Konferenz und WorkshopKulturgut in Gefahr: Fachtagung über Glasmalerei in Erfurt und Naumburg
Glasmalerei gehört zu den bedeutenden Kunstgattungen des Mittelalters. Angesichts von Umweltveränderungen und Kriegsgeschehen, wie aktuell in der Ukraine, sind die fragilen Kunstwerke aber erheblichen Gefahren ausgesetzt. Über den Erhalt dieses wichtigen Kulturguts und dessen Schutz in Kriegsgebieten diskutieren vom 15. bis 19. Juli über 180 internationale Expertinnen und Experten bei einer Fachtagung um den Erfurter Dom. Dabei dreht sich alles um das Thema "Sichtbarkeit".
- Bei der Fachtagung in Erfurt wird darüber diskutiert, wie man historische Glasmalereien restaurieren kann.
- Auch der Erhalt und Schutz der Glasmalerei in Kriegsgebieten, wie aktuell in der Ukraine, ist ein Thema.
- Ein besonderer Fokus liegt auf dem interdisziplinären Charakter der Tagung und der internationalen Vernetzung.
In Erfurt und Naumburg kommen vom 15. Juli an über 180 internationale Expertinnen und Experten aus Kunstgeschichte, Denkmalpflege und Restaurierung zusammen, um über Erforschung und Erhaltung von Glasmalerei zu diskutieren. Die Tagung, die auf dem Erfurter Domareal stattfindet, dreht sich um das Thema "Sichtbarkeit". Auch ein Exkursionstag nach Naumburg ist geplant.
Neuausrichtung bei der Restaurierung des Erfurter Doms
Eine der Organisatorinnen der Fachtagung ist Maria Deiters. Die Kunsthistorikerin leitet die Potsdamer Arbeitsstelle des interakademischen Projekts "Corpus Vitrearum Medii Aevi“ (CVMA). Sie erklärt bei MDR KULTUR: "Wir diskutieren unter dem Generalthema 'Sichtbarkeit'. Das ist etwas, das gewissermaßen sowohl kunsthistorisch als auch restauratorisch ein ganz wichtiges Thema ist." So geht es bei der Tagung auch darum, wie historische Glasmalereien wieder so hergestellt werden können, dass sie ihr ursprüngliches Erscheinungsbild bewahren.
Gerade bei den Restaurierungsarbeiten in Erfurt sei eine Wende im Umgang mit den historischen Glasmalereien spürbar gewesen. Der Fokus sei nicht mehr gewesen, eine neue technische Methode oder einen Kunststoff zu entwickeln, der die Glasmalerei festige. Stattdessen lag der Fokus auf dem Schützen und Erhalt des vorliegenden Kulturguts.
Ein Beispiel sei die Anwendung von mundgeblasenem UV-Schutzglas, das auf die Außenhaut gesetzt werde. "Das ist sehr wichtig, wenn man bedenkt, dass im Rahmen des Klimawandels die Sonneneinstrahlung immer mehr zunehmen wird", erklärt Deiters. Die zunehmende Hitze sei auch im Zusammenhang mit alten Kunststoffen oder Klebstoffen verschiedenster Art, die bereits in vorherigen Jahren zur Restaurierung aufgebracht worden seien, ein massives Problem, mit dem sich auseinandergesetzt werden müsse. Auch die zunehmende Umweltverschmutzung spiele eine Rolle – schließlich seien viele Glasmalereien in Kirchenfenstern der Witterung ausgesetzt. Einen akuten Bedarf an konservatorischen Maßnahmen gebe es deswegen besonders für Glasmalereien, bei denen es noch keine Schutzverglasungen gebe.
Schutz und Dokumentation von Glasmalereien in der Ukraine
Dass das Tagungsmotto politischen aufgeladen ist, macht ein Beitrag aus der Ukraine deutlich. Denn auch hier muss schützend und konservierend eingegriffen werden.
Maria Deiters sieht hier Parallelen zur Gründungsgeschichte des CVMA. Das Forschungszentrum wurde 1952 auf dem Internationalen Kunsthistoriker-Kongress gegründet. Unter dem Eindruck der großen Zerstörungen von Glasmalerei während zweier Weltkriege sei es darum gegangen, das Kulturgut durch Dokumentation, aber auch durch die Entwicklung von gemeinsamen Restaurierungsgrundsätzen zu sichern. "Und das ist etwas, das jetzt eigentlich auch bei der Ukraine zum Greifen kommt", so Deiters.
Wenige Wochen nach Kriegsausbruch habe das internationale Corpus Vitrearum ein Flugblatt erstellt, das in der Ukraine verteilt worden sei. Darin ging es darum, Menschen vor Ort die Möglichkeit an die Hand zu geben, ihre Glasmalereien mit möglichst einfachen Methoden vor Bomben, Schussgefahren oder Ähnlichem zu sichern. Beim Kongress in Erfurt sei nun auch eine Referentin aus der Ukraine, die aktuell ein großes Inventarisierungsprojekt anstrebe. In ihrem Vortrag wird sie die Glasmalereibestände in der Ukraine systematisch vorstellen.
Der erste Schritt sei laut Deiters die Dokumentation und wissenschaftliche Erforschung. Doch: "An manchen Stellen wird es in der Ukraine schon fast zu spät sein." Durch eine Zusammenarbeit von Museen müsse nun versucht werden, museale Bestände als Leihgaben nach Deutschland zu holen.
An manchen Stellen wird es in der Ukraine schon fast zu spät sein. Aber man muss es unbedingt anstoßen.
Prof. Dr. Maria Deiters, Mitorganisatorin der Fachtagung
Internationale Vernetzung zur Erhaltung von Glasmalerei
Grundsätzlich funktioniere vieles über die internationale Vernetzung, berichtet Maria Deiters. Diese soll nun in Erfurt und Naumburg intensiviert werden. Die Besonderheit der Veranstaltung sei der interdisziplinäre Charakter: Indem man auf einem hohen internationalen Niveau geisteswissenschaftliche Erfassung und Konservierung, Kunst, Technologie, Restaurierung und Denkmalpflege miteinander verbinde, könne man die erstrebte "Sichtbarkeit" erreichen und das Kulturgut Glasmalerei schützen.
Wenn man eine Weile im Erfurter Chor sitze und höre, was die Menschen so sagen, dann vermittle sich laut Maria Deiters auch sofort die Schönheit dieser Kunstgattung.
Mehr Informationen zur Veranstaltung
Internationale Fachkonferenz zur Glasmalereiforschung und -konservierung
15. bis 19. Juli
Hauptveranstaltungsort ist das Erfurter Domareal, am 17. Juli führt ein Konferenz- und Exkursionstag nach Naumburg.
Tagungsort Erfurt: Domplatz, 99084 Erfurt
Tagungsort Naumburg: Domplatz 16, 06618 Naumburg (Saale)
Mehr Informationen zum Programm finden Sie hier.
Quellen: MDR (Ines Herrmann), Universität Erfurt, Corpus Vitrearum
Readktionelle Bearbeitung: as
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | Kulturnachrichten | 15. Juli 2024 | 06:30 Uhr