Wohnen Grundsteuer in Thüringen: Schlecht für Einfamilienhäuser, gut für Unternehmen

03. Oktober 2024, 05:00 Uhr

Die Grundsteuer ist eine von zwei Steuern, die Städte und Gemeinden selbst beeinflussen können. Abhängig vom Wert eines Grundstücks und dem Hebesatz einer Gemeinde müssen Eigentümer sie zahlen. Dabei gibt es Ungerechtigkeiten, die eine 2019 beschlossene Reform eigentlich abstellen sollte. Ganz wird das nicht gelingen. Denn die Reform bringt auch in Thüringen neue Probleme mit sich.

Als Finanzdezernent Steffen Linnert am 19. September im Erfurter Stadtrat seine Pläne für die Umsetzung der Grundsteuerreform in Erfurt vorstellt, gibt es Zustimmung. Etwas zähneknirschend zwar - aber mehrere Fraktionen erkennen an, dass die Veränderung der Hebesätze der Stadt das Ergebnis eines Prozesses ist, bei dem die Stadt selbst eigentlich nur umsetzt, was sie von Bund und Land vorgegeben bekommt.

Grundsteuer-Beträge sollen regelmäßig aktualisiert werden

"Es ist sehr unglücklich", sagt der Finanzdezernent der Landeshauptstadt im Gespräch mit MDR THÜRINGEN. "Die Verlierer hier in Thüringen sind die Einfamilienhaus-Besitzer", sagt er. Denn die werden in vielen Fällen mehr sogenannte Grundsteuer B zahlen müssen. Jedenfalls, wenn sie ihr Haus zum Beispiel geerbt haben. Wer in den 1990er-Jahren neu gebaut hat, musste ohnehin schon oft mehr zahlen als Altbau-Besitzer.

Steffen Linnert (SPD), Finanzdezernent von Erfurt
Steffen Linnert (SPD) ist Finanzdezernent der Stadt Erfurt. (Archivfoto) Bildrechte: MDR/Andreas Kehrer

Eine der Ungerechtigkeiten, die das Gesetz abstellen sollte. Denn häufig stammen die von der Finanzverwaltung angenommenen Grundstückswerte aus den 1930er-Jahren. Und da hatte das Bundesverfassungsgericht 2018 gesagt: So geht's nicht. Solche Daten müssen halbwegs aktuell sein und auch alle paar Jahre abgeglichen werden. Der Bund hatte dann in seiner Reform aufgezeigt, wie diese Berechnungen aussehen sollen. Einige Länder haben entschieden, die Bundesvorgaben zu nutzen. Andere nicht.

Zum Aufklappen: Was ist die Grundsteuer?

"Die Grundsteuer wird auf den Grundbesitz erhoben. Hierzu gehören Grundstücke einschließlich der Gebäude sowie Betriebe der Land- und Forstwirtschaft. Gezahlt wird sie grundsätzlich von den Eigentümerinnen und Eigentümern. Im Fall der Vermietung kann die Grundsteuer gemäß den geltenden zivilrechtlichen Bestimmungen über die Betriebskosten auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden." (...) "Die durch die Grundsteuer erzielten Einnahmen fließen ausschließlich den Städten und Gemeinden zu. Derzeit sind es über 15 Milliarden Euro jährlich. Damit zählt die Grundsteuer zu den wichtigsten Einnahmequellen der Gemeinden", beispielsweise um Kitas, Schwimmbäder und Büchereien zu unterhalten. Ab 1. Januar 2025 wird die Grundsteuer anhand der aktualisierten Regeln und Hebesätzen erhoben.

(Quelle: Bundesfinanzministerium)

"Im Jahr 2021 hat Sachsen reagiert", so der Finanzdezernent. "Seitdem gibt es ein eigenes sächsisches Gesetz für die Grundsteuern, das ist relativ schmal." Mit wenigen Paragrafen habe Sachsen vom Bund abweichende Vorgaben gemacht. Dort würden Eigenheimbesitzer auch mehr belastet, aber oft weniger drastisch als in Thüringen.

Steuereinkommen der Kommunen ändert sich nicht durch neue Hebesätze

Hinzu kommt noch der Eindruck, der momentan allein durch Berichterstattung zu den Auswirkungen der Reform in Sachsen und Thüringen entsteht. In Leipzig etwa sinken die Hebesätze, in Erfurt steigen sie. Der Eindruck, dass dann hier insgesamt weniger Steuern gezahlt würden als dort, sei aber nicht richtig. Das sagt Markus Steinmeier, stellvertretender Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen.

Die Kommunen würden die Reform aufkommensneutral behandeln. Ihre Hebesätze also jeweils so verändern, dass sie nach der Reform unterm Strich genauso viel Geld einnehmen wie vorher. Im Erfurter Fall etwa 31 Millionen Euro im Jahr.

Verschiebung hin zu Ein- und Zweifamilienhäusern

Die gesetzlichen Vorgaben des Bundes und das Nicht-Eingreifen des Landes führten aber dazu, dass Grundstücke ohne Wohnungen, also etwa von einem Logistikzentrum oder einem Handwerksbetrieb, entlastet würden. "Man kann das genau eingrenzen", so der Erfurter Dezernent. "Die Gewerbe- und Geschäftsgrundstücke werden in Erfurt um etwa fünf Millionen Euro entlastet - im Schnitt etwa um die Hälfte."

Und das werde auf der anderen Seite im Wesentlichen durch eine Verschiebung hin zu Ein- und Zweifamilienhäusern ausgeglichen. Auf die Gründe habe die Kommune keinen Einfluss, das wird durch Gesetze von Bund und Land geregelt. "Aber wenn sich Leute dann wegen einer Erhöhung beklagen, tun sie das natürlich bei der Stadt. Denn die verschickt ja die Bescheide."

"Unvermeidliche Folge": Manche profitieren und andere nicht

Aus dem SPD-geführten Finanzministerium ist auf Nachfrage zu erfahren: Die Wertbestimmung der Grundstücke sei transparent und nachvollziehbar mit den Vorgaben des Bundes. Die Bewertungen erfolgten damit fair und sozial verträglich - und die Bescheide für diese Bewertungen sind inzwischen verschickt. Aber es sei unvermeidliche Folge der Reform, "dass Bürgerinnen und Bürger gewinnen oder verlieren und es nach der Reform zu einer Mehr- oder Minderbelastung bei der Grundsteuer kommen kann".

Wasserbecken im Freibad Kaltennordheim mit Blick auf das angrenzende Waldgebiet
Aus den Grundsteuer-Einnahmen, die den Kommunen zugutekommen, werden zum Beispiel Freibäder finanziert - wie hier in Kaltennordheim. (Archivfoto) Bildrechte: Stadt Kaltennordheim

Dies war gerade das (Gerechtigkeits-)Ziel der Reform. Kritik aus der CDU-Fraktion im Erfurter Stadtrat wegen der Schwierigkeiten mit der Reform hatte die Linke-Fraktion zurückgewiesen, denn auch die CDU habe im Landtag nicht für eine Abänderung der Reform gekämpft. Die AfD-Fraktion immerhin warb in ihrem Wahlprogramm für die Landtagswahl damit, die Grundsteuer abschaffen zu wollen.

Woher dann aber in der Stadt Erfurt die 31 Millionen Euro kommen sollen, die an Einnahmen fehlen würden, benennt das Programm jedoch nicht konkret.

Thüringer Hebesatz durchschnittlich bei 439 Prozent

Dass die Hebesätze in den unterschiedlichen Städten unterschiedlich hoch sind, dürfte weiterhin so bleiben. Der Gemeinde- und Städtebund hat keine Übersicht, wie viele Kommunen ihre Hebesätze für die Reform bereits verändert haben. Das Landesamt für Statistik verzeichnet in diesem Jahr bisher nur Steigerungen - allerdings bei sehr unterschiedlichen Ausgangswerten.

Gera etwa hatte 2023 einen Grundsteuer-B-Hebesatz von 600 Prozent, in Suhl waren es 460 Prozent. Erfurt hat seinen Hebesatz von 550 auf 565 Prozent erhöht. Auf dem Land sind die Sätze oft niedriger, der Thüringer Schnitt lag vergangenes Jahr bei 439 Prozent.

Wie viel der einzelne Steuerpflichtige zahlen muss, lässt sich aus diesen Sätzen allein aber nicht ableiten. Die Grundsteuer berechnet sich zusätzlich noch aus dem Wert des Grundbesitzes und der sogenannten Steuermesszahl.

Auswirkungen für Mieter nur gering

Die zu erwartenden Steigerungen stoßen auch außerhalb der Verwaltungen auf Kritik. Der CDU-nahe Wirtschaftsrat moniert, dass viele Menschen das Ergebnis als Steuer-Erhöhung auffassen würden. Das sei eine Belastung für Eigentümer. Und auch auf Mieter werde das umgelegt. Das bestätigt Frank Emrich, Direkter des Verbands der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft.

Er hält die Reform zusätzlich für unfair - denn sie gehe zur Festlegung der Steuererhebung von einer bestimmten Miete aus. Wer eine teure Miete zahle, werde nun bessergestellt, wer niedrige Miete zahle, subventioniere tendenziell besseren Wohnraum bei der Steuer. "Aber der Anteil der Grundsteuer an den Nebenkosten ist vergleichsweise gering. Das sind 17 oder 18 Cent pro Quadratmeter und Monat." Veränderungen der Energiepreise wirkten sich in den meisten Fällen stärker aus.

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MDR (ost)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 02. Oktober 2024 | 19:00 Uhr

34 Kommentare

Ano nym vor 5 Wochen

Instandhaltung sollte man von Anfang an bei seiner Finanzierung mit einkalkulieren. Und wer als Rentner den Anspruch hat alleine in einem riesigen Haus mit Garten wohnen zu wollen muss dafür halt zahlen. Das klingt hat, aber wenn man sich 20 Euro mehr oder weniger im Monat nicht leisten kann, ist Nummer keine Stadtvilla drin.

Ano nym vor 5 Wochen

Grundsätzlich: die Infrastruktur um die Immobilien will finanziert werden. Dafür wird die Grundsteuer erhoben. (Straßen, die Kita, das Schwimmbad etc). Die Kommunen haben keinen neuen Zufluss an Finanzmitteln. Steht im Artikel (stw. Aufkommensneutral).
Nichts mit Lehen und Füllhorn der Regierung.

Freies Moria vor 5 Wochen

@part: Völlig richtig.
Statt die Ausgaben einzuschränken, was aufgrund der irrsinnigen Steigerungen des letzten Jahrzehnts ohne weiteres möglich sein muss, greifen Bund und Land den Kommunen in die Tasche. Indirekt natürlich, weil auf dem Papier ja alles seine Richtigkeit haben muss.
Und die Kommunen werden dann über Gesetze wie das zur Grundsteuer gezwungen dem Bürger in die Tasche zu greifen.
Allerspätestens bei der Überschuldung kommt die Kommunalaufsicht und erhöht Gewerbesteuer und Immobilienbesteuerung.
Das wussten Bund und Länder ganz genau und prassten fröhlich weiter...

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