Landtagswahl 2024SPD-Spitzenkandidat Georg Maier
Georg Maiers politisches Leben könnte so schön sein. Seine Thüringer SPD sitzt seit 15 Jahren mit an den Schalthebeln der Macht. Und für den Spitzenkandidaten selbst ging es auf der Karriereleiter stets nach oben. Doch ausgerechnet im Wahljahr taumelt die SPD bedrohlich nah der Fünf-Prozent-Hürde entgegen.
Der Wahlabend droht zur Zitterpartie zu werden. Seit fast einem Jahr sind die Umfragewerte für Georg Maier und seine SPD nur noch einstellig. Kein Ausrutscher mehr, sondern ein manifester Trend, der sich verstetigt hat.
Maier hat die Lage dutzendfach so analysiert: Die Schwäche der Bundes-SPD. Das schwindende Ansehen des Kanzlers. Die Wechselstimmung in Thüringen. Und nicht zuletzt das Dauerdasein seines Landesverbandes als Juniorpartner in den Koalitionen mit Linken und davor der CDU.
Für die schwierige Lage der Thüringer SPD um ihren Spitzenkandidaten Maier gibt es nicht den einen, entscheidenden Grund. Es ist die Mischung.
Maier hat den Kurs gewechselt
Georg Maier hat das längst erkannt. Der 57-Jährige lässt kaum mehr eine Gelegenheit aus, sich und seine Partei von den Koalitionspartnern Linke und Grüne abzugrenzen. Was früher undenkbar erschien, hat der gelernte Banker inzwischen zu seiner Sache gemacht.
Er kritisiert einzelne Haltungen der Partner und den Ministerpräsidenten zum Teil sogar öffentlich. Als Ramelow im Frühjahr nicht ausschloss, seine Linke nach der Wahl in eine Koalition mit CDU und BSW zu führen, klagte Maier an, dem Ministerpräsidenten ginge es um den Machterhalt. "Herrn Ramelows nervöse Versuche, sich an die Macht zu klammern, wirken zunehmend hilflos", so der Vize-Ministerpräsident über seinen Vorgesetzten.
Maiers Motivation liegt auf der Hand: Er will seines und das Profil der Thüringer Sozialdemokraten schärfen. Raus aus dem Wahrnehmungsschatten. Dafür gibt er wahlweise den harten Hund, den durchgreifenden Innenminister oder kümmernden Sozialpolitiker. Abschiebungen nach Afghanistan? Ja. Waffenverbotszonen in Kommunen? Ja. Mehr Geld für Rentner? Ja. Doch nicht bei allen Forderungen hat der sozialdemokratische Spitzenkandidat seine Partei geschlossen hinter sich.
Grabenkämpfe belasten Partei
Maiers SPD gibt ausgerechnet im Wahljahr kein ausgesprochen geschlossenes Bild ab. Zwei Beispiele, die das besonders deutlich machten: Die Gründung eines Seeheimer Kreises in der Thüringer SPD und der Landesparteitag samt Listennominierung.
Es ist nicht überliefert, wie Maiers Reaktion ausfiel, als er im Januar den 31-seitigen Text zu lesen bekam. Aber was die sich zum Seeheimer Kreis zusammengeschlossenen konservativen Thüringer Genossen da niederschrieben, war für linke sozialdemokratische Verhältnis starker Tobak.
Tenor: Die Menschen im Land sorgen sich vor Wohlstandsverlust und der unbeherrschbaren Migration. Und die etablierten Parteien schaffen es nicht, diese Ängste zu beseitigen. Man dürfe "Themen nicht rechts liegen lassen". Und weiter: "Sonst kippt hier was", ergänzte SPD-Staatsekretärin Katja Böhler. Sie führt den Seeheimer Kreis in Thüringen.
Fakt ist: Maier sieht sich intern seitdem mit Positionen konfrontiert, die für SPD-Verhältnisse nicht nur neu, sondern auch bis vor kurzem unvorstellbar klangen.
Konservative Genossen gegen linken Flügel und Jusos
Der linke Flügel in der SPD und die Jusos sind alles andere als amüsiert über die Entwicklungen in der Partei. Als sich Spitzenkandidat Maier in seinem Amt als Innenminister damit zitieren ließ, Abschiebungen von Migranten nach Afghanistan seien vertretbar, tobte allen voran Melissa Butt, die Landeschefin der Jusos.
"Die Menschen warten nicht darauf, dass sich die Sozialdemokraten immer mehr bei dem Populismus der AfD bedienen", so Butt. Antwort von Seeheimer-Chefin Böhler: "Eine SPD, die versucht, die Linkspartei links zu überholen, macht sich selbst überflüssig." Eine Kontroverse, die zeigt, wie heftig der Machtkampf hinter Maiers Rücken, aber mit dessen Wissen, ausgetragen wird.
Deutlicher als Butt hatte sich bei anderer Gelegenheit bereits Diana Lehmann von Maier distanziert. Lehmann gilt als ausgesprochen linke Genossin und ist bis zum Ende der Wahlperiode Landtags-Vizepräsidentin. Danach endet ihr Engagement in der Landespolitik-Bühne vermutlich. Und dieses Aus lastet die 41-Jährige auch dem Spitzenkandidaten an.
Was war passiert? Beim Landesparteitag Mitte April in Erfurt hatten die Delegierten auch über die Landesliste zur Landtagswahl abgestimmt. Wer auf der Liste weit vorne steht, hat gute Aussichten auf einen Platz im neuen Landtag. Wer einen hinteren Platz auf der Liste bekommt, wird angesichts des zu erwartenden Abschneidens vermutlich leer ausgehen.
Lehmann kam nur auf Platz zehn, der vermutlich nicht reichen wird. Vorwurf: Maier habe die Landesliste entworfen und seine Kritiker weit hinten platziert. Und damit ausgebootet. Ein Vorwurf, den der 57-Jährige natürlich vehement bestreitet.
Auf Maier und sein Wirken angesprochen, diktierte Lehmann noch einen Satz, der zwar nach verletztem Ego klingt, aber trotzdem hängenbleibt: "In der Partei gibt es Menschen, die sich in Stellung bringen, um Maier zu beerben." Er sei, so Lehmann, als Parteivorsitzender nur noch geduldet.
Schlechte Stimmung droht
Egal wie groß oder klein das Lager der internen Maier-Gegner wirklich ist: Die Grabenkämpfe können für den Spitzenkandidaten zum Problem werden. Die Jusos und auch die Gruppe um Lehmann sind, wenn motiviert und überzeugt, engagierte Wahlkämpfer.
Sind sie verprellt, droht speziell der Straßenwahlkampf an Schlagkraft einzubüßen. Wodurch konkret, hatte ein führender Sozialdemokrat hinter vorgehaltener Hand bereits vor dem Landesparteitag beschrieben. Als sich abzeichnete, dass auch Finanzministerin Heike Taubert nur auf einem hinteren Listenplatz landen würde, entfuhr ihm: "Dann hängt in Ostthüringen (Anm. d. Red.: Taubert kandidiert in Greiz) keiner mehr ein SPD-Plakat auf."
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