Landtagswahl 2019 Björn Höcke im Portrait

18. Oktober 2019, 15:46 Uhr

An Björn Höcke scheiden sich die Geister. Die Bandbreite reicht von kompletter Ablehnung bis hin zu absoluter Verehrung. Im Wählervolk und in der eigenen Partei. Der Landeschef und Fraktionchef der AfD - so sehen das Viele, ist ein Mann mit zwei Gesichtern: In Interviews gibt sich der gebürtige Westfale besonnen und staatstragend. Steht er, der bis 2014 ein absoluter Nobody in der Politik war, auf einer Bühne vor Gleichgesinnten, kann seine Wortwahl schnell ins Propagandistische wechseln.

"Wir wollen auf Dauer nicht Opposition sein, wir wollen in die Regierungsverantwortung." Das sagt AfD-Landeschef Björn Höcke und blickt man auf die jüngsten Umfragewerte, dann traut das seiner Partei offenbar ein auch nicht unbedeutender Teil des Thüringer Wählervolkes zu: Im jüngsten Thüringentrend im Auftrag des MDR THÜRINGEN erreicht die AfD 25 Prozent – nur noch knapp hinter der Linken und noch vor der CDU.

Doch was sagen diese Umfrage-Zwischenstände über Björn Höcke als Politiker aus? Tatsache ist, dass die Beliebtheitswerte des 47-Jährigen deutlich hinter denen seiner Partei zurückliegen. Und auch innerparteilich hat der ehemalige Gymnasiallehrer längst nicht nur Unterstützer.

Richtungsstreit in der Partei

Fakt ist: Die AfD ist zerrissen – und zwar im Richtungsstreit. Auf der einen Seite ist da Höckes ultrarechter "Flügel", eine 2015 von ihm selbst gegründete Gruppierung innerhalb der Partei, die inzwischen den Landesverband weitgehend dominiert. Dem "Flügel" werden nationalistische Tendenzen und Nähe zu führenden Neonazis vorgeworfen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat den 'Flügel' zum Verdachtsfall erklärt, wodurch er nachrichtendienstlich überwacht werden darf.

Auf der anderen Seite im Richtungsstreit stehen gemäßigte AfD-Politiker, denen Beobachter allerdings attestieren, deutlich weniger organisiert und schlechter untereinander vernetzt zu sein, als der "Flügel". Um zu verstehen, wie sich der Richtungsstreit äußert, lohnt ein Blick auf Bundes- und kommunale Ebene. Auf letzterer ist Höcke als Kreisvorsitzender der AfD in Nordthüringen aktiv. Er steht dem Kreisverband Nordhausen-Eichsfeld-Mühlhausen vor. Doch von Friede, Freude, Geschlossenheit kann keine Rede sein, was unter anderem auf dem AfD-Parteitag im Oktober 2018 in Arnstadt deutlich wurde. Da gerieten Höcke und sein Stellvertreter im Kreisverband, Ronny Poppner, auf offener Bühne verbal aneinander.

Poppner hatte sich zu dieser Zeit bereits im Streit mit Höckes Büroleiter Gerhard Siebold befunden. So sehr, dass es sogar Unterlassungsklagen gegeben haben soll. Inzwischen ist, so berichten es AfD-Mitglieder hinter vorgehaltener Hand, nicht nur das Tischtuch zwischen Poppner und Siebold, sondern auch zwischen Höcke und Siebold zerrissen. Die Nordhäuser AfD'ler überlegen offenbar, aus dem Kreisverband auszutreten und eigenständig zu werden. Und der Richtungsstreit auf Bundesebene? Höcke kann sich zwar der Unterstützung des Bundesvorsitzenden Alexander Gauland gewiss sein. Andere Landesverbände sind der Thüringer Gallionsfigur aber längst nicht unwidersprochen gewogen: In einem Appell, der auch vom stellvertretenden Bundesvorsitzenden unterzeichnet wurde, warfen die parteiinterne Kritiker Höcke jüngst Personenkult und Spaltung der Partei vor.

Sozialparteitag verschoben

Deutlich wurde der Richtungsstreit auch schon im Juni, als der AfD-Parteikonvent entschied, erst im Frühjahr 2020 – und damit lange nach der Landtagswahl in Thüringen – über die sozialpolitische Ausrichtung der Partei entscheiden zu wollen. Höcke hatte gehofft, der Sozialparteitag würde noch vor der Wahl stattfinden. Dann hätte der Thüringer, womöglich an einem Veranstaltungsort im Osten, sein persönliches Rentenkonzept zur Abstimmung stellen wollen. Dieses beruht im Wesentlichen auf dem bereits bestehenden Umlagesystem, das Höcke unter anderem dadurch verändern will, dass auch Beamte und Selbstständige einzahlen. Durch weitere Steuerzuschüsse will der Thüringer AfD-Chef ein Rentenniveau von 50 Prozent des letzten Einkommens garantieren. So weit, so gut – wenn da nicht noch eine weitere Passage wäre, die vielen gemäßigten AfD-Politikern auf den Magen schlägt. Geringverdiener, die trotz Allem zu wenig Rente bekommen, sollen – abermals steuerfinanziert – einen Zuschuss erhalten; vorausgesetzt sie sind deutsche Staatsbürger. Dieser "Deutschen-Bonus" geht den internen Höcke-Kritikern zu weit. Und da auch alle anderen zur Diskussion stehenden Rentenkonzepte innerhalb der AfD nicht konsensfähig erscheinen, wurde der Sozialparteitag kurzerhand auf das nächste Jahr verschoben.

Doch ganz egal, wie man zur AfD steht: Mit dem Wahlergebnis der Rechtskonservativen werden die anderen Parteien im Land umgehen müssen. Die Zeiten der klassischen Lagerwahl ist vorbei; auch wenn Linke, SPD und Grüne bereits angekündigt haben, einen Wahlkampf genau in dieser Tradition betreiben zu wollen. Je nach Abschneiden der AfD kann es nach der Landtagswahl zur Notwendigkeit von Bündnissen kommen, die es bislang so noch nie gegeben hat.

Quelle: MDR THÜRINGEN

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