Gedenken an NS-OpferErfurt hat seinen ersten Stolperstein
Der erste Stolperstein Erfurts liegt seit Freitagnachmittag vor dem Haus der Trommsdorffstraße 5. Nachdem Erfurt viele Jahre einen eigenen Weg mit sogenannten "Denknadeln" gegangen ist, öffnet sich die Stadt nun dem bekannten Konzept Stolpersteine. Das Umdenken dürfte auch mit der Ernennung zum Unesco Welterbe für das jüdische Erbe der Landeshauptstadt im vergangenen Jahr zusammenhängen.
- Mit dem ersten Stolperstein wird dem Erfurter Juden Karl Klaar gedacht.
- Bisher hatte Erfurt seine ganz eigene Form des Gedenkens.
- Künftig sollen weitere Stolpersteine an Opfer des NS-Regimes erinnern.
In Erfurt liegt seit Freitag der erste Stolperstein der Landeshauptstadt. Er erinnert an den jüdischen Kaufmann Karl Klaar. Vor dem Haus in der Trommsdorffstraße 5 wurde der Stolperstein nun im Rahmen des 103. Katholikentages verlegt. Neben Oberbürgermeister Andreas Bausewein und dem Vorstandsvorsitzen der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen Reinhard Schramm, war auch der Künstler Gunter Demnig vor Ort. Er entwickelte das Konzept der Stolpersteine in den 1990er Jahren.
Stolperstein für jüdischen Kaufmann
Wie die Stadt Erfurt mitteilt, war Karl Klaar ein jüdischer Kaufmann, der am 10. Juli 1890 in Lengsfeld (Wartburgkreis) geboren wurde. Die Trommsdorffstraße 5 sei sein letzter Wohnort gewesen. Er habe dort auch sein Geschäft "Erfurter Tapisserie-Manufaktur Klaar und Schloss" betrieben.
1936 enteigneten die Nationalsozialisten den Unternehmer, schreibt die Stadt Erfurt in einer Mitteilung. Klaar habe dadurch seine Existenzgrundlage verloren. Seit 1930 sei er in verschiedene Heilanstalten eingewiesen worden, unter anderem in Pfafferode (Mühlhausen) und Hildesheim (Niedersachsen). Aufgrund seiner jüdischen Abstammung und psychischen Erkrankungen war Klaar im NS gleich auf zweifache Weise bedroht. Am 28. November 1940 wurde er den Angaben zufolge in der Tötungsanstalt Bernburg ermordet.
Erfurts eigene Gedenkform
Bisher erinnern sogenannte "Denknadeln" an die Erfurter Opfer der NS-Diktatur. Dieses Konzept entwickelte der "Arbeitskreis jüdisches Gedenken" im Jahr 2005. Ziel war es damals eine Alternative zu den Stolpersteinen zu finden. Denn an dem Konzept Stolpersteine gibt es auch immer wieder Kritik: Da die Steine im Boden eingelassen sind, würden die Opfer quasi mit Füßen getreten werden. Prominenteste Kritikerin ist Charlotte Knobloch, die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Seit 2009 stehen deshalb neun "Denknadeln" in Erfurt.
Erinnerungskultur wird erweitert
Im September 2023 hat der Erfurter Stadtrat nun doch für die Einführung von Stolpersteinen gestimmt. Sie sollen das bisherige Gedenken an die Opfer der NS-Diktatur ergänzen. Frank Rothe vom Bündnis gegen Rechtsextremismus Eisenach hat die Landeshauptstadt in puncto Stolperseite beraten. Er vermutet, dass in Erfurt nun neu über das Gedenken diskutiert wird, liegt auch an der Ernennung des jüdisch-mittelalterliche Erbes zum Unesco Welterbe im vergangenen Jahr.
Man möchte zeigen wo die Menschen alle gelebt haben. Und das kann man mit Stolpersteinen eher erreichen als mit dieser Gedenknadel.
Frank Rothe | im Gespräch mit MDR KULTUR
Laut Frank Rothe, der sich in Eisenach für die Verlegung und Pflege von Stolpersteinen einsetzt, sind Stolpersteine die beste Möglichkeit, zu zeigen, wo die NS-Opfer einst gelebt haben. "Die Gedenknadeln stehen an zentraleren Punkten mit mehr Text. Im Gegensatz dazu stehen die Stolpersteine an der Stelle, wo die Menschen gelebt oder gearbeitet haben", so Rothe.
Weitere Stolpersteine in Erfurt
In Zukunft sollen laut Rothe weitere Stolpersteine in Erfurt verlegt werden. "Die Unterstützung ist da. Die Stadt Erfurt hofft, dass aus der Bürgerschaft das Engagement kommt sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen, mit den Nachbarn, mit der Bevölkerung, mit dem ganzen jüdischen Erbe." Der Experte schätzt, dass noch mindestens 500 Stolpersteine in Erfurt folgen könnten.
Quelle: MDR Kultur (Carsten Tesch, Saskia Affolter), Bündnis gegen Rechtsextremismus Eisenach, Stadt Erfurt
Redaktionelle Bearbeitung: bh
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