Ausstellung im Angermuseum Wie ein Erfurter die Sicht der Welt auf Venedig prägte
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17. November 2024, 03:00 Uhr
Mit seinen spätromantischen Sichten auf Venedig hat sich Friedrich Nerly weltweit einen Namen gemacht. Nun widmet die Stadt Erfurt ihrem vergessenen Sohn eine große Schau im Angermuseum. "Friedrich Nerly – von Erfurt in die Welt" wird am Sonntag eröffnet. Dem vorausgegangen war eine dreijährige Erforschung des einzigartigen Nerly-Bestandes des Hauses. Sein Nachlass bildete einst den Grundstock für das Erfurter Angermuseum.
- In Erfurt ist die bislang größte Ausstellung des Angermuseums "Friedrich Nerly – von Erfurt in die Welt" mit Werken des Spätromantikers zu sehen.
- Nerly hat die Sicht auf Venedig als Sehnsuchtsort weltweit geprägt.
- Die Schenkung von Bildern Nerlys ermöglichte einst die Gründung des Angermuseums.
Dass die Stadt Erfurt einen ihrer großen Söhne, den Landschaftsmaler und Romantiker Friedrich Nerly (* 1807 in Erfurt; † 1878 in Venedig), schlichtweg vergessen hat, wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder postuliert. Gern um den 24. November, an dem Nerly im Jahr 1807 als Christian Friedrich Ne(h)rlich in Erfurt geboren wurde. Sein Pseudonym legte er sich in Italien zu, Nerly residierte unter anderem 40 Jahre in Venedig.
2024 ist zwar kein Nerly-Jubiläumsjahr, dennoch eröffnet das Erfurter Angermuseum am Wochenende die große Schau "Friedrich Nerly – von Erfurt in die Welt". Sogar auf zwei Etagen – es ist die größte Ausstellung, die das Haus je gezeigt hat.
Mond über Venedig
Und so scheint an zentraler Stelle der neuen Ausstellung der Mond über Venedig variantenreich gleich mehrfach – durch etliche Leihgaben. Die berühmten venezianischen Mondschein-Szenen des Malers Nerly trugen ihm schließlich den Spitznamen "Mondschein-Nerly" ein. Ein Gang ins gegenüberliegende Kabinett offenbart, zum großen Teil erstmals, den Erfurter Bestand an Nerlys nächtlichen Venedig-Studien auf blauem Papier.
Claudia Denk, Nerly-Spezialistin vom Lenbachhaus in München und externe Kuratorin der Schau, arbeitete innerhalb von drei Jahren, gemeinsam mit dem Team des Angermuseums, den Erfurter Nerly-Bestand auf. Ein mächtiger Katalog ist dabei entstanden, der als neues Standard-Werk der Nerly-Forschung gilt, und der auch neue Bewertungen des Malers enthält, so "Nerly brachte die deutsche romantische Nacht nach Venedig und er knüpfte an die Schauerromantik der Engländer an."
Nerly brachte die deutsche romantische Nacht nach Venedig und er knüpfte an die Schauerromantik der Engländer an.
Nerly – Erfinder des Sehnsuchts-Ortes Venedig
So entdecken Katalog und Ausstellung den Spätromantiker und Frühimpressionisten Nerly zudem als Erfinder des Sehnsuchts-Ortes Venedig: Nach der Besetzung in napoleonischer Zeit befand sich die Stadt in der Krise. Nerly kam zum richtigen Zeitpunkt nach Venedig, Goethes Italien-Leidenschaft im Gepäck, als Zeitgenosse von Carl Gustav Carus und Caspar David Friedrich mit der Landschaftsauffassung der Romantiker vertraut.
Nerly malte zahlreiche Sonnenuntergänge in der Lagune, wie die Schau bezeugt – und so auch demonstriert, warum man im 20. Jahrhundert zu dem Spätromantiker etwas auf Abstand ging. In einer Vitrine hat Claudia Denk Künstlerpostkarten aus Venedig versammelt, die demonstrieren, wie stark Nerlys Sichten am Anfang des bis heute währenden Venedig-Hypes standen.
Dass ein romantischer Maler aus Thüringen dabei eine gewichtige Rolle spielte, sich der Großteil seines Œuvres im Erfurter Angermuseum befindet, das gar damit begründet wurde, das ist über die Jahrzehnte hinweg fast vergessen worden. Was die neue Erfurter Schau nun hoffentlich ändern kann!
Barkarole fürs Auge
Die neue Ausstellung ist liebevoll an ihrem Eingang im zweiten Obergeschoss des Angermuseums als Barkarole, als Lied aus der Gondel, fürs Auge inszeniert. Nerly malte in Venedig selbstredend auch im Boot, wie die Schau zeigt.
In ihrem Fortgang belegt sie eindrucksvoll den Erfurter Nerly-Bestand, für den es 2021 eine umfassende Förderung hauptsächlich der Ernst von Siemens-Kunststiftung brauchte, damit Erfurts erstes Kunstmuseum, das Angermuseum, den größten zusammenhängenden Werkbestand des Landschaftsmalers aufarbeiten konnte. Bis dahin hatte er zum größten Teil im Depot gelagert.
Ohne Nerly kein Angermuseum
Die Schenkung der Werke von Seiten der Familie anno 1883 gilt als Gründungakt des Hauses. Kai-Uwe Schierz, Direktor der Erfurter Kunstmuseen, betont: "Nerly ist für uns Haus identitätsstiftend. Wir haben die Corona-Schließzeit genutzt, um Anträge für Fördermittel zu schreiben. Es hat sich gelohnt."
Nerly ist für uns Haus identitätsstiftend.
Für die Nerly-Schau wurden im Angermuseum sogar Teile der ständigen Schau beiseite geräumt – ein Novum! Auf rotem Untergrund funkeln hier die güldenen, teils frisch restaurierten Rahmen der Nerly-Gemälde mit Tierszenen, hauptsächlich jedoch römischen und venezianischen Landschaften. Thomas von Taschitzky, Kurator Gemälde, lenkt den Blick auf Nerlys Öl-Studien zu seinen Landschaftsbildern, die die Kunstwissenschaft schon immer schätzte.
Zur Ausstellung ist ein 511 Seiten starker Katalog "Friedrich Nerly - von Erfurt in die Welt" erschienen. Er gilt als neues Standard-Werk der Nerly-Forschung und kostet stolze 62 Euro, die jedoch gerechtfertigt sind.
Der deutsche Freilichtmaler Nerly erhält nun in Erfurt die Würdigung, die ihm – schon lange – zusteht.
Die Ausstellung
Friedrich Nerly – von Erfurt in die Welt
Ausstellung
17. November 2024 bis 23. Februar 2025
Angermuseum Erfurt
Anger 18, 99084 Erfurt
Quelle: MDR KULTUR (Ulrike Thielmann)
Redaktionelle Bearbeitung: op
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 15. November 2024 | 14:30 Uhr