Der Schriftzug "Windkraft"
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Datenanalyse "Sie zertrümmern unser Landschaftsbild": Wie die Parteien über Windkraft sprechen

20. August 2024, 11:48 Uhr

Wenige politische Themen erregen die Gemüter so, wie der Ausbau der Windkraft. Eine MDR-Datenanalyse zeigt kurz vor der Landtagswahl, welche Begriffe die Thüringer Parteien in den vergangenen fünf Jahren im Landesparlament rund um die Windkraft verwendet haben und wie sie das Thema einordnen.

Eigentlich ist die Sache ziemlich klar: 2,2 Prozent der Landesfläche muss Thüringen laut Bundesgesetz bis 2032 für die Windenergienutzung zur Verfügung stellen. Bislang sind in Thüringen laut Infrastrukturministerium 1,1 Prozent der Landesfläche als Vorranggebiete ausgewiesen.

Das Thüringer Umweltministerium hofft derzeit auf einen Schub beim Ausbau und verweist auf 135 neue Windräder, die aktuell in Planung seien. Dabei müssten 19 schon länger geplante Windräder laut Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur längst fertig sein. Es ist also noch ein langer Weg, den der Freistaat in Sachen klimaneutraler Energiegewinnung zu gehen hat.

Windkraft nach wie vor Streitthema

So klar das vom Gesetzgeber anvisierte Ziel dabei ist, so strittig ist das Thema Windkraft nicht nur in Teilen der Bevölkerung, sondern auch im Thüringer Parlament. Die Fraktionen zerreiben sich daran: auf der einen Seite jene Fraktionen, die Windkraft (vor allem im Wald) für unzumutbar halten und ein Drohszenario vor einem "Wildwuchs von Windenergieanlagen" (FDP) entwerfen. Auf der anderen die Regierungsfraktionen, die auf den "unabdingbaren" Ausbau der Erneuerbaren (auch im Wald) drängen. 

Geschenkt wird sich nichts. Ein Beispiel: Ende 2023 hatten FDP und CDU mit Stimmen der AfD das Thüringer Waldgesetz dahingehend geändert, dass die Errichtung von Windrädern im Wald quasi verhindert wird. Im Frühjahr klagte die rot-rot-grüne Regierung dann gegen die Gesetzesänderung.

Ein Regenbogen ist vor dunklen Wolken am Abend über einer Landschaft mit einem Windenergiepark.
Eins der Streitthemen in den letzten Jahren im Thüringer Landtag: der Ausbau der Windkraft. Bildrechte: picture alliance/dpa | Patrick Pleul

Um einen besseren Überblick zum Hitz-Thema zu bekommen, hat der MDR die Plenarprotokolle des Thüringer Landtags ausgewertet. Wie oft äußern sich die Fraktionen dort zum Thema? Und vor allem: Wie und mit welchen Worten tun sie das und beeinflussen damit die Wahrnehmung des Themas?

Wie der MDR die Landtagsreden ausgewertet hat

  • Der Thüringer Landtag stellt alle Sitzungsprotokolle als PDF-Dateien zur Verfügung. Diese Protokolle lassen sich zunächst in HTML-Dateien umwandeln und dann mit Hilfe sogenannter "Scraping"-Programmierverfahren in einen Datensatz überführen, in dem jeder Wortbeitrag einem Politiker oder einer Politikerin und der zugehörigen Partei zugeordnet ist.
  • Dieser Datensatz enthält mehr als 9.000 Redebeiträge von Thüringer Abgeordneten aus der aktuellen Legislaturperiode. Die "Süddeutsche Zeitung" hat ihn zusammengestellt und ihn dem MDR im Gegenzug für einen anderen Datensatz zur Verfügung gestellt.

Opposition spricht Windkraft am häufigsten an

Das Team von MDR Data hat für die Analyse untersucht, wie oft in den Plenardebatten Schlüsselworte wie Windrad, Windindustrie, Windanlage, Windenergie und Windkraft gefallen sind – also all jene Begriffe, die zu diesem Themenfeld gehören.

Die AfD hat diese Begriffe in ihren Landtagsreden mit Abstand am häufigsten erwähnt. Das ist bemerkenswert: Denn der Redeanteil der Fraktionen im Parlament orientiert sich an ihrer Größe. Die AfD kommt demnach "nur" auf rund ein Sechstel des Redeanteils, die CDU auf etwa ein Fünftel, die Linke als stärkste Fraktion auf etwa ein Viertel. Dennoch fällt in den AfD-Reden der vergangenen fünf Jahre 488 Mal eines der Schlüsselwörter.

Die CDU als größte Oppositionsfraktion landet dagegen lediglich 346 Zähler. Sie teilt sich Platz zwei mit der Linke-Fraktion. Dass die Grünen mit 327 trotz geringer Fraktionsstärke knapp dahinter und weit vor FDP und SPD liegen, zeigt, wie wichtig das Thema für die Partei in den vergangenen fünf Jahren war.

Wie reden die Fraktionen über Windenergie?

Einen einheitlichen Sprachgebrauch zur Windkraft gibt es nicht – das ist logisch, denn oft werden verschiedene Begriffe synonym verwendet. Von den Windenergieanlagen (CDU), den Windkrafträdern (FDP) bis hin zum simplen Windrad benutzen die Fraktionen im Thüringer Landtag unterschiedliche Begriffe zu diesem Themenfeld.

Wie die Fraktionen über Windkraft sprechen
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Auffällig ist jedoch, dass SPD und Linke häufig über das Windenergiebeteiligungsgesetz, bzw. das Windkraftbeteiligungsgesetz sprechen. Über jenes Gesetzesvorhaben also, das unter anderem auch vom Grünen-Umweltminister Bernhard Stengele zuletzt kräftig beworben wurde. Demnach können seit kurzem Kommunen finanziell durch Windanlagen in ihrer Region profitieren. Die AfD nutzt dagegen häufig den Begriff Industrie, um in ihren Drohszenarien vor dem Ausbau der Windenergie zu warnen.

Wie wird Windenergie sprachlich eingeordnet?

MDR Data hat auch untersucht, wie die Fraktionen das Thema Windenergie kontextualisieren. Dafür wurde ausgewertet, welche Begriffe auffallend häufig vor oder nach den Windkraft-Schlüsselwörtern vorkommen. Die abgebildeten Begriffe erscheinen bei der jeweiligen Fraktion also immer wieder im direkten Umfeld von Worten wie Windrad, Windenergie oder Windindustrie. Die Begriffe sind nach ihrer Aussagekraft gefiltert.

Wie die Fraktionen das Thema Windkraft kontextualisieren
Diese Begriffe verwenden die Parteien besonders häufig in Kombination mit Worten wie "Windkraft", "Windenergie", "Windindustrie" oder "Windrad". Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die Gruppe der FDP spricht in dem Zusammenhang häufig von Ängsten und stellt den Sinn von Windenergie in Frage. Die SPD sieht in der Windenergie dagegen die Lokomotive der Stromversorgung, wie es der Abgeordnete Denny Möller im Dezember 2023 formuliert. Und die Grünen sprechen – wie könnte es anders sein – oft vom Ausbau der Windenergie. Auch Entscheidungen vom Bundesverfassungsgericht zum notwendigen Klimaschutz finden in ihrer Argumentation oft Platz.

Die Linke geht ins Detail: Mit jedem Flügelschlag einer Windkraftanlage "wird weniger Braunkohle notwendig", so der Abgeordnete Markus Gleichmann im Juni 2024. Die CDU warnt auffallend oft davor, einen Wildwuchs von Windkraftanlagen außerhalb von Vorranggebieten zu verhindern, so wie der Abgeordnete Thomas Gottweiss im April 2024.

Und in den Augen des AfD-Abgeordneten Uwe Thrum ist Windkraft ein Zufallsstrom, für den die Regierungspolitiker "Thüringen, unser grünes Herz Deutschlands" opfern. Windräder bezeichnet Thrum im Dezember 2022 als "blinkende rot-weiß angestrichene, hunderte Meter hohe Betontürme", die "Lebensräume von Mensch und Tier zerstören" und "unser Landschaftsbild zertrümmern".

Hinweis

Wenn Sie möchten, können Sie sich auch direkt ein Bild von den Reden der Abgeordneten und Ministerinnen und Minister machen. Der Landtag bietet dafür eine umfassende Suchfunktion im Netz an.

In den Analysen kurz vor der Landtagswahl hat sich MDR Data auch damit beschäftigt, wie sich die Spitzenkandidaten der Parteien in den vergangenen fünf Jahren geäußert haben. Oder auch damit, welche Begriffe die Abgeordneten beim Streitthema Extremismus benutzen. Diese Recherchen finden Sie hier:

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 20. August 2024 | 18:00 Uhr

41 Kommentare

astrodon vor 6 Wochen

@Britta: "was für ein Aufwand nötig ist, die Dinge wieder aus der Erde zu buddeln und die Reste zu entsorgen" Weniger Aufwand und weniger Kosten als bei der Demontage eines einzigen AKW. Beispiel: Nur die Kühltürme von Grafenrheinfeld haben 30000 Tonnen - da müssten Sie 1200 WEA-Fundamente "ausbuddeln".

astrodon vor 6 Wochen

@Britta: Soweit ich mich erinnern kann, ist unser @Denkschnecke (bitte um Entschuldigung für die "Vereinnahmung") eine der wenigen tatsächlichen Wissenschaflerinnen hier im Forum.
Zum Thema AKW: Die französischen sind fast alle älter als 30 Jahre, gelten somit als "Hochrisikoanlagen". Was ihre Zuverlässigkeit betrifft, haben 2022/23 sehr schön gezeigt.
"viele Länder bauen neue AKW" - zwischen "planen", "bauen" und "betreiben" sind es aber weite Unterschiede. "Ende 2021 befanden sich 50 AKW im Bau", bei "vielen dieser Reaktoren war die Fertigstellung jedoch fraglich" und "so befanden sich 11 dieser Reaktorblöcke bereits seit den 1980er Jahren im Bau", sagt wikipedia dazu. Schaut man nach Flamanville, glaubt man das sofort.
"über den deutschen Irrweg der Energiepolitik lacht die halbe Welt" - ach ja? Warum wurden dann im letzten Jahr weltweit EE-Erzeugungsanlagen mit mehr als 510 GW in Betrieb genommen? Das ist mehr als alle laufenden AKW zusammen an Leistung haben.

astrodon vor 6 Wochen

@Maria: Heutzutage "schlängelt" sich schon lange nichts mehr "durch die Landschaft" - ob Autobahnen oder Schienen-Ferntrassen, nicht zu vergessen die obligatorischen Lärmschutzwände. Moderne Brücken sind auch eher selten ein Ausbund an Schönheit.

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