Bilanz Fünf Jahre Bildungspolitik von Rot-Rot-Grün

11. Oktober 2019, 11:21 Uhr

Im Koalitionsvertrag der Landesregierung ist Bildung unter Punkt 5 notiert. Für Schüler und Eltern ist Bildung Thema Nummer Eins. Die wichtigsten Ideen und Vorhaben sind auf sieben Seiten niedergeschrieben. Was davon hat Rot-Rot-Grün abgearbeitet und was bleibt liegen für die nächste Landesregierung?

Bildung beginnt bekanntlich schon im Kindergarten hat die Landesregierung erkannt. Es braucht moderne pädagogische Konzepte und gute Betreuung für die Kinder. Die Lösung: ein wissenschaftlich fundiertes Update des "Thüringer Bildungsplan bis 10 Jahre". Die Vorgängerregierung aus CDU und SPD hatte bereits in diesem Handbuch Empfehlungen aufgelistet, welche mathematischen Kenntnisse, musikalisches Können oder naturwissenschaftlich und technisches Wissen Kinder im Vorschulalter haben sollten.

Umsetzen sollen den Plan gut ausgebildete Erzieher, an denen es zunehmend mangelt. Deshalb hat die Landesregierung im neuen Kitagesetz festgeschrieben, dass Leiter von Kindergärten einen Hochschulabschluss haben müssen. Die Träger haben große Probleme Leiter oder Leiterinnen zu finden. Damit mehr und schneller Erzieher ausgebildet werden, ist ein Modellprojekt mit 61 Plätzen für Auszubildende gestartet. Sie müssen kein Schulgeld bezahlen und sind in nur drei statt fünf Jahren Erzieher. Geld dafür kommt von Bund und Land.

Zu wenig Erzieher für zu viele Kinder in den Kindergärten

Seit Jahren wird er beklagt: der schlechte Betreuungsschlüssel in Thüringen. Rot-Rot-Grün hat hier nachgebessert. Die Kommunen bekommen mehr Geld vom Land. Seit August 2019 soll eine Erzieherin oder ein Erzieher nur noch zwölf drei bis vierjährige Kinder betreuen - im Juli 2018 waren es noch 16 Kinder. Es ist ein kleiner Fortschritt, denn die Bertelsmann Stiftung fordert, dass in dieser Altersgruppe eine Erzieherin rechnerisch nur 7,5 Kinder umsorgt. Das neue Kindergartengesetz sieht ab dem kommenden Sommer vor, dass eine Erzieherin 14 Kinder im Alter von vier- bis fünf Jahren betreut. Bisher sind es 16 Kinder.

Die Landesregierung hatte sich die bestmögliche Förderung unabhängig von Einkommen, Herkunft und Bildungsstand  auf die Fahnen geschrieben. Soll erfüllt: das letzte Kindergartenjahr für die Eltern ist beitragsfrei. Ab August 2020 soll dank fließender Bundesgelder auch das vorletzte Jahr beitragsfrei werden.

Tagesmütter und Tagesväter fühlen sich von der Politik vergessen. Ihr Landesverband für Kindertagespflege kritisiert, dass sie noch immer nicht angemessen bezahlt werden.

Die Erblast für Rot-Rot-Grün: Akuter Lehrermangel

Die größte Baustelle hat die Landesregierung klar erfasst: den steigenden Bedarf an Lehrern. Ein Bündnis für gute Schule wurde geschmiedet - doch es hakt weiter gewaltig. Rot-Rot-Grün verbeamtet die Lehrer, wie versprochen und hat unbefristete Stellen für Lehrer geschaffen - doch viele bleiben unbesetzt. Zu unattraktiv auf dem Land oder die Fächerkombination passt nicht. Die Koalition hat seit 2015 rund 3.500 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt. Dennoch fehlen trotz großer Werbekampagne in vielen Schulen Lehrer. Nach langem Kampf der Bildungsgewerkschaften bekommen die Regelschullehrer ab 2020 das gleiche Geld wie die Gymnasiallehrer. Die Grundschullehrer müssen aber weiter auf das gleiche Gehalt warten. Und so wandern sie ab in besser bezahlende Bundesländer, die noch dazu schneller und unkomplizierter einstellen.

Der Thüringer Lehrerverband bilanziert: "All das reiche noch nicht einmal aus, um die Löcher in der Personaldecke zu stopfen, die durch die Altersabgänge entstehen". Die Vertretungsreserve "verdiene ihren Namen nicht." Rot-Rot-Grün hat es nicht geschafft, den Unterrichtsausfall zu senken, beklagt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Interims-Bildungsminister und Staatskanzleichef Benjamin Immanuel Hoff sprach im Landtag von Unterrichtsgarantie - die konnte Rot-Rot-Grün aber nicht einlösen. Und so kritisiert die GEW, dass weiter viele Lehrerstellen ohne sachlichen Grund zeitlich befristet werden. Die CDU-Landtagsfraktion moniert, dass die Zahl der Studienplätze für die Lehrerausbildung nur leicht und am Ende der Legislaturperiode gestiegen ist. Kaum gelungen ist das Vorhaben der Landesregierung, Seiteneinsteiger in die Schulen zu holen. Nur wenige arbeiten in den Schulen - ihre Nachqualifizierung bleibt ein Problem.

Schulgesetz als Dauerbrenner

Das neue Schulgesetz, als größtes Vorhaben, hat die Landesregierung erst kurz vor Ende ihrer Amtszeit durch den Landtag bekommen. Es sollte eines inklusives werden, also auch Regelungen für die Förderschulen beinhalten. Das ist geschehen - doch Unzufriedenheit macht sich breit bei kommunalen Spitzenverbänden, Gewerkschaftern, Eltern und Lehrern gleichermaßen. Im Gesetz sollten erstmals Mindestgrößen für Klassen verankert werden - das ist passiert. Kleine Schulen müssen Kooperationspartner suchen - das führt zu neuen Baustellen für Kommunen als Schulträger. Von einer "sicheren Entwicklungsperspektive für alle bestehenden Schularten" wie es im Koalitionsvertrag heißt, kann laut CDU-Landtagsfraktion insbesondere bei Förderschulen aber auch Regelschulen keine Rede sein.

Eltern von Kindern mit Handicap fürchten, dass aus Förderschulen Beratungszentren werden und sehen ihre Wahlfreiheit in Gefahr, wenn es keine  Förderschule in der Umgebung gibt und nur der gemeinsame Unterricht an Grund- oder Regelschulen bleibt. Für eine gelungene Inklusion, auch ein Vorhaben der Koalitionäre, fehlen aber Vorgaben für entsprechende Räumlichkeiten und Förderpädagogen für den gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung. Die angekündigten multiprofessionellen Teams aus Psychologen, Schulsozialarbeitern und Sonderpädagogen gibt es nicht, beklagen die Bildungsgewerkschaften. Dafür geht es mit dem Ausbau der Thüringer Gemeinschaftsschulen voran. Sie ermöglichen längeres gemeinsames Lernen, sind aber eine Konkurrenz für die bestehenden Regelschulen, so CDU-Politiker.

Mehr Mitspracherechte in den Hochschulräten 

Die Landesregierung hat auch ein neues Hochschulgesetz verabschiedet. Kritik daran kommt von 32 Thüringer Professoren. Sie haben Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt. Das Gesetz verletzt ihrer Ansicht nach das Grundrecht der Wissenschafts- und Lehrfreiheit. Die Professoren kritisieren, dass Studenten und nicht-wissenschaftliche Mitarbeiter die Hälfte der Mitglieder in den Hochschulsenaten stellen dürfen. Die Thüringer AfD unterstützt die Klage "ausdrücklich". Sie bezeichnet das Gesetz als "Machwerk", dass die Hochschulkultur verletzt. Hochschullehrern werde mit Misstrauen begegnet, indem Vertreter des Wissenschaftsministeriums in die Hochschulräte installiert würden.

Quelle: MDR THÜRINGEN

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