Weimarer Land Zukunft auf dem Land: Hitzige Diskussionen beim "Wunschlabor"

12. Juli 2022, 18:10 Uhr

Was wünschen sich die Menschen auf dem Land für ihr Umfeld, für ihre Zukunft, für ihr Leben? Darum ging es beim sogenannten "Wunschlabor" in Liebstedt (Weimarer Land). Beim Projekt des Bundesbildungsministeriums werden Wünsche sowie Fragen gesammelt, um sich darüber auszutauschen und an die Politik weiterzugeben. Dabei gab es auch hitzige Diskussionen.

"Was für ein Ufo ist denn hier gelandet?", wird sich der ein oder andere Liebstedter gedacht haben, als er am Montagabend an der Wiese vor dem Dorfgemeinschaftshaus vorbeigegangen ist: Mehrere Tische und Bänke stehen bereit, darauf Papier, Stifte, kleine Fähnchen, Holzblöcke. Außerdem eine Art Sandkasten auf einem Tisch, darauf sind vier Themenfelder angelegt. Ein Holzbrett in der Nähe gibt dem Ganzen in pinken Buchstaben einen Namen: "Wunschlabor."

Mitgebracht haben die Materialien die Projektmitarbeiter aus Berlin. Sie haben außerdem bereits im Juni auf einem Hoffest in Pfiffelbach Wünsche eingesammelt, insgesamt fast 250. Mit diesen Wünschen sollen sich die Liebstedter nun näher beschäftigen, so die Idee.

Projektmitarbeiter Stefan Schwabe erklärt: "Wir fragen ganz bewusst nach Wünschen, weil jeder Wunsch auch Hoffnung in sich trägt. Und diesem 'Die da oben machen eigentlich immer alles falsch oder die Städter entscheiden immer' wollen wir gerne etwas entgegensetzen und einfach die Menschen im ländlichen Raum fragen: Was wünscht ihr euch?"

"Die Politiker hören uns nicht"

Zusammen mit den Gemeinderatsmitgliedern sind an diesem Abend insgesamt rund 20 Liebstedter zusammengekommen. Sie fackeln nicht lange und kommen schnell in den Austausch: "Wir brauchen mehr Grün in unserem Dorf, mehr Streuobstbäume", sagt eine Frau. "Es fehlen Läden und Geschäfte, am Ende schließt auch noch der Friseur im Ort", beklagt eine andere. "Die Politiker hören uns nicht, entscheiden nur für die Städte Erfurt, Jena und Weimar", lautet ein häufiger Vorwurf. Und: "Die Politiker sind nicht ehrlich."

Nach einer kurzen Begrüßung des Berliner Projektteams verteilen sie sich an drei verschiedene Themen-Tische, um über die Wünsche zu diskutieren und zu sortieren, inwiefern sie sich realisieren lassen. Zum Beispiel können die Wunschkarten auf die Felder "utopisch" oder "machbar" gelegt werden.

Schnell beginnen die Liebstedter am Politik-Tisch, ihren Frust abzulassen. Dass die in der großen Politik mal ehrlich werden, ist utopisch, sind sie sich einig. "Die große Politik" fängt beim Landtag an, meinen sie. Und dass die sich mit dem ländlichen Raum viel zu wenig auskennen und trotzdem darüber entscheiden. Dass sich da noch was ändern kann, halten die Männer und Frauen am Tisch aber für "machbar". Eine Verbesserung im ländlichen Raum ist nur mit den Bürgern dort zusammen zu schaffen, halten sie fest.

Hitzige Diskussion beim Thema Infrastruktur

Am Umwelt-Tisch wird derweil darüber gesprochen, wie die Landwirtschaft nachhaltiger und regionaler werden kann. Dabei geht es unter anderem auch um mehr Schlachtungen vor Ort. Eine Frau am Tisch meint außerdem, dass es von den Stadtmenschen zu wenig Verständnis gibt: "Überspitzt gesagt, muss bei denen mal ankommen, dass die Landwirte hier keine Umweltverbrecher sind, sondern dass die hier auch irgendwie überleben müssen."

An dem Tisch, an dem es um Infrastruktur geht, wird heftig diskutiert. Über marode Straßen, schlechte Anbindung an andere Orte, fehlende Geschäfte. Nicht alle haben Lust, ihre Wünsche und Themen zu sortieren und finden das Format schwierig. Trotzdem finden sich am Ende alle um den großen Sandkasten-Tisch ein und stellen sich gegenseitig ihre Wünsche vor und auch die Fragen, die sich daraus ergeben.

Sind Wünsche ein Anfang für etwas Neues?

Wünsche sind schön, wie aber geht es nach dem Wunschlabor weiter? Die Projektmitarbeiter erklären, dass sie all die Wünsche mitnehmen, auswerten und am Ende des Jahres in Form einer "Wünsche-Landkarte" an die Gemeinde- und Stadtverwaltungen herantragen werden. Auch im Bundesministerium für Bildung, Forschung und Wissenschaft sollen sie ausgewertet werden.

Die Liebstedter sind zwiegespalten. Von "interessant" über "Mal was Neues" fragen sich einige, was es wirklich bringt. Ein Mann meint: "Ich verspreche mir leider nicht so viel, es wird zwar gefördert von der Bundesregierung, aber dann wird es halt in irgendwelchen ominösen Ablagen enden und nie mehr wird jemand was davon hören."

Dennoch stellt er auch fest, dass es wichtig war, über die Probleme zu diskutieren. Auch den anderen Einwohnern scheint es gutgetan zu haben, sich auszutauschen und teilweise auch Frust abzulassen. Es bleibt die Hoffnung, dass sich manches doch verändern kann.

Mehr über Diskussionen und Wünsche zum Thema Politik

MDR (jn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 12. Juli 2022 | 08:20 Uhr

3 Kommentare

Erichs Rache am 13.07.2022

@Tpass

"Die Politik macht trotzdem was sie will und nicht der Bürger. "

Das stimmt ja so nicht.

Hier werden alle 4 Jahre ehrbare und verdiente Bürgerinnen und Bürger in den Bundestag gewählt, die dann die gesamte Legislatur genug damit zu tun haben sich rd. 12.000 Lobby"vereine" vom Hals zu halten. Das schlaucht und macht mürbe. Da kann man schnell den Überblick verlieren .. und dann sitzt man sinn- und nutzlos und hochdotiert im Bundestag rum. Das ist echt nicht schöööön ... :-)

Beispiel:
Was meinen Sie, wie Wahlen ausgehen würden, würde die komplette Rentnergeneration nicht mehr wählen gehen?????????

Karl Schmidt am 13.07.2022

"Wie heißt es so schön, die Kirche im Dorf lassen."
na sicher, "Atheist".

"Viele wollen genau deshalb im Dorf leben, da grüßt man sich..."
Bei Ihnen sagt man sogar "Grüß Gott", "Atheist".

Den Rest zu kommentieren wäre Verschwendung.

Atheist am 13.07.2022

Wie heißt es so schön, die Kirche im Dorf lassen.
Viele wollen genau deshalb im Dorf leben, da grüßt man sich, gibt sich die Hand, isst und spricht das gleiche….
Wer auf dem Land will schon Verhältnisse wie zunehmend in vielen Städten wo Frauen nicht mehr sicher sind

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