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ZustellungPost nur einmal pro Woche - ist das überhaupt erlaubt?

15. Oktober 2022, 17:22 Uhr

In einigen Regionen Thüringens kommt die Post nur unregelmäßig, teilweise wie in Arnstadt nur einmal pro Woche. Der Grund ist, dass viele Zusteller krank sind. Darf die Zustellung überhaupt ausfallen? Die Post sagt, für die Personalnot trage sie selbst keine Schuld - deshalb könne ihr kein Vorwurf gemacht werden. Ähnlich sieht das auch die Bundesnetzagentur, die die Post kontrolliert. Für Fristen, die wegen zu später Lieferung versäumt werden, gibt es Auswege.

Wolfgang und Sieglinde aus Arnstadt fragen den "Redakteur": Wie kann es eigentlich sein, dass wir derzeit nur noch einmal in der Woche Briefe von der Deutschen Post bekommen? Ist das überhaupt erlaubt?

Die Post-Universaldienstleistungsverordnung ist da eindeutig: Die Briefzustellung muss an jedem Werktag mindestens einmal erfolgen. Da ist also auch der Samstag dabei. Und: Im Jahresdurchschnitt müssen mindestens 80 Prozent der Briefsendungen in Deutschland am folgenden Werktag ausgeliefert werden, 95 Prozent müssen nach zwei Werktagen ankommen.

Allerdings gibt es keinen gesetzlichen Anspruch, dass jeder einzelne Brief innerhalb dieser Fristen befördert wird. In Arnstadt und Umgebung lag zwischen zwei Zustellungstagen mitunter eine ganze Woche. Und so kann es passieren, dass lebenswichtige Rezepte von Jena bis Arnstadt über eine Woche brauchten.

Wir können nicht wissen, wer sich morgen wieder krankmeldet. Wir können da leider immer nur reagieren.

Alexander Böhm | Sprecher Deutsche Post

Das ist das eine Ärgernis, das andere: Die Betroffenen hätten sich über eine Information gefreut, zumal der Zustand schon einige Tage andauert. Doch damit wird Postsprecher Alexander Böhm auch künftig nicht dienen können, weil die Post derzeit bei der Personalplanung quasi auf Sicht fährt. Das heißt auch: Die Zustellungspausen von Arnstadt waren nicht etwa so geplant, um damit Personalengpässe auszugleichen. Böhm sagt: "Wir können nicht wissen, wer sich morgen wieder krankmeldet. Wir können da leider immer nur reagieren."

Das geschieht mit Aushilfen aus anderen Regionen oder Verwaltungsmitarbeitern. In Arnstadt wurden so die Rückstände bereits aufgeholt und es sollte eigentlich ab sofort wieder normal zugestellt werden. Aber mit dieser Aussage ist Alexander Böhm sehr vorsichtig und schiebt noch hinterher, dass neue Mitarbeiter sehr willkommen sind: "Wir suchen händeringend Leute."

Nichts mehr mit Postromantik

Vorbei sind die Zeiten, als das Postauto noch ausschließlich gelb war. Diverse Postanbieter und verschiedene Paketdienste fahren täglich vor.

Enge Zeitvorgaben und reichlich Stress haben dazu geführt, dass aus dem einst romantisch verklärten Beruf des Postboten mit Familienanschluss ein austauschbarer Dienstleister geworden ist. Die Arbeitszeiten sind nicht gerade attraktiv, die Löhne oftmals auch nicht, das Wetter stört irgendwie immer und im Ergebnis drängeln sich die Bewerber nicht gerade. "Zeitdruck, schlechtes Wetter und die körperliche Belastung können Zusteller für Erkrankungen anfälliger machen", sagt Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Thüringen.

Briefträger und Zusteller überdurchschnittlich oft krank

Die Krankenkasse hat für das Jahr 2018, also weit vor Corona, die Fehlzeiten ihrer Kassenmitglieder analysiert und festgestellt, dass Briefträger und Paketzusteller überdurchschnittlich oft und auch lange krankgeschrieben sind. Demnach entfielen auf Mitarbeiter von Post- und Zustelldiensten 34,6 Krankheitstage pro Person und Jahr.

Zum Vergleich: Die Thüringer Beschäftigten über alle Branchen hinweg fehlten 2018 durchschnittlich 22,3 Tage am Arbeitsplatz. "Zeitdruck, schlechtes Wetter und die körperliche Belastung können Zusteller für Erkrankungen anfälliger machen", sagt Birgit Dziuk.

Die hohen Fehlzeiten der Zusteller schlagen sich natürlich auch auf den Krankenstand der Unternehmen nieder: Dieser lag bei den Zustellunternehmen täglich bei 9,5 Prozent. Der allgemeine Durchschnitt lag 2018 bei 5,4 Prozent. Natürlich sind diese Zahlen auch der Deutschen Post bekannt, doch der Arbeitskräftemangel führt dazu, dass eben auch keine Reserven da sind, also niemand der einspringen kann. Und Arnstadt ist eben auch kein Einzelfall.

Wer überwacht das eigentlich alles?

Die Bundesnetzagentur soll die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zur Postversorgung eigentlich überwachen, kann aber mittlerweile die Missstände nur noch auflisten.

Quer durch alle Postleitzahlbereiche werden die Beschwerden zu "mangelhafter und ausgefallener Briefzustellung/Paketzustellung" aufgeführt und im besten Falle steht dann einige Wochen später: "Zustellsituation angespannt, stabilisiert sich aber zunehmend." Und auch wenn es überall einmal zu Ausfällen kommen kann, es sind immer noch Einzelfälle, sagt die Bundesnetzagentur und deshalb seien ihr auch die Hände gebunden.

Ebenfalls kann die Bundesnetzagentur vorübergehende Mängel nicht entsprechend sanktionieren.

Bundesnetzagentur | Schriftliches Statement

Die rechtlichen Möglichkeiten, bei Qualitätsmängeln im Einzelfall für Abhilfe zu sorgen, seien beschränkt, so die schriftliche Stellungnahme. Es gebe kein gesetzliches Instrumentarium, mit dem ein Postunternehmen im Einzelfall durch eine behördliche Anordnung oder ähnliches zu einer bestimmten Leistungs-Qualität verpflichtet werden kann. Auch kann "die Bundesnetzagentur vorübergehende Mängel nicht entsprechend sanktionieren", sagte die Bundesnetzagentur in einem Statement.

Aber wofür gibt es dann die Vorschriften?

So ärgerlich die Situation für die betroffenen Arnstädter auch ist, Dirk Daubenspeck, Jurist bei der Thüringer Verbraucherzentrale, bestätigt die Rechtsauffassung der Bundesnetzagentur. Der Arbeits- und Fachkräftemangel ist hinlänglich bekannt und es ist unredlich, hier jemandem Absicht zu unterstellen.

Wären die Probleme aber systematischer Natur, dann hätte die Bundesnetzagentur durchaus Möglichkeiten einer Sanktionierung. "Dann kann die Bundesnetzagentur Strafgebühren verhängen, die in die Hunderttausende gehen können und spürbar sind", sagt Daubenspeck.

Verpasste Fristen können oft verlängert werden

Die Angst vor verpassten Fristen kann er aber etwas nehmen. Erstens sind diese zumeist länger als eine Woche und selbst wenn noch weitere unglückliche Umstände wie Urlaub oder Krankheit hinzukommen, ist man nach einer Zustellpause nicht rechtlos, nur, weil eine Frist abgelaufen ist.

Der Klassiker ist der Bußgeldbescheid, der einen fristgemäßen Widerspruch erfordert. Da sind wir auch direkt bei der Frage: Wann wurde der überhaupt zugestellt? Zwar gilt laut § 41 Verwaltungsverfahrensgesetz die sogenannte "3-Tages-Fiktion", aber in Stein gemeißelt ist die auch nicht.

§ 41 VerwaltungsverfahrensgesetzEin schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.

Nun hat 2018 der Bundesfinanzhof mit Blick auf private Dienstleister diese Regelung erstens etwas aufgeweicht und zweitens gibt es für betroffene Bürger immer noch die Möglichkeit, eine "Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand" zu beantragen. Dann läuft die Frist wieder. Hilfreich kann es sein, sagt Dirk Daubenspeck, zum Beispiel diesen MDR THÜRINGEN-Artikel auszudrucken und mitzuschicken.

Gibt es irgendwie noch positive Aussichten?

Natürlich kennt die Branche ihre eigene Arbeitskräftesituation. Und dass sich die Zusteller mitunter die Klinke in die Hand geben, das ist auch bekannt. Deshalb gibt es bereits Pilotprojekte und Gespräche sowieso mit dem Ziel, Synergien zu nutzen, damit gerade kleinere Zusteller die "letzte Meile" irgendwie gemeinsam bestreiten. Die Verbraucherschützer waren bei solchen Gesprächen auch schon dabei, sagt Dirk Daubenspeck.

Er schränkt aber ein, dass da in naher Zukunft flächendeckend wohl eher nichts passieren dürfte. 

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MDR (ls)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 13. Oktober 2022 | 15:10 Uhr

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