramt ist mehr oder weniger wert als ein anderes! Weiterhin muss alles daran gesetzt werden, entsprechend des Trends der letzten Legislatur noch mehr Lehrkräfte einzustellen und junge Lehrkräfte schnell und unkompliziert in den Schuldienst zu bringen, wofür eine verbesserte und weniger bürokratische Kommunikation zwischen Ministerium, Schulämtern, Schulen und potentiellen Lehrkräften von Vorteil wäre. Außerdem muss auch in die Lehrer*innenbildung an den Universitäten investiert werden, denn gut ausgebildete Lehramtsanwärter*innen wachsen bekanntlich nicht auf Bäumen. Ebenso sind weitere Maßnahmen im Bereich der frühkindlichen Bildung nötig, wie z.B. der Ausbau der dualen Erzieher*innenausbildung oder weitere Verbesserungen bei Betreuungsschlüsseln.

… im Bereich Forschung und Entwicklung:

In diesem Bereich denke ich zuerst an die Menschen, die Neues forschen und entwickeln sollen: wissenschaftliche Mitarbeiter*innen bzw. den Mittelbau an Hochschulen/Universitäten. Die Arbeitsbedingungen sind für Nachwuchswissenschaftler*innen oder wissenschaftliche Mitarbeiter*innen an Hochschulen/Universitäten im Vergleich zur Wirtschaft nicht nur unattraktiv, sondern zum Teil prekär. Es darf nicht sein, dass sich Wissenschaftler*innen, die ihre Konzentration in wichtige Forschung investieren sollen, in so prekären und unsicheren Arbeitsverhältnissen wiederfinden, dass sie sich um ihre Zukunft ernsthaft sorgen müssen. Letztendlich verlassen ausgezeichnete Forscher*innen dadurch die Hochschulen in Richtung Wirtschaft oder sogar Arbeitslosigkeit. Die Arbeitsbedingungen an Universitäten müssen dringend verbessert werden, sodass sich der wissenschaftliche Mittelbau in Sicherheit seiner eigentlichen Arbeit widmen kann: forschen und lehren.

… im Bereich Wirtschaft und Verkehr:

Im Bereich Wirtschaft und Verkehr beziehe ich mich vornehmlich auf strukturellen Verbesserungen für den ländlichen Raum. Gerade für Familien oder auch ältere Menschen ist es wichtig, regional einkaufen zu können und dabei alles unkompliziert und barrierefrei zu erreichen. Das sichert nicht nur Lebensqualität, sondern auch die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit von (z.B. älteren) Personen. Es ist wichtig, kleine Händler*innen und Betriebe vor Ort zu unterstützen, um den ländlichen Raum attraktiv und belebt zu halten. Gleichzeitig muss es möglich sein, alle notwendigen Orte (wie z.B. größere Einkaufsmöglichkeiten, Krankenhäuser und Ärzte, Schulen usw.) in einer angemessenen Taktung durch den ÖPNV zu erreichen. Auch Rufbusse oder andere flexiblere öffentliche Verkehrsmittel sind im ländlichen Raum denkbar. Im besten Falle sollte der ÖPNV sogar für alle kostenfrei sein, zumindest aber für Schüler*innen, Auszubildende, Studierende, Rentner*innen oder Familien mit geringem Einkommen. Menschen in ländlichen Gebieten dürfen sich wirtschaftlich und strukturell/verkehrsbedingt nicht abgehängt fühlen.

… im Bereich Innere Sicherheit:

Im Bereich der Inneren Sicherheit möchte ich mich auf das Thema Datenschutz und Schutz der Privatsphäre fokussieren. Bei allen Notwendigkeiten, die die Polizei für die Abwehr von Verbrechen benötigt, darf der Schutz der Privatsphäre aller Bürger*innen nicht vergessen werden. So hilft eine vermehrte Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen bekanntlich nicht, Straftaten wirklich vorzubeugen. Kritisch sehe ich außerdem in diesem Atemzug ebenso Gesichtserkennungssoftware oder andere Technik, die flächendeckend Bewegungsprofile unschuldiger Bürger*innen ermöglichen. Das Sammeln und massenhafte Speichern von Daten ist intransparent, bedenklich und stellt Bürger*innen unter einen Generalverdacht, der nicht angemessen ist. Ferner ist ein weiterer Fokus die Bekämpfung rechter Gewalt und rechtsradikaler Organisationen, die deutlich verbessert gehört und vor allem transparenter werden muss. Die Bürger*innen dürfen das Vertrauen und unsere Justiz und unsere Polizei nicht verlieren.

… im Bereich Umwelt/ Klimaschutz?

Beim Umwelt- und Klimaschutz sind nicht nur Bürger*innen, sondern auch die Wirtschaft in die Verantwortung zu nehmen. Dabei sollten Unternehmen dazu angehalten werden, auf unnötige Plastikverpackungen zu verzichten oder plastikfreie Alternativen zu überdenken. Gerade im ländlichen Raum ist es im Moment noch sehr schwer für Verbraucher*innen, den eigenen Einkauf in einem bezahlbaren Rahmen möglichst ökologisch durchzuführen. "Öko" darf dabei kein Lifestyle sein, sondern muss alltagstauglich werden. Aus meiner aktuellen Situation heraus kann ich dabei auf einige Gemeinden verweisen, die bereits jetzt einen Stoffwindelgutschein für Familien vergeben, die nicht mit Wegwerfwindeln (die einen erheblichen Anteil des Hausmülls vieler Gemeinden ausmachen und zur Verrottung mehrere Jahrzehnte bis Jahrhunderte benötigen) wickeln, sondern sich moderne Stoffwindelsysteme anschaffen wollen. Bürger*innen sollten dabei unterstützt werden, sich an müll- und plastikfreie Alternativen heranzuwagen. Ein nennenswerter Effekt für die Umwelt kann nur erreicht werden, indem Veränderungen in der Wirtschaft sowie bei Verbrauer*innen gleichermaßen Hand in Hand gehen. Sie dürfen keinesfalls nur auf den Schultern der Bürger*innen lasten!

Vervollständigen Sie bitte den Satz: In fünf Jahren sollte es in Thüringen...

... selbstverständlich sein, dass ALLE Kinder ein Recht darauf haben, gemeinsam zu lernen und es sollte genügend Lehrkräfte geben, die sich die Zeit dafür nehmen können und dürfen, individuell auf sie einzugehen.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit vom Tag | 27. Oktober 2019 | 18:00 Uhr

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