Landtagswahl 2024 Linken-Spitzenkandidat Bodo Ramelow
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31. August 2024, 10:00 Uhr
Bodo Ramelow ist nach wie vor der beliebteste Politiker im Land. Und mit der Arbeit keines anderen Politikers sind die Thüringer so zufrieden, wie mit der des 68-Jährigen. Doch das könnte Makulatur sein, wenn sich die Umfragewerte seiner Partei im Wahlergebnis wiederspiegeln. Denn während Ramelow beliebt ist, verliert die Linke mehr und mehr an Zustimmung.
"Ich werde dafür sorgen, dass es eine Mehrheitsregierung gibt." Gesagt hat Bodo Ramelow diesen Satz jüngst in einem Podcast. Oberflächlich betrachtet ist das die logische Aussage eines Politikers, der mit eigenem Machtanspruch in den Wahlkampf startet. Die oberflächliche Lesart lautet: Ramelow geht davon aus, dass seine Linke doch wieder stärkste Kraft und er erneut Ministerpräsident wird.
Doch es lohnt sich, zwischen den Zeilen zu lesen und Ramelows Gespür für den Moment zu bedenken. Denn bei allem Kampfgeist: Der 68-Jährige ist Realist und Staatsmann. Gut möglich, dass Ramelow also etwas Anderes meint, wenn er davon spricht, für eine Mehrheitsregierung sorgen zu wollen. Und sei es nur in der Form, nach der Wahl als Vermittler aufzutreten und den Weg freizumachen.
Die Zeiten ändern sich
Es ist ein milder Frühsommerabend Mitte Juni. Bodo Ramelow hatte wie immer viele Termine und jetzt die jüngste Umfrage, den neuen Thüringen-Trend des MDR, zur Kenntnis genommen. Die Zahl, die darin für seine Linke ausgewiesen wird, dürfte den Regierungschef getroffen haben. Elf Prozent. Das ist der schlechteste Umfragewert für seine Partei seit mehr als 25 Jahren.
CDU und AfD sind jetzt mehr als doppelt so stark und selbst das neue Bündnis Sahra Wagenknecht hat den Linken aus dem Stand den Rang abgelaufen. Ramelow weiß: Die Zeiten, in denen seine Partei die Protestwähler einfing, sind vorbei. Das erledigen jetzt AfD und BSW.
Es ist paradox. Einerseits wird seine Partei von ihren ehemaligen Wählern offenbar als "Establishment", als Teil der Etablierten in der verrufenen Elite, wahrgenommen. Andererseits fliegen Ramelow selber nach wie vor die Herzen zu. Ramelow ist mit großem Abstand der beliebteste Politiker im Land. Fast jeder kennt ihn. Immer noch ist eine Mehrheit mit seiner Arbeit zufrieden. Das gilt für keinen anderen Politiker im Land.
Und noch eindrucksvoller: Fast jeder zweite Wahlberechtigte würde, wenn das ginge, Ramelow direkt zum Ministerpräsidenten wählen. Doch diese Persönlichkeitswerte sind hinfällig, wenn der Wahlkampf nicht zur großen Aufholjagd wird.
Kein Bündnis Bodo Ramelow
Die Wahlkampf-Kampagne der Linken ist auf Bodo Ramelow zugeschnitten. Beispielhaft ist das zentrale Großflächen-Motiv. Es zeigt prominent den 68-Jährigen, der erkennbar an Gewicht verloren hat. Dazu die Losung: "Christ. Sozialist. Ministerpräsident."
Das Logo der Linken: Nicht vorhanden. Es geht vor allem darum, den Amtsbonus des Regierungschefs in Wählerstimmen umzumünzen. Als die Kampagne, die natürlich auch noch eine Vielzahl anderer Motive beinhaltet, vorgestellt wird, scherzt der Spitzenkandidat: "Wir werden nicht die Partei Die Linke in Bündnis Bodo Ramelow umwandeln."
Und doch bedient sich der Routinier im Werkzeugkasten der BSW-Namensgeberin. Wie Sahra Wagenknecht spricht auch Ramelow zuletzt auffällig oft über Frieden. Er weiß, dass Frieden in der Ukraine nicht durch die Thüringer Landespolitik zu schaffen sein wird. Er weiß aber auch, dass der Krieg die Thüringer beschäftigt und in ihrem Sicherheitsempfinden beeinflusst.
Doch Ramelow wirbt nicht nur für Friedensinitiativen. Er befürwortet auch deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine. Er erkenne keinen Grund, warum sich ein angegriffenes Land nicht verteidigen dürfe, so der 68-Jährige. Eine Position, die ihm vor allem aus den Reihen der Bundespartei Kritik einbrachte. Ramelow wird das egal sein. Sein Verhältnis zur eigenen Partei, speziell zu Teilen der Bundespartei, gilt schon seit Jahren als angespannt.
Wahlprogramm heißt Regierungsprogramm
Welche Inhalte Ramelow den Wählern schmackhaft machen soll, hat seine Partei als eine der ersten im Freistaat schon Anfang des Jahres beschlossen. Beim Parteitag in Ilmenau blitzt denn auch das Selbstverständnis auf, das sich in den vergangenen zehn Jahren als Regierungspartei augenscheinlich entwickelt hat. Das klassische "Wahlprogramm" wird selbstbewusst "Regierungsprogramm" genannt und verabschiedet.
Die Inhalte sind traditionelle Linken-Schwerpunkte. Mehr Regulierungsmöglichkeiten für den Staat, der unter anderem in Thüringen den Nahverkehr zentral organisieren soll. Mehr Angleichung zwischen Stadt und Land. Sollte der Machterhalt gelingen, will Ramelow Bildung und Betreuung in Thüringen komplett beitrags- und gebührenfrei stellen.
Außerdem erklärt er die Gründung einer Landeswohnungsbaugesellschaft zum Ziel, wodurch perspektivisch die Mieten im Land wieder sozialverträglicher werden könnten.
Wer mit wem!?
Bleibt die Frage: Mit wem und in welcher Konstellation will der Linke Spitzenkandidat diese Ziele umsetzen? SPD und Grüne schwächeln derart, dass eine Neuauflage von Rot-Rot-Grün absolut unrealistisch erscheint. Es wird also ein neues Bündnis hermüssen. Die Linke zusammen mit BSW und CDU? Aus Ramelows Sicht durchaus denkbar. "Die einzige Partei, mit der ich nicht zusammenarbeiten will, ist die AfD", so Ramelow. Und weiter: Mit allen anderen werde er daran arbeiten, dass Thüringen wieder eine Mehrheitsregierung bekommt.
Ramelow weiß jedoch auch: Selbst, wenn die CDU ihren Unvereinbarkeitsbeschluss überwindet und entgegen aller Beteuerungen doch mit Linken und BSW koaliert, brächte das Probleme mit sich. Im ungünstigsten Falle säße mit der AfD vielleicht nur eine Partei in der Opposition. Ein Umstand, der der Demokratie im Land mehr schaden als nutzen würde.
Und was wird aus Ramelow? Den Anspruch aufs Amt des Ministerpräsidenten wird nach der Wahl die stärkste Partei einer wie auch immer gefärbten Regierung erheben. Dass das dann Ramelows Linke ist: unwahrscheinlich. Genauso wie ein abgewählter Ministerpräsident auf der Oppositionsbank.
MDR
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 01. September 2024 | 19:00 Uhr