Schüler sitzen mit dem Rücken zum Betrachter in einer Prüfung
Geht es nach der rot-rot-grünen Koalition im Landtag, soll die Besondere Leistungsfeststellung (BLF) beim Übertritt von der 10. in die 11. Klasse abgeschafft werden. (Symbolbild) Bildrechte: Colourbox.de

Bildung So stehen die Chancen auf ein Ende der 10.-Klasse-Prüfung für Thüringer Gymnasiasten

10. November 2022, 15:11 Uhr

Gymnasiasten in Thüringen müssen am Ende der 10. eine Prüfung ablegen - damit sie nicht ohne Abschluss dastehen, wenn sie das Abitur nicht schaffen. Rot-Rot-Grün will diese "Besondere Leistungsfeststellung" abschaffen, braucht jedoch FDP oder CDU - und die sind (noch) anderer Meinung.

Steffen Dittes ist Fraktionschef der Linkspartei im Thüringer Landtag. Zusammen mit SPD und Grünen hat seine Fraktion Ideen für die Reform des Schulgesetzes zu Papier gebracht. "Ein Kernelement wird sein, die Stärkung der Regelschule, die Stärkung der Praxis-Orientierung in den Regelschulen, natürlich auch die Stärkung - aus unserer Sicht sehr wichtig - des längeren gemeinschaftlichen Lernens in den Schulen. Es ist vorgeschlagen, die Besondere Leistungsfeststellung (BLF) beim Übertritt von der 10. in die 11. Klasse abzuschaffen."

Die BLF soll Geschichte sein in Thüringen. Seit 2004 ist sie an den Gymnasien für alle Schüler der zehnten Klassen verpflichtend. Prüfungsfächer sind Deutsch, Mathe, eine Fremdsprache und eine Naturwissenschaft. Die BLF gilt als Generalprobe für die Abitur-Prüfungen und soll verhindern, dass Schüler das Gymnasium ohne Schulabschluss verlassen. Denn die Prüfung entspricht einem Realschul-Abschluss. Zumindest theoretisch.

Wir meinen, dass die BLF weder zeitgemäß ist, noch gerecht.

Astrid Rothe-Beinlich Fraktionschefin der Grünen im Thüringer Landtag

Und genau das ist einer der Punkte, warum die BLF immer wieder in der Kritik steht. Da es neben Thüringen nur noch in Sachsen eine solche Prüfung gibt - und auch nur in abgeschwächter Form - können viele Arbeitgeber außerhalb Thüringens mit der Bescheinigung nichts anfangen. Deshalb begründet Astrid Rothe-Beinlich, Fraktionschefin der Grünen im Thüringer Landtag: "Wir meinen, dass die BLF weder zeitgemäß ist, noch gerecht. Sie schafft viel mehr Arbeit, wir haben es unter Corona-Bedingungen auch erlebt und sehr viel mehr Belastung an den Schulen."

Es ist im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht nachzuvollziehen, warum in Thüringen Menschen, die auf dem Gymnasium das Abitur machen wollen, eine extra Prüfung ablegen müssen, um einen Realschul-Abschluss zu haben.

Kathrin Vitzthum Thüringer Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

Die Reaktion auf diese Pläne - unterschiedlich. Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft diskutieren sie seit Jahren über Wohl oder Wehe der BLF. Kathrin Vitzthum ist die Landesvorsitzende für Thüringen und sagt: "Grundsätzlich sagen wir aber: Alles was Lehrkräfte entlastet, ist gut. Und - es ist auch im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht nachzuvollziehen, warum in Thüringen Menschen, die auf dem Gymnasium das Abitur machen wollen, eine extra Prüfung ablegen müssen, um einen Realschul-Abschluss zu haben."

FDP im Thüringer Landtag gegen eine Abschaffung der BLF

In anderen Bundesländer erhalten Schüler den Abschluss automatisch, wenn sie von der 10. in die 11. Klasse wechseln. Dennoch - aus der Opposition im Thüringer Landtag kommt wenig Begeisterung für die rot-rot-grünen Pläne. So sagt Franziska Baum, bildungspolitische Sprecherin der Liberalen: "Grundsätzlich ist die BLF in der Schulgemeinschaft als sinnvolle Institution angesehen worden, dass man eine Prüfung hat nach der 10. Klasse. Das sehen sowohl die Schüler so, als auch die Lehrer und die Eltern. Über eine Reform können wir aber sehr, sehr gern sprechen."

Christian Tischner
Christian Tischner, bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag: "Ich glaube, wir müssen dazu kommen, wirklich zu akzeptieren, dass es in Thüringen keinen Abschluss gibt ohne eine Prüfung." (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Martin Schutt

Auch Christian Tischner, der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, zeigt sich gesprächsbereit über eine Reform der Besonderen Leistungsfeststellung. Sie gänzlich abzuschaffen hält er für keine gute Idee, vor allem mit Blick auf andere Schultypen in Thüringen: "Ich glaube, wir müssen dazu kommen, wirklich zu akzeptieren, dass es in Thüringen keinen Abschluss gibt ohne eine Prüfung. Alles andere führt dazu, dass wir bestimmte Schularten benachteiligen. Die große Gefahr ist ja, wenn man am Gymnasium den Regelschul-Abschluss ohne Prüfungen erlangt, dass dann noch mehr Schüler ans Gymnasium wechseln und wir dann an der Regelschule ganz wenige Schüler und Schülerinnen nur noch haben."

Franziska Baum (FDP): Entscheidung nicht vor der Landtagswahl 2024

Linke, SPD und Grüne haben im Landtag keine Mehrheit. Vier Stimmen fehlen. Daher ist der nächste Schritt für die Reform des Schulgesetzes schon jetzt zementiert. Der Entwurf wird im Landtag in den Bildungs-Ausschuss überwiesen und dort abgewogen mit einem Gesetzes-Papier, das CDU und FDP vor fast einem Jahr eingebracht haben. Wie lange diese Abwägung dauern wird? FDP-Politikerin Franziska Baum wagt eine vorsichtige Prognose: "Ich rechne nicht damit, dass in dem Zusammenhang etwas passiert vor der nächsten Wahl." Das wäre dann im Jahr 2024. Dann sind wieder Landtagswahlen in Thüringen.

MDR (caf)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 10. November 2022 | 08:09 Uhr

30 Kommentare

sorglos am 11.11.2022

Ich wäre vorsichtig mit braune Truppe. Die AfD akzeptiert mehr gesellschaftliche Normen als Sie denken und fordert diese seit langem ein. Die "Truppe" ist durchaus FÜR Vieles. Vielleicht hören Sie einfach mal zu! Jede Partei hat positive und negative Ansichten.

Nico Walter am 11.11.2022

Nein, das funktioniert nur bei absurden Argumenten. Übertreibung macht Argumente nicht absurd, es macht ihre Absurdität nur offensichtlich.

Die Absurdität dieser Aussage liegt natürlich darin, dass das Wohl der Schüler hier überhaupt keine Rolle spielt und darüber hinaus auch noch jede Tätigkeit der Lehrkräfte – den differenziert wird hier in keinster Weise – pauschal als unnötige Belastung deklassiert wird.

Aphra am 11.11.2022

Wie wäre es denn, wenn man den 10. Klässlern vom Gymnasium anbietet freiwillig zusammen mit den Realschülern die Realschulprüfung zu schreiben?Dann haben sie einen Realschulabschluss. Warum muss es denn eine andere Prüfung sein?

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