Thüringen-Duell und Vierkampf Das war das TV-Duell der Spitzenkandidaten zur Landtagswahl

14. Oktober 2019, 23:40 Uhr

Großer Schlagabtausch zur Landtagswahl 2019: Im "Thüringen-Duell" sind am Montagabend Ministerpräsident Bodo Ramelow und Herausforderer Mike Mohring direkt aufeinander getroffen. Danach begann der "Vierkampf" der Spitzenkandiaten von SPD, AfD, Grünen und FDP.

Kurz vor der Landtagswahl 2019 in Thüringen standen sich am Montagabend Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und der CDU-Landes- und Fraktionschef Mike Mohring in einem 30-minütigen Live-Duell gegenüber. Das "Thüringen-Duell" war das erste direkte Aufeinandertreffen des Amtsinhabers mit dem Spitzenkandidaten der größten Oppositionsfraktion im Landtag. Weder Ramelow noch Mohring griffen sich persönlich an.

Ramelow und Mohring diskutieren über Lehrermangel in Thüringen

Erstes Thema in der Diskussion war die Bildungspolitik. Ramelow warf der CDU-geführten Vorgängerregierung vor, für den Lehrermangel verantwortlich gewesen zu sein und Personal abgebaut zu haben. Rot-Rot-Grün habe dann wieder Lehrer eingestellt. Mohring räumte ein, dass die Union seinerzeit Fehler gemacht habe. Die CDU sei nicht ohne Grund in der Opposition gelandet. Heute gebe es mehr Steuereinnahmen, die für Bildung verwendet werden könnten. Der CDU-Spitzenkandidat kritisierte die Koalition dafür, dass "mehr als eine Million Schulstunden ausgefallen" seien.

Ramelow schloss Schulschließungen in Thüringen kategorisch aus. Einrichtungen im ländlichen Raum sollten auf Kooperationen setzen, etwa indem verschiedene Schulen ein gemeinsames Lehrerkollegium bilden. Wie der Ministerpräsident sprach sich auch Mohring dafür aus, dass junge Lehrer schneller in den Beruf kommen sollten. Er regte an, dass Lehramtsanwärtern frühzeitig Stellen zugesagt werden sollten oder dass sie in ihrem zweiten Fach auch berufsbegleitend ausgebildet werden könnten. Ramelow sagte, er befürworte mittlerweile Verbeamtungen. Er sei bei diesem Thema über seinen eigenen Schatten gesprungen. Verbeamtete Lehrer könne der Dienstherr problemlos in den ländlichen Raum schicken.

Debatte um besseren Nahverkehr in Thüringen

Zweites Streit-Thema war der Öffentliche Nahverkehr im Freistaat. Ramelow und Mohring sprachen sich beide für eine Stärkung des Nahverkehrs aus. Ramelow kritisierte, dass es in Thüringen keinen landesweiten einheitlichen Verkehrsverbund gebe. Die Landesregierung habe zwar mit dem Azubiticket ein landesweites Angebot eingeführt, der CDU-geführte Landkreis Greiz mache aber nicht mit. Ramelow forderte eine Anbindung in jedem Dorf, auch in den Ferien und am Wochenende. Er setze dabei auch auf Sammeltaxen, Ruf- und Bürgerbusse. Mohring kritisierte, dass eine Busfahrt durch Thüringen inzwischen eine Weltreise sei - Linien und Anschlüsse fehlten. Die CDU sei im Prinzip für das Azubiticket, sagte Unionschef Mohring. Rot-Rot-Grün habe aber nicht bedacht, dass die Busse nicht an allen Berufsschulstandorten hielten. Mohring warf der Landesregierung zudem vor, den Kommunen in den vergangenen Jahren weniger Geld gegeben zu haben - Geld, das jetzt im Nahverkehr fehle.

Ramelow und Mohring sprechen über Flüchtlinge und Zuwanderung

Beim Thema Migration verlangte Mohring, dass im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge an die afrikanische Küste zurückgebracht werden. Ramelow kritisierte dies als unchristlich und inhuman. Die Herkunftsstaaten seien oftmals Bürgerkriegsländer. Mohring entgegnete, dass nicht die Schlepper gewinnen dürften. Gleichzeitig sprach er sich dafür aus, dass die Zuwanderung nach Deutschland organisiert werden müsste. Vor allem im Pflegebereich und in der Dienstleistungsbranche würden Arbeitskräfte gebraucht. Ramelow verlangte, dass Flüchtlinge, die schon seit Jahren in Deutschland leben, eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Hier gehe es um rund 30.000 Menschen.

Rot-Rot-Grün oder CDU-geführte Koalition nach der Wahl?

Mohring erneuerte sein Wahlversprechen, dass er die Straßenausbaubeiträge, die Grundstücksbesitzer in den vergangenen 30 Jahren zahlten mussten, zurückerstatten würde. Ramelow wies dies zurück. Mit einer Rückzahlung gebe es keine Gerechtigkeit.

Zum Schluss bekräftigte Ramelow, dass er seine rot-rot-grüne Koalition fortsetzen wolle. Er erwarte, dass es nach der Landtagswahl zu einer zweiten Auflage reiche: "Ich bin überzeugt, es reicht." Auf die Frage, ob er sich nach der Wahl eine Zusammenarbeit mit der CDU vorstellen könne, gab Ramelow eine ausweichende Antwort: Er gehe gern mit Mohring wandern. Der Spitzenkandidat der CDU sagte: "Wir wollen die Linke in der Regierung ablösen."

SPD, AfD, Grüne und FDP diskutieren im "Vierkampf"

Auch im anschließenden "Vierkampf" der Spitzenkandidaten von AfD, SPD, Grüne und FDP stand das Thema Bildungspolitik im Mittelpunkt. SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee forderte für die Schulen eigene Budgets, damit sie die Mittel selbst nach ihrem Bedarf einsetzen könnten. Björn Höcke von der AfD sprach mit Blick auf das Bildungssystem von einer Notsituation und forderte, unkonventionelle Wege zu gehen. Unter anderem sollten Regelschulen stärker gemacht werden. Dort sollten Schüler für die Handwerksberufe begeistert werden. FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich forderte, Lesen, Schreiben, Rechnen und Werkunterricht zu stärken. Pensionierte Lehrer und Quereinsteiger sollten an den Schulen den Lehrermangel ausgleichen. Anja Siegesmund von den Grünen verlangte, das Sitzenbleiben abzuschaffen. Dem widersprach FDP-Mann Kemmerich: Die Schule solle auf das Leben vorbereiten und Talent fördern. Auch Schüler sollten lernen, dass sich Leistung lohne. Auch Tiefensee konnte dem Vorschlag von Siegesmund spontan nichts abgewinnen.

Anja Siegesmund und Björn Höcke im Streit

Siegesmund griff in der Debatte mehrmals AfD-Spitzenkandidat Höcke direkt an. Unter anderem sagte sie, die Höcke-AfD in die Schranken zu weisen, sei ein Beitrag zur inneren Sicherheit. Sie bezeichnete Äußerungen der Partei als antisemitisch und faschistisch. Gleichzeitig verteidigte sie das umstrittene "Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit". Dieses sei unter anderem für die Demokratiebildung an den Schulen wichtig. Höcke bezeichnete das Programm als Ideologie-Projekt und lehnte es ab. Er sprach im Zusammenhang mit dem Anschlag von Halle von einem Versagen der Politik. Jugendliche ohne Zukunftschancen würden sich im Internet radikalisieren. Siegesmund warf Höcke dagegen vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Die AfD stehe für Hetze und Spaltung der Gesellschaft.

Diskussion um Diesel und Digitales

Beim Thema Infrastruktur präsentierten die Kandidaten unterschiedliche Lösungsansätze. FDP-Spitzenkandidat Kemmerich setzt weiterhin auf individuelle Mobilität. Der Diesel werde noch gebraucht. Gleichzeitig verlangte er Breitbrandanschlüsse "bis zur letzten Milchkanne". Der Mittelstand müsse auf dem Land bleiben. Dazu brauche er dort Internet und Mobilfunk. Siegesmund sprach sich dagegen für eine Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken aus. Gleichzeitig verwies sie darauf, dass jeder zehnte Euro in Radwege fließe. Tiefensee stellte fest, dass Deutschland die Digitalisierung verschlafen habe. Aber das Land hole auf. Er plädierte für Rufbusse auf den Dörfern. Höcke bezeichnete das Klimapaket der Bundesregierung als einen "Schlag gegen den ländlichen Raum". Der Diesel sei effizient. Mit Blick auf den Klimawandel sagte Höcke, es sei nicht erwiesen, dass der Wandel tatsächlich menschengemacht sei. SPD-Mann Tiefensee sagte mit Blick auf das Klima-Paket der Bundesregierung und das geplante Einbau-Verbot von neuen Ölheizungen ab 2026, dass auch die Folgen für den "schmalen Geldbeutel" bedacht werden müssten.

Frage nach Koalitionen nach der Landtagswahl in Thüringen

Bei der Frage nach künftigen Koalitionspartnern gab es keine Überraschungen. SPD und Grüne wollen Rot-Rot-Grün fortsetzen. Allerdings sagte Siegesmund, dass nach dem Wahltag geschaut werde, falls sich diese Möglichkeit nicht mehr biete. Höcke sagte, er wolle R2G beenden. Seine Partei wolle einen "Sperrriegel gegen die Hysterie" bilden. Auch Kemmerich sagte, er wolle Rot-Rot-Grün nicht verlängern. Er habe allerdings "keine Scheren" im Kopf. Eine Koalition mit den "Funktionären" von Linke und AfD schloss er aber aus.

Thüringen wird derzeit von einer rot-rot-grünen Koalition regiert. In Umfragen vor dem Urnengang am 27. Oktober lag zuletzt die Linke vor der AfD und der CDU.

Quelle: MDR THÜRINGEN/jan,maf

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Thüringen-Duell | 14. Oktober 2019 | 20:15 Uhr

47 Kommentare

Burgfalke am 16.10.2019

Es ist teils schon äußerst bedenklich wie wenig einige Schreiber nichts aus den Ergebnissen und den Folgen von 2 fürchterlichen Weltkriegen gelernt haben! Sie haben nichts gelernt wie viel Leid den Menschen auf allen Seiten zugefügt wurde sowie Zerstörungen usw. Hier hat erkennbar jede Bildung versagt!
Auch ich bin mit vielen Dingen nicht einverstanden und war beim Überlegen nur aus Protest die "A.." zu wählen. Schaut man sich jedoch deren Programm genauer an, so kann man dies als noch gesunder Bürger nicht. Nur in einzelnen Punkten gebe ich denen Recht: Thema Mißachtung des Gastrechtes. Würde hier nicht wegsehen, sondern konsequent gehandelt ==> Frust bei vielen Bürgern vermieden und die Akzeptanz für erhöht.
Wegsehen und stetiges Verharmlosen/ Ignorieren von allen Medien, MDR eingeschlossen, den Politikern ohnehin sowie ..., das haben erst die AfD so stark werden lassen.

AnitaR am 16.10.2019

Es ist immer interessant, wie Oppositionsparteien für die Entscheidungen der
regierenden Koalition der Rot-Rot-Grün verantwortlich gemacht werden. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD im Bund sieht dagegen einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer beim erstmaligen Erwerb von Wohngrundstücken für Familien vor.
Lob über den grünen Klee verstehe ich nicht. Wahrscheinlich liegt es an meinen ausländischen Wurzeln. Was meinen Sie damit?

7gebirge am 16.10.2019

Wo habe ich wen über den grünen Klee gelobt? Man kann die existenten Veränderungen in der Parteienlandschaft, die vielfältige Ursachen haben, ja gar nicht ignorieren. Es fällt nur auf, dass bei Diskussionen z.B. mit Ihnen als vermutlich jüngerem Bürger aus Thüringen oder einem anderen neuen BL (?) erschreckend deutlich wird, für wie "normal" oder gar konstruktiv oder kompetent die AfD gehalten wird. Wo bleibt die Grenzziehung zum Rechtsradikalismus und auch Faschismus, für den diese Partei in weiten Teilen und gerade in Thüringen sehr offensichtlich steht? Haben Sie in Ihrer Schulzeit oder später keine oder nur eine aufgezwungene Aufarbeitung des Nationalsozialismus erfahren?

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