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Ein Igel mit einer schweren Kopfverletzung. Können Mähroboter die Tiere verletzen? Bildrechte: IMAGO / Funke Foto Services

GartenarbeitMähroboter trifft auf Igel: Warum Einigeln die falsche Strategie ist

16. Juni 2021, 13:35 Uhr

Leise surrend zieht der Mähroboter seine Runden über das Gras. Doch Igel können sich nach einer Begegnung mit ihm verletzen. Und wir haben nachgefragt: Wie gut können die beiden miteinander auskommen?

Der Anblick war "grässlich", so beschrieb es der MDR-Kollege. Beim Besuch seiner Eltern hatte er einen Igel gesehen, bei dem die "Schnauze ab" war. Wohl ein Garten-Unfall. Die Vermutung: ein unglückliches Zusammentreffen mit einem Mähroboter.

Igelhelfer in Ostthüringen

Für diesen Artikel habe ich Leute gefragt, die ein großes Herz für Igel haben: Die Mitarbeiter der Igelhilfe Altenburg und der Igelstation Saale-Holzland-Kreis. Roland Seime von der Igelstation päppelt immer wieder verletzte, schwache und kranke Igel auf. Als ich mit ihm spreche, wohnen gerade aber keine bei ihm. Er hat sie alle soweit fit bekommen, dass sie wieder ausziehen konnten.

Seime warnt besonders vor Motorsensen. Denn die seien für die Gartenbesitzer zwar bequem, nur einen langen Arm machen und damit auch unter den Büschen alles kurz schneiden - aber unter Umständen sitzt dort dann auch ein Igel. Ein Freund von Mährobotern ist er auch nicht. Aber einen Foto-Beweis, was die bei Igeln anrichten, konnte er nicht liefern. Er verwies mich an seine damals noch aktive Tierärztin in Jena-Winzerla.

Tierärzte behandeln selten verletzte Igel

Tierärztin Kristin Klingenberg in Winzerla behandelte damals in ihrer Praxis ständig kranke Igel. Für die Igelstation machte sie das gerne und nicht zu den üblichen Gebührensätzen. Meist ging es aber darum, die Tiere zu entwurmen oder die Finder zu beraten. Sie sagte: "Bisher habe ich keinen verletzten Igel durch Mähroboter behandeln müssen - und ich hoffe, das bleibt auch so!“

Ich habe als Nächstes die Landestierärztekammer nach Rat gefragt. Diese verweist auf mehrere Tierarztpraxen, bei denen ich es probieren kann. In Erfurt erklärte eine Tierarzt-Helferin, in ihrer Praxis würden nur selten Igel behandelt, es lohne sich nicht, da jetzt noch mit dem Chef drüber zu sprechen.

In Jena erreichte ich Tierarzt Max-Ulrich Röcker. Er erklärte mir, dass er selten mit verletzten Igeln "konfrontiert“ wird. Meist, so schätzt er, seien die nach Unfällen im Garten "schon tot“. Er könne sich vorstellen, dass manche Tiere schwere Messerverletzungen davon trügen. Aber mehr konnte er zu dem Thema nicht sagen.

Sein Kollege Tierarzt Andreas Pfeil ist in einer anderen Praxis in Jena tätig. Verletzte Igel hatte er bisher pro Jahr nur ein bis zwei Mal in der Sprechstunde.

Wenige schaffen es in die Klinik

Bei den verletzten Igeln in der Praxis sei schwer nachzuweisen, woher die Verletzung stamme. Häufig hätten in den Wunden schon Fliegen ihre Eier abgelegt. Fliegen und Dreck seien die größten Probleme. Häufig hätten sich die verletzten Igel dann schon verkrochen und seien etwa von Hunden unter Büschen oder Haufen hervor gezerrt worden. Dann seien die Erfolgsaussichten gering, so Pfeil. Meist habe er die Igel einschläfern müssen. Doch "nur wenige schaffen es überhaupt in die Klinik“, so Pfeil.

Die Igelhilfe Altenburg erzählte beispielsweise, dass aus den Fliegen-Eiern in wenigen Tagen gefräßige Larven werden. Sie würden die Igel bei lebendigem Leib auffressen, wenn man nicht schnell genug etwas dagegen tue.

Tiere gewöhnen sich an automatisierte Geräte

Auf die Frage, ob ein Mähroboter zur Gefahr für Igel werden kann, erklärte Tierarzt Pfeil, dass er es vermutet, aber keine Beweise hat. Er weiß aber, dass automatisierte Geräte - wie eben Mähroboter - die mit dem immer gleichen Geräusch und den immer gleichen Zeiten und Runden - eine Art "Gewöhnung“ bei den Wildtieren hervorrufen. Sie verlieren ihre Scheu. "Hängt ein Mensch dran, zum Beispiel am Rasenmäher, weiß das Tier, dass hier eine Gefahr lauert“, so der Tierarzt.

Mensch mit Rasenmäher bedeutet oft Gefahr für Tiere im Garten. Bildrechte: Colourbox.de

Einrollen als schlechte Idee

Die Strategie des Igels vor Gefahren sei: Einrollen. Und das sei vor einem Mähroboter oder einer Motor-Sense nun mal eine schlechte Strategie - wie auch auf der Straße, erzählen die Igel-Freunde allesamt. Bei einem kleinen Selbstversuch mit einem Plüsch-Igel schob das Gerät das Tier weg. Im "Ernstfall“ kommt es offenbar auf die Größe der Igel und die Art der Mähroboter an.

Zwei Igel schlafend im Herbstlaub. Bildrechte: imago/Harald Lange

Mähen am Tag

Um zu erfahren, ob es theoretisch möglich ist, dass ein Mähroboter einen Igel verletzt, habe ich mit zwei Menschen gesprochen, die einen Mähroboter haben, und mit zwei weiteren, die die Gartengeräte auch verkaufen. Besitzer eins erklärte, sein Roboter sei so flach, der könne höchstens einen Igel in einem Erdloch überfahren. Besitzer zwei hatte volles Vertrauen in seinen Mähroboter und erklärte, er habe "auch schon den Fuß mal drunter gehalten.“ Die Zehen sind noch dran …

Vorsicht: Hier wohnen Igel. Bildrechte: Colourbox.de

Händler Steffen Klippstein aus Schönau hat selbst einen Mähroboter. Er verkaufte zum Zeitpunkt des Interviews rund 70 Geräte im Jahr. Er sagte, seine und die Igel der Kunden "leben alle noch“. Klippstein erklärte mir, dass es zwei Prinzipien von Mährobotern gibt:

  • Ein Mähteller mit kleinen Klingen (vergleichbar mit einem Cutter-Messer) dreht sich. Durch die Fliehkraft kommen die kleinen Klingen nach außen und schneiden das Gras ab. Sie sind frei beweglich und klappen bei Hindernissen weg. Würde man sich damit schneiden, hätte man viele kleine Schnitte, aber zum Beispiel keinen abgetrennten Finger.
  • Ein Messer, das ständig in Schwung ist und nicht wegklappt, könnte schlimmere Verletzungen hervorrufen.

Klippstein erklärte, er kenne fast niemanden, der seinen Rasenroboter nachts fahren lasse. Da sei zum einen das Gras feucht - zum anderen könnten dann Igel und Roboter aufeinandertreffen. Igel sind nachtaktiv. Lässt man den Roboter tagsüber fahren, reduzieren sich mögliche Kontakte. Wenn er bei seinen Kunden ist, um die Geräte zu verkaufen oder zu installieren, kämen auch immer wieder Fragen zu Igeln oder andern Tieren im Garten. "Dann beruhige ich manchmal aufgeregte Nachbarn und erkläre das genau so“, erzählt Klippstein.

Bei Marcel Beck von "Grünschnitt“ in Gerstungen sind die Erfahrungen ähnlich gewesen. Er setzt auf "Hightech" in den Geräten. Ob das bei "Billiggeräten" auch so sei - dafür übernehme er keine Garantie. Von seinen Kunden - und das sind über 1.500 - hat er noch nichts von verletzten Igeln gehört. Doch auch er hat dazu geraten, den Roboter tagsüber fahren zu lassen.

Blind und dumm: Erste Mähroboter mit Kamera

Stiftung Warentest testet immer wieder Mähroboter. Redakteur Reiner Metzger erinnert er sich an den Test mit Igel-Atrappen und Igeln aus Verkehrsunfällen. Er sagt, die meisten Mähroboter seien "blind und dumm". Erst langsam gäbe es auch Geräte mit einer Kamera. Doch auch die erkennen Hindernisse (wie Igel) noch nicht zuverlässig.

Gartentipps von Nabu und Igelfreunden

Der perfekt gestutzte Rasen ist für viele Gärtner ein Traum. Damit aber auch die Tiere noch ein Zuhause finden, raten Igelfreunde und Nabu, auch mal Gehölze zum Verstecken liegen zu lassen und vorsichtig zu sein, wenn diese mit Gabeln umgesetzt werden. Auch beim Abbrennen von Laub-Haufen bestehe Gefahr für dort versteckte Tiere.

Jürgen Erhardt vom Nabu Thüringen schreibt mir, dass besonders Jungtiere gefährdet seien, die nicht viel wiegen und klein sind. "Oft bleibt das Massaker auf dem Rasen allerdings unbemerkt, da die Wildtiere im Verletzungsfall keine Schmerzenslaute ausstoßen und sich ins Unterholz zurückziehen, um dort qualvoll zu verenden“, so der Nabu. Er rät ohnehin nicht zum zu kurzen Rasen. Denn darin finden die Garten-Tiere auch schlechter Futter.

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Quelle: MDR THÜRINGEN. Dieser Artikel vom 16. Juni 2021 wurde erneut veröffentlicht.

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 18. Juni 2021 | 05:00 Uhr