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Fehlende DigitalisierungWarum Güterzüge noch nicht auf Schnellfahrstrecken fahren

14. Juli 2022, 05:00 Uhr

Seit 2017 gibt es zwischen Erfurt und Nürnberg eine Schnellfahrstrecke, die jedoch bisher nur von ICE genutzt wird. Der Güterverkehr hinkt bei der Digitalisierung seines Steuerungssystems hinterher und fährt deshalb auf der alten, langsameren Strecke durch Thüringen.

Der Inter-City-Express 707 ist unterwegs auf den Gleisen des größten, umfangreichsten und wohl auch teuersten Verkehrsprojektes der Deutsche Einheit.

ICE-Strecke Erfurt-Ebensfeld. Bildrechte: imago images/Jochen Eckel

VDE8 – das steht für den Neu- und Ausbau der Bahnverbindung von Nürnberg nach Berlin. Geschätzte Baukosten – mehr als zehn Milliarden Euro. Das Herzstück des Projektes sind die 107 Kilometer vom bayerischen Ebensfeld bis nach Erfurt. Hier müssen die Züge quer durch den Thüringer Wald durch 22 Tunnel und über 29 Brücken.

Momentan verkehren auf der Verbindung nur Personen-Züge. Der Güterverkehr ignoriert die Strecke. Dabei sollten Warentransporte einen Teil der Baukosten refinanzieren. Die Prognosen sprachen von 80 Güterzügen pro Tag. Stattdessen Null. Warum?

Laut einem Berliner Gutachten liegt es an den Steigungen auf der Trasse, die für Güterzüge zu stark sind. Auch die Tunnel seien ein Grund, da sie nicht dafür ausgelegt seien, dass ICE und Güterzug sich in der Dunkelheit begegnen können.

Güterzüge verfügen nicht über nötige Technik

Thorsten Wilson arbeitet im Thüringer Infrastruktur- und Verkehrsministerium, er ist dort zuständig für die Schieneninfrastruktur. Die Vorbehalte kennt er, sieht die Gründe aber ganz wo anders. Seine Erklärung: den Güterzugloks fehle die entsprechende Technik zum Befahren der Strecke, genauer gesagt, das ETCS-Zugleitsystem.

Wilson erklärt: "Dieses System steuert die Züge digital. Herkömmlich ist es ja so, dass es ortsfeste Signale gibt und die Züge quasi an den Signalen halten. Und jetzt ist es so, dass sie über den ganzen Laufweg digital gesteuert werden. Sie werden im Notfall angehalten, die Geschwindigkeiten werden gesteuert und die Strecke ist dafür ausgelegt."

Digitales Nachrüsten sehr teuer

Ohne ETCS-System an Bord darf keine Lok auf die Schnellfahrstrecke. Das Umrüsten kostet allerdings viel Geld, mindestens sechsstellige Beträge pro Lok. Noch scheuen Verkehrs- und Transportunternehmen diese Investition.

Stattdessen nehmen sie Umwege und längere Fahrzeiten in Kauf und schicken ihre Züge zwischen Erfurt und Nürnberg über die alte ICE-Strecke an Saalfeld vorbei durchs Saaletal. Dass sich daran in der nächsten Zeit etwas ändert, ist unwahrscheinlich.

Das sieht man auch bei der Bahn so. Auf Anfrage schreibt eine Sprecherin: "Für den Jahresfahrplan 2022/2023 haben keine Eisenbahn-Verkehrsunternehmen planmäßigen Verkehr im Netzfahrplan für diesen Abschnitt bestellt. Möglich sind auch unterjährige Trassenbestellungen der Unternehmen. Derzeit liegen aber auch dafür keine Anmeldungen vor. Wann es die ersten Anmeldungen für den Güterverkehr auf der Trasse geben wird, können wir nicht sagen."

Verkehrsministerium: ETCS-System ist die Zukunft

Dennoch: Im Thüringer Infrastruktur- und Verkehrsministerium ist Thorsten Wilson fest davon überzeugt, dass auch Güterzüge durch die 22 Tunnel und über die 29 Brücken zwischen Erfurt und Ebensfeld rollen werden.

Denn das ETCS-Leitsystem werde sich durchsetzen, sagt er: "Ich persönlich bin davon fest überzeugt. Je mehr es von diesen digitalen Strecken in Deutschland geben wird, desto lohnender wird es auch für die Unternehmen, ihre Loks entsprechend umzurüsten."

Gern hätten wir darüber mit Vertretern von Güterverkehrsunternehmen gesprochen. Leider sind alle Anfragen von MDR-AKTUELL unbeantwortet geblieben.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 14. Juli 2022 | 06:00 Uhr

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