Bäcker Crischan Weiß vor seinem Backofen
Neu-Bäcker Crischan Weiß beim Probebacken Bildrechte: MDR/Antje Kirsten

Handwerk Brot im Ofen gegen 6: Erfurter Bäckerei setzt auf angenehmere Arbeitszeiten

13. September 2022, 16:17 Uhr

Hier steht keiner kurz nach Mitternacht auf: "Au Backe" in Erfurt bricht mit einem scheinbar ehernen Gesetz der Bäcker und schiebt das Brot erst am Morgen in den Ofen. Auch sonst gehen die drei Gründer andere Wege.

Der Duft des frischen Brotes ist unwiderstehlich - und irritiert. Denn die neue Backmanufaktur in Erfurt-Mittelhausen ist in einem Gewächshaus entstanden, neben Paprika- und Tomatenstöcken und Wassertischen mit Brunnenkresse. "Passt doch, das kommt gleich mit drauf aufs Brot", sagt Crischan Weiß. Mit zwei Bekannten hat der 48-Jährige vor einiger Zeit privat die Reset-Taste gedrückt. "Ich hätte mir immer wieder neue Kultur-Projekte einfallen lassen können oder eben noch mal was komplett Neues beginnen", sagt er.

Crischan, der eigentlich Christian heißt, stammt aus einer Zirkusfamilie, ist Theaterpädagoge und Theaterregisseur. Die letzten Jahre war er als Kulturschaffender freiberuflich unterwegs, beschäftigt sich aber - wie er sagt - seit über zehn Jahren mit Brot. Eine Zeitlang habe er es nicht gegessen, weil er es nicht vertragen hat. Dann vermisste er Brot doch. "Und so habe ich begonnen, mit Sauerteig zu experimentieren. Das Brot ist verträglich, aber auch aufwendig in der Herstellung."

Wir haben ja die letzten Jahre schon in historischen Backöfen wie im Forsthaus Willrode Brot gebacken. Immer waren die Leute interessiert und nach dem Verkosten auch begeistert.

Crischan Weiß Bäcker in Erfurt

Mit zwei Bekannten, die mittlerweile Freunde geworden sind, kam ihm dann die Idee: Wir backen Sauerteig-Brote und eröffnen eine Brotmanufaktur. Die Gärtnerei Palinske war dabei Impulsgeber. "Denen hat gefallen, was wir machen. Wir haben ja die letzten Jahre schon in historischen Backöfen wie im Forsthaus Willrode Brot gebacken. Immer waren die Leute interessiert und nach dem Verkosten auch begeistert", erzählt Crischan.

Vom Kulturmanager zum Bäcker

In der Gärtnerei Palinske gibt es einen Hofladen, in dem das Brot verkauft werden soll. Aus dem Kulturmanager wurde also ein Bäcker. Crischan bestand die Prüfung der Handwerkskammer, im Januar begann der Bau der Manufaktur. Das Geld dafür sammelte er privat bei Freunden und Sponsoren ein, er selbst bekam vom Arbeitsamt einen Existenzgründerzuschuss.

Zu seinem Team gehören Dirk Zelder und Karim Albarazi. Der eine ist eigentlich Hundetrainer, der andere besitzt ein Catering-Unternehmen. Sie alle lieben Brot, gebacken nach alter Tradition.

Das Korn kommt von regionalen Feldern, der Sauerteig wird viele Stunden lang angesetzt und zweimal mit Mehl "gefüttert", bis er - ohne künstliche Zutaten - zu elf bis 13 verschiedenen Brotsorten verarbeitet wird, unter anderem zu Dinkel-Sauerteig-Brot, Walnuss-Feige- oder Polenta-Kürbis-Brot. Den Backofen haben sie in Bayern gefunden. In den Ofen mit acht Etagen passen 50 freigeschobene Brote, bei Kastenbroten noch ein paar mehr.

Ich stehe gegen halb sechs auf. Brot brauchst Du nicht so früh.

Crischan Weiß Bäcker in Erfurt

Und da an dieser Bäckerei alles anders ist, sind es auch die Backzeiten. Hier steht keiner kurz nach Mitternacht auf. "Wenn wir das müssten, hätten wir es nicht gemacht und uns in das Abenteuer gestürzt", sagt Crischan. "Ich stehe gegen halb sechs auf. Brot brauchst Du nicht so früh. 7 Uhr brauchst du Brötchen, aber kein Brot", sagt er.

Liebeserklärung an das Brotbacken

Dirk Zelder sagt, die Backbranche habe sich gewandelt, als die Discounter mit dem Brotverkauf begannen. "Großbäckereien haben Systeme entwickelt, mit denen sie mit entsprechenden Zusätzen sehr schnell und auf den Punkt Brot in Massen herstellen können. Die Bäcker zogen nach. Und es begann ein gnadenloser Preiskampf." Zelder ist wohl so eine Art Brot-Gourmet. Wenn er vom Brotbacken erzählt, klingt das wie eine Liebeserklärung. So habe ein privates Brotbacken zuhause in der Testphase schon mal sieben Stunden gedauert.

Die Neu-Bäcker wollen nun sozusagen zurück zum Anfang. So schieben sie ihr Brot erst gegen 6 Uhr in den Ofen. "Wir haben extra nach einem System gesucht, wo das gut funktioniert. Den Ofen kann ich programmieren und wir müssen nicht in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett," freut sich Crischan jetzt auf den Start. Am 15. September wird eröffnet. "Au Backe" haben sie ihre Manufaktur genannt - eine Bäckerei für ausgeschlafene Bäcker.

MDR (caf)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 13. September 2022 | 08:20 Uhr

28 Kommentare

BoJe am 14.09.2022

Nachdenken! Bereits weit vor der Eröffnung wurde die Idee geboren. Es kann nicht gleich mit Backen losgehen, wenn vorher erst einmal ein Gewächshaus zur Bäckerei umgebaut werden muss. Oder beginnt die Planung/Finanzierung eines Einfamilienhauses während der Einzugsparty? Tipp: morgen hingehen, Brot kaufen und gleich vor Ort schnabullieren. Und dann direkt mit Chrischan & Co reden. Fragen stellen - also so richtig echt von Person zu Person. Das hilft bei der Infobeschaffung. Versprochen.

Burgfalke am 14.09.2022

Alle Achtung für ihr Vorhaben und ich wünsche ihnen viel Glück dabei!

Hierbei kann ich nur hoffen, daß sie diese schwierigen Zeiten möglichst gut meistern werden. Noch eimal viel Erfolg u. zufriedene Kunden.

Simone am 14.09.2022

@Saxe:
OOOO will halt das Eisen schmieden, solange sich mit der Angst vor den steigenden Energiekosten noch Menschen radikalisieren lassen.
Gemäß dem Ausspruch des ex AfD Bundessprechers: 'Wenn es Deutschland schlecht geht dann geht es uns gut', versuchen viele halt die Situation schlechter zu reden als sie ist und Ängste zu schüren.

Ich stimme ihnen zu, dass es in dem Artikel darum ging, wie ein Bäcker durch die Umstellung seiner Arbeitszeiten verscuht hat attraktiver für potentielle Angestellte und für sein eigenes Leben zu werden.

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