Landtagswahl 2024BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf
Katja Wolf ist das neuste Gesicht in der Riege der Thüringer Spitzenkandidaten. Und das, obwohl die 48-Jährige alles andere als ein unbeschriebenes Blatt ist.
Es ist das Jahr 1999 und Katja Wolf Anfang 20. An eine Regierungsbeteiligung ihrer damaligen Partei, die Linke, ist da noch nicht zu denken. Wolf sitzt hinten auf der Oppositionsbank und lernt. 13 Jahre lang. Dann macht sie Karriere. 2012 bewirbt sich die Erfurterin in Eisenach als Oberbürgermeisterin und wird gewählt. Zwölf Jahre macht sie den Job und sich einen Namen. Auf Landesebene bleibt sie ungefragt.
Es ist Anfang 2024 und es ist die politische Überraschung zum Jahresstart: Wolf verlässt die Linke und Eisenach, wechselt zum Bündnis Sahra Wagenknecht und wird Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl. Ist das möglicherweise nicht der letzte Karrieresprung Wolfs innerhalb kürzester Zeit?
Neuanfang im Erfurter Büro-Komplex
Katja Wolf sitzt an einem Freitagnachmittag in einem Büro, das so gar nicht nach Parteizentrale aussieht. Nicht zu vergleichen mit dem Oberbürgermeister-Büro in Eisenach, das die 48-Jährige freiwillig geräumt hat. Das einzige, was im neuen Büro in Erfurt darauf hindeutet, dass hier das "Bündnis Sahra Wagenknecht" firmiert, sind ein Klingelschild und Kartons mit Wahlkampf-Materialien. Eilig ausgerollt werden noch zwei mobile Aufsteller mit BSW-Logo.
Katja Wolf ist jetzt Spitzenkandidatin einer Partei, die das Machtgefüge in Thüringen neu justieren könnte. Erstmals ist laut jüngster Umfragen eine Regierung mit eigener Mehrheit jenseits von AfD und Linken möglich. Das BSW und Wolf mischen die politischen Karten neu.
Eine Aussicht, die noch vor wenigen Monaten völlig unrealistisch erschien. Wolf sagt: "Das ist schon auch eine Verantwortung." Sie scheue sich zwar nicht davor. "Aber ist würde lügen, wenn ich sage, das ist jetzt alles mal so easy going aus dem Ärmel geschüttelt."
Umfrage-Boom und Rolle als Hoffnungsträgerin
Manchmal muss sich Wolf vorkommen wie in einem Traum. Kaum eingeschlafen, werden sie und ihre nicht mal 80 Mitstreiter – mehr hat die Parteiführung in Berlin das Aufnahme-Prozedere noch nicht durchlaufen lassen und aufgenommen – im Umfrage-Paradies wach.
Der letzte Thüringen-Trend des MDR manifestiert, was sich in anderen Befragungen schon angedeutet hatte: 21 Prozent hätten, wenn zum Zeitpunkt der Umfrage Wahltag gewesen wäre, ihr Kreuz beim BSW machen. Und mehr noch. Wolf hat in Sachen Bekanntheit schon jetzt die jahrelang in der Landespolitik aktive Grünen-Spitzenkandidatin Madeleine Henfling überholt.
Und zu SPD-Mann Georg Maier, der seit Jahren mit großen Ehrgeiz, aber wenig erfolgreich versucht, bekannter zu werden, hat Wolf bereits aufgeschlossen. Katja Wolf rollt das Feld von hinten auf.
Wolf: "Bin kein Wagenknecht-Fan und werde auch vermutlich keiner mehr"
Eine Partei, die den Namen ihrer Gründerin trägt: Daran hat sich auch Katja Wolf erst gewöhnen müssen. Früher, so erzählt sie, sei sie kein Wagenknecht-Fan gewesen und habe die einstige Linken-Ikone, als beide noch das Linke-Parteibuch hatten, häufig kritisch gesehen. Auch jetzt werde sie kein Wagenknecht-Fan, ergänzt Wolf. Aber die Aussicht darauf, einen Politikwechsel für ihr Heimatland Thüringen erreichen zu können, habe ihr den Wechsel dann doch auch vor sich selber vertretbar gemacht.
Wagenknecht dagegen scheint Wolf-Fan zu sein. Eigentlich hatte es die Parteigründerin auf den inzwischen abgewählten Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein abgesehen. Der brachte während der Gespräche über einen Wechsel seine langjährige Bekannte und Weggefährtin Wolf ins Spiel. Als Bausewein letztlich kniff, setzte Wagenknecht auf Wolf.
Und die Gedankenspiele der Parteigründerin gehen inzwischen noch weiter. Wenn es nach ihr geht, wird Wolf im Falle einer BSW-Regierungsbeteiligung Thüringens neue Ministerpräsidentin. Ihr Machtplan geht so: Das BSW sichert in Sachsen CDU-Mann Kretschmer die Macht. Im Gegenzug hievt die CDU in Thüringen Katja Wolf ins Amt.
Wolfs Reaktion: "Das ist eine Hürde, die ich nicht scheue." Gleichwohl: Wagenknechts Rechnung ist wohlfeil. Zum einen tritt die Parteigründerin weder in Sachsen noch in Thüringen selbst an. Noch ist klar, wie die CDU mit einem solchen Deal umginge.
Wahlprogramm aus Berlin
Auch wenn Katja Wolf keine Gelegenheit auslässt und betont, dass der Thüringer BSW-Landesverband eigenständig ist: Die thematische Marschroute wird aus Berlin vorgegeben. Im Wahlprogramm begrüßt Sahra Wagenknecht die Leser. Den ersten inhaltlichen Aufschlag bekommt in dem 60-seitigen Papier das Thema "Frieden", den sich vermutlich die meisten Thüringer in der und für die Ukraine wünschen. Allein: Er ist durch die Landespolitik nicht herzustellen.
Landespolitische Schwerpunkte werden jedoch auch benannt. So wollen Wolf und das BSW unter anderem mehr direkt-demokratische Einflussmöglichkeiten für die Menschen im Land, Reformen im Bereich Bildung und einen Abbau von Bürokratie und Verwaltungshürden.
Unter anderem verspricht die Partei einen 100-Tage-Prüfstand, durch den Bürger das Inkrafttreten neuer Regelungen verhindern können sollen. Mit Blick auf die Migration wird im BSW-Wahlprogramm das konsequente Abschieben straffällig gewordener Migranten als Ziel formuliert. Und: Unter anderem sollen Deutsch-Tests schon für Dreijährige verpflichtend werden.
Wolf und das BSW - mehr als das Zünglein an der Waage
Dass an ihr und dem BSW nach der Landtagswahl vermutlich kein Weg vorbeiführen wird, ist Katja Wolf bewusst. Die CDU steht als möglicher Koalitionspartner im Raum. Nicht zuletzt, nachdem der Bundesvorsitzende, Friedrich Merz, seinen Landesverbänden freie Hand beim Umgang mit dem BSW gegeben hat. Und doch drängt sich eine Frage auf: Hat das BSW in Thüringen überhaupt genügend Personal, um mitregieren und alle Posten besetzen zu können?
Wolf wiegelt ab: "Wir haben keine personelle Schwäche." Die 48-Jährige ergänzt, das BSW habe in Thüringen fähige Unterstützung und Experten, die von außen einwirken und beraten. "Natürlich kann ich mir auch vorstellen, dass jemand ohne Parteibuch für das BSW ein Ministeramt übernimmt."
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