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ArnstadtGroßkontrolle mit 250 Beamten bei CATL - mit magerem Ergebnis

12. Januar 2023, 05:47 Uhr

Auf dem Gelände des chinesischen Batterie-Herstellers CATL gab es am Mittwoch eine Großkontrolle mit 250 Zollbeamten und Polizisten. Nach MDR THÜRINGEN-Informationen gingen die Ermittler dem Verdacht von Schwarzarbeit, illegalem Aufenthalt und gefälschten Einreisedokumenten nach. Am Ende stellten die Beamten einen einzigen Verstoß fest.

von Axel Hemmerling und Ludwig Kendzia, MDR THÜRINGEN

Es ist Anfang April 2022 im Gewerbegebiet Erfurter Kreuz bei Arnstadt. Die Thüringer Politikprominenz hat sich eingefunden. Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) und Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sind gekommen. Ein Thüringer Vorzeigeprojekt geht in die heiße Phase. Der chinesische Autobatterie-Hersteller Contemporary Amperex Technology Thuringia GmbH Limited (CATL) erhält aus der Hand der Minister die zweite Teilgenehmigung für den Start der Produktion. 

Einreise aus China ermittelt

Mit Beginn des Spatenstichs 2019 ist auf dem Gelände ein riesiger Hallenkomplex entstanden. Seit dem letzten Jahr liefen der Innenausbau und die Installation der gesamten Technologie für die Produktion. Über Tausend Mitarbeiter waren daran bisher beteiligt. Unter ihnen auch Hunderte von Arbeitern aus China. Für deren Anstellungsverhältnis und deren Einreise nach Deutschland interessieren sich nun die Fahnder von Zoll, Bundespolizei und der Gothaer Polizei. Seit dem Mittwochvormittag wird das gesamte Gelände nun weiträumig durchsucht und kontrolliert.

250 Beamten im Einsatz - Straftaten im dreistelligen Bereich vermutet

Die bisher verdeckten Ermittlungen liefen seit Monaten. Nach Erkenntnissen der Zollfahnder sollen rund 1.500 Menschen aktuell bei CATL beschäftigt sein, von denen wohl offenbar rund 400 aus China kommen. Dazu kommen noch weitere Arbeiter auf dem Baustellengelände, die bei Subunternehmen angestellt sind und überwiegend aus Osteuropa stammen.

Sie alle sollten im Laufe des Mittwochs kontrolliert werden. Punkt 10 Uhr startete der Großeinsatz. Nach Informationen von MDR THÜRINGEN waren rund 250 Beamtinnen und Beamte von Zoll und Polizei im Einsatz. Sie riegelten das Baustellengelände von CATL ab, um alle anwesenden Beschäftigten zu kontrollieren. Ein Polizeihubschrauber drehte über dem Gelände seine Runden.

Allerdings stellten die Behörden am Mittwoch nur einen einzigen Verstoß gegen das Ausländerrecht fest. Das teilte das Hauptzollamt Erfurt am Nachmittag mit. Demnach wurden auf der Baustelle insgesamt 424 Beschäftigte kontrolliert und befragt.

Nach Angaben von Matthias Zentgraf, dem Europa-Chef von CATL, fielen bei einer früheren Kontrolle im Oktober vergangenen Jahres einige wenige Mitarbeiter auf, weil sie sich länger in Deutschland aufgehalten hatten als es ihr Visum vorsah. Seitdem habe das Unternehmen daran gearbeitet, solche Probleme zu vermeiden.

Laut Matthias Zentgraf, Europa-Chef von CATL, ist in Arnstadt das Kontrollsystem für Arbeitsvisa verbessert worden. Bildrechte: IMAGO/ari

Mit dem Großeinsatz sollte dem Verdacht nachgegangen werden, dass sich besonders die aus China kommenden Arbeiter möglicherweise illegal in Deutschland aufhalten könnten. Außerdem gab es Hinweise auf Schwarzarbeit. Nach MDR THÜRINGEN-Recherchen gingen die Ermittler des Zolls, der Bundespolizei und der Landespolizeiinspektion Gotha in einer internen Prognose von Straftaten verschiedenster Art im dreistelligen Bereich aus.

 

Chinesische Arbeiter fliehen von Gelände

Auslöser für die Großkontrolle war unter anderem eine erste Fahndungsaktion am 12. Oktober vergangenen Jahres auf dem CATL-Gelände. Nach Recherchen von MDR THÜRINGEN waren damals Ermittler der Bundespolizei für eine Kontrolle aufgetaucht und trauten ihren Augen kaum. Denn mit dem Eintreffen der Beamten verließen rund 50 Chinesen fluchtartig das Gelände in Richtung der angrenzenden Felder. Diese Aktion blieb von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, so dass die Ermittlungen verdeckt weitergeführt werden konnten.

Visa für Deutschland abgelaufen

Einen weiteren Hinweis darauf, dass mit den Einreisen und der Beschäftigung besonders der chinesischen Arbeiter etwas möglicherweise nicht stimmen könnte, erhielt die Bundespolizei wenige Tage nach der Flucht-Aktion. Ein Chinese wurde bei den Beamten in der Dienststelle am Erfurter Flughafen vorstellig. Der Mann, der offenbar ebenfalls bei CATL arbeitet, wollte einen Einreisestempel für seine Papiere haben, da dieser angeblich bei seiner Einreise über den Flughafen Frankfurt am Main vergessen worden war. Nach MDR THÜRINGEN-Recherchen entdeckten die Beamten jedoch, dass sein drei Monate gültiges C-Visum für Deutschland bereits Ende September abgelaufen war und er längst hätte das Land wieder verlassen müssen.

Bundespolizei auch am Erfurter Flughafen im Einsatz

Diese Hintergründe haben unter anderem zu der aktuell laufenden Großkontrolle geführt. Seit Wochen wurde die Operation vorbereitet. Dabei sollten auch Visa und Passunterlagen auf Echtheit geprüft werden. Denn es soll den Verdacht geben, dass möglicherweise auch gefälschte Unterlagen für die Einreise verwendet worden sein könnten. Dazu waren unter anderem Spezialisten der Bundespolizei dabei, die sich mit gefälschten Passdokumenten auskennen.

Zudem war geplant, die mutmaßlichen Verdächtigen noch im Laufe des Tages zu einer gesonderten Personenkontrolle an den Erfurter Flughafen zu bringen. Dort gibt es eine entsprechende Gesichts-Erkennungssoftware. Mit dieser sollte geprüft werden, ob und wann die Betroffenen schon einmal bei Einreisen auffällig gewesen sein könnten.

Bauarbeiter illegal beschäftigt?

Schließlich prüften die Zoll-Fahnder, ob es Hinweise auf Schwarzarbeit geben könnte. Davon sind auf Baustellen immer wieder Arbeiter aus Osteuropa betroffen, die von Subunternehmen auf illegalem Weg nach Deutschland zum Arbeiten gebracht werden. Ermittler gehen davon aus, das besonders in der Baubranche teilweise über bestens organisierte kriminelle Strukturen Bauarbeiter angeheuert und zu schwarz gezahlten Dumpinglöhnen ausgebeutet werden.

Chinesische Firma transportiert Arbeiter

Seit über zwei Jahren sind Hunderte chinesische Beschäftigte besonders aus dem Stammwerk in China am Aufbau des CATL-Werkes beteiligt. Viele von ihnen haben Unterkünfte in und um Arnstadt. Manche wohnen sogar in Pensionen und Hotels in Orten bis in den Thüringer Wald. Jeden Morgen werden sie mit Bussen zum Arbeiten ins CATL-Werk gebracht. An dem Transport soll eine chinesische Firma aus dem Großraum Frankfurt am Main beteiligt sein.

Nach MDR THÜRINGEN-Recherchen hat sie sich auf die Betreuung, Unterbringung und den Transport der chinesischen Arbeiter spezialisiert. Zudem gibt sie an, Geschäftskontakte zwischen China und Europa im Bereich Automobilindustrie zu vermitteln und zu betreuen. Ob das Unternehmen auch an den Einreisen der chinesischen Arbeiter beteiligt gewesen sein könnte, dürfte ebenfalls Gegenstand der Ermittlungen werden.

CATL startete gerade mit Produktion

Für CATL kommt die Großkontrolle zu keinem günstigen Zeitpunkt. Das Unternehmen, das nach eigenen Angaben 1,8 Milliarden Euro in den deutschen Standort Arnstadt investiert, hatte erst Ende vergangenen Jahres damit begonnen, die Produktion hochzufahren. Die bisherige Kapazität für den Bau von Batterien für Elektroautos liegt bei jährlichen 8 Gigawattstunden (Gwh) und soll auf 14 hochgefahren werden.

"Der Produktionsstart beweist, dass wir unser Versprechen gegenüber unseren Kunden als zuverlässiger Partner der Industrie gehalten haben und dass wir uns auch unter sehr schwierigen Bedingungen wie der Pandemie für den Übergang zur Elektromobilität in Europa einsetzen", hatte Matthias Zentgraf, Präsident von CATL für Europa, zum Produktionsstart Ende Dezember gesagt. Jetzt wird er sich zusätzlich auch mit den Ermittlungen auf seinem Werksgelände beschäftigen müssen.

Anmerkung der Redaktion: Es handelt sich bei dem Einsatz von Zoll und Polizei bei CATL nicht um eine Großrazzia wie zunächst berichtet, sondern um eine Großkontrolle.

MDR (rom)

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Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 11. Januar 2023 | 10:00 Uhr