Schule Schwierige Suche nach Praktikum: Corona erschwert Berufsorientierung
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Wie entscheidet man sich für einen Beruf? Am besten, indem man ihn ausprobiert. An Haupt- und Regelschulen sind Praktika ein fester Punkt im Lehrplan. Durch Corona waren die aber plötzlich nicht mehr wie gewohnt möglich. Viele Betriebe konnten gar keine Praktikanten nehmen. Wie ging es den Schülern in den vergangenen zwei Jahren mit der Berufsorientierung? Es gibt Anzeichen, dass die Berufswahl schwerer geworden ist.

Ab der siebten Klasse machen die Schülerinnen und Schüler an der Regelschule Stotternheim pro Schuljahr mindestens ein Praktikum. Die zentrale Frage, die sich die Schüler dabei stellen müssen: Wo will ich hin? Doch während Corona war die Frage nicht "Wohin?", sondern ob überhaupt Praktika stattfinden können.
Eine Frage der Organisation
"Wenn wir normalen Schulalltag haben, haben wir einen Arbeitsplan, der über das ganze Schuljahr feststeht. Da stellt sich gar nicht die Frage, ob jetzt gerade das Praktikum stattfinden kann oder nicht", sagt der stellvertretende Schulleiter, Sven Labitzke. Neben dem Online-Unterricht musste in den vergangenen zwei Jahren auch die Berufsorientierung umstrukturiert werden.
Unseren schulischen Ablauf mit den entsprechenden Hygienemaßnahmen in Einklang zu bringen, war unser Hauptproblem.
"Das war die größte Herausforderung für uns, das immer abzugleichen. Unseren schulischen Ablauf mit den entsprechenden Hygienemaßnahmen in Einklang zu bringen, war unser Hauptproblem", so Labitzke.
Teilweise wurden Praktika auf die Ferien verlegt, im Frühjahr 2020 musste für die achten Klassen ein zweiwöchiges Praktikum komplett abgesagt werden. Die meisten Praktika finden in Stotternheim aber im Sommer statt, weshalb es bei dem einmaligen Ausfall blieb.
Mehr Bewerbungen schreiben
Für die Schüler bedeutete ein Praktikum in Corona-Zeiten vor allem eins: mehr Bewerbungen schreiben. Denn viele Betriebe konnten durch Kurzarbeit und die unsichere Planung keine Praktikanten einstellen. "Das heißt, wir mussten ganz schön die Schüler und auch die Eltern unter Druck setzen, damit überhaupt ein Praktikum zustande kommt", erzählt Labitzke und meint damit die Anzahl an Bewerbungen, die verschickt werden mussten.
Anna und Sarah haben ihren Weg gefunden
Anna Winkler und Sarah Auer sind mittlerweile in der zehnten Klasse und haben trotz Pandemie Praktikumsplätze gefunden. "Ich hab auf jeden Fall mehrere Bewerbungen geschickt, ich glaube, drei oder vier, und ich hatte auch zwei Absagen, aber da, wo ich unbedingt hin wollte, da konnte ich dann auch hin", erzählt Anna. Ihr erstes Praktikum hatte sie in der Buchhaltung gemacht, das zweite in einer Gärtnerei. "Ich wollte immer was mit Pflanzen machen, aber das hat mir dann nicht gefallen", sagt sie. Diesen Weg konnte Anna also schon ausschließen.
Ich hab beim ersten Praktikum auch drei Absagen gehabt, aber dann hat es doch noch funktioniert.
Sarah hat beide Praktika in einer Kinderkrippe gemacht, weil es ihr dort beim ersten Mal schon so gut gefallen hat. "Ich hab beim ersten Praktikum auch drei Absagen gehabt, aber dann hat es doch noch funktioniert und beim zweiten Mal war es direkt eine Zusage", erzählt sie. Nach dem Abschluss möchte sie an ein berufliches Gymnasium gehen und dann "was mit Kindern" machen. Anna möchte an die Fachoberschule, in Richtung Buchhaltung. Die beiden wissen schon, wie es für sie weitergeht. Aber so günstig lief es nicht für jeden.
IHK: Berufliche Orientierung hat schlechter funktioniert
Laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) unter Auszubildenden im ersten Lehrjahr ist für 56 Prozent der Befragten das Praktikum das wichtigste Mittel für die Berufswahl. Danach kommen Berufsmessen und Co., doch auch die fanden in der Pandemie maximal digital statt. Auch für die IHK Erfurt ist die Berufsorientierung ein ganzer Haufen Planung. "Dieses ganze Konzept beinhaltet natürlich auch Zusammenarbeit mit Partnern, mit Unternehmen, mit Schulen, Wirtschaft, also ganz unterschiedliche Bereiche. Die Arbeitsagenturen natürlich nicht zu vergessen. Und dieses System ist im Prinzip jetzt nicht faktisch komplett ausgefallen, aber zu großen Teilen", sagt der Abteilungsleiter für Aus- und Weiterbildung der IHK Erfurt, Thomas Fahlbusch.
Das ist schon ein sehr großes Zeichen dafür, dass diese berufliche Orientierung nicht funktioniert hat.
Die digitalen Berufsmessen seien nicht so stark wahrgenommen worden wie sonst die Präsenzmessen, erzählt er. Das Ergebnis zeige sich daran, wie viele Ausbildungsverträge während der Probezeit wieder gekündigt wurden: 2021 gab es 115 Vertragslösungen mehr als im Vorjahr. "Das ist schon ein sehr großes Zeichen dafür, dass diese berufliche Orientierung nicht funktioniert hat", so Fahlbusch.
Note "Gut" für die Regelschule Stotternheim
Zumindest in Stotternheim haben alle Schüler früher oder später einen Praktikumsplatz gefunden. Wie sich die Corona-Praktika auf den weiteren Weg der Schüler auswirken, wird sich zeigen. Sven Labitzke zieht folgendes Fazit: "Es war sicherlich auch für uns eine Zeit mit wesentlichem Mehraufwand, wesentlich mehr Arbeit, um das hinzukriegen, aber ich denke, wir haben das gut zusammen hingekriegt. Ein "sehr gut" würde ich uns allerdings auch nicht geben."
MDR
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 23. März 2022 | 18:30 Uhr