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Sie sind für das Awareness-Konzept im Erfurter Club Kalif Storch zuständig. Kim (von links); Sarah Wolfram und Jake Flamma. Bildrechte: Tizian Glaser

ClubkulturAwareness-Team im Erfurter Club Kalif Storch: "Zeigen, dass manches nicht in Ordnung ist"

10. Juni 2023, 19:11 Uhr

Wer abends in Clubs tanzt und feiert, will sich sicher fühlen. Damit das für alle Gäste gewährleistet ist, gibt es häufig sogenannte Awareness-Teams. Sie sollen einem diskriminierenden oder grenzüberschreitenden Verhalten, wie sexueller Belästigung, vorbeugen. In Städten wie Berlin oder Leipzig gibt es sie schon länger, in Erfurt hat der Club Kalif Storch inzwischen auch eines.

von Tizian Glaser, MDR THÜRINGEN

Kim* ist Anfang 20, studiert in Erfurt. Und wenn sie mal nicht in der Vorlesung sitzt, kümmert sie sich darum, dass sich Menschen auf Partys sicher fühlen. Kim arbeitet im Erfurter Club Kalif Storch und ist dort Teil des Awareness-Teams. Für sie ist die Awareness-Arbeit mehr als nur irgendein Nebenjob: "Die Themen bei der Arbeit beschäftigen mich auch privat. Deshalb ist es echt schön, die Möglichkeit zu haben, sich mit ihnen auch in der Praxis zu beschäftigen."

Achtsames Miteinander: Präsenz im Kalif Storch zeigen

Awareness, das bedeutet laut Duden Achtsamkeit. Das Ziel von Awareness-Arbeit ist dementsprechend, dass Menschen achtsam miteinander umgehen, sodass sich alle wohl und sicher fühlen. Für das Awareness-Team des Kalif Storchs bedeutet das zum Beispiel, sexuelle Belästigungen vorzubeugen und zu unterbinden, wie Kim erklärt: "Es kommt ja zum Beispiel häufig vor, dass man sich als weiblich gelesene Person einen Spruch oder so in einem Club anhören muss, bei dem die Leute denken, der sei in Ordnung. Wir sind aber dafür da, zu zeigen, dass manche Sachen eben nicht in Ordnung sind."

Kim und ihrem Team gehe es aber nicht darum, die Gäste anzuschwärzen, sondern darum Präsenz zu zeigen und für Betroffene als Ansprechpersonen da zu sein: "Es ist superwichtig, dass man Menschen hat, die einfach sichtbar und ansprechbar sind und bei denen man nicht diese Hierarchie wie bei der Security hat."

Teams beobachten und stellen Fragen

Im Kalif Storch gibt es seit Dezember 2022 ein offizielles Team. Es besteht aus neun Leuten, die für ihre Arbeit alle Geld bekommen. Bei den Veranstaltungen sind laut Kim immer drei bis vier Mitglieder im Club unterwegs, die man an T-Shirts mit der Aufschrift "Awareness" und leuchtenden blauen Bändchen erkennt.

Die Aufgabe des Teams bestehe an den Abenden darin, die Situation im Club zu beobachten und zu schauen, ob es allen Gästen gut gehe. Sie würden dafür durch den Club laufen, Obst verteilen und bei Bedarf auch Menschen ansprechen: "Es ist schon manchmal schwierig einzuschätzen, ob bei einer Person noch alles in Ordnung ist. Und deshalb hilft es oft einfach, mal nachzufragen."

Es ist schon manchmal schwierig einzuschätzen, ob bei einer Person noch alles in Ordnung ist. Und deshalb hilft es oft einfach, mal nachzufragen.

Kim | Teil des Awareness-Teams im Erfurter Club Kalif Storch

Das Team macht außerdem auch regelmäßige Rundgänge mit der Security. Dabei kann es im schlimmsten Fall auch passieren, dass man einen Gast nach Hause schickt, der sich nicht an die Regeln hält: "Wir schmeißen keine Person raus, die sagt, dass sie etwas nicht wusste oder sich entschuldigt. Wenn die Person einem gegenüber dann aber respektlos wird, dann ist es irgendwann auch einfach gut und man sollte nach Hause gehen", erklärt Kim.

Awareness-Team keine "Hauruck-Aktion"

Damit die Teammitglieder unter anderem auf solche Situationen vorbereitet sind, hat sich der Club laut Jake Flamma viel Zeit genommen, das Awareness-Team aufzubauen. Flamma kümmert sich um das Buchen der DJs und Bands für den Club und war einer der Mitinitiatoren des Teams: Über ein Jahr hätten sie sich auf den ersten Einsatz des Awareness-Teams vorbereitet: "Wir wollten keine Hauruck-Aktion. Wir wollten einen bewussten Umgang damit finden", erklärt er die Herangehensweise. Das Team fragte sich dafür etwa: Wie geht man das an, wie bekommt man die nötigen Informationen und wie holt man sich dieses Team?

Das Kalif Storch habe sich deshalb auch extern beraten lassen. 2022 habe dann deshalb sowohl das gesamte Club-Team als auch gezielt das zukünftige Awareness-Team an Workshops teilgenommen, um sich zu dem Thema schulen zu lassen. Diese seien im Übrigen alle staatlich gefördert gewesen: "Ohne die Fördermittel könnten wir die auch gar nicht anbieten", sagt Flamma.

Was ist mit Antanzen von hinten? Leitfaden soll helfen

Herausgekommen sei nach diesem Jahr Vorbereitung ein Awareness-Konzept, das zum Selbstverständnis des Clubs passe und in einem Leitfaden festgehalten worden sei. Dieser stellt laut der Teamleiterin Sarah Wolfram auch eine Art Anleitung für den Arbeitsalltag dar: "Darin steht alles drin: Zum Beispiel wie in welchen Situationen wie gehandelt werden muss oder was ich machen muss, wenn ich eine Situation beobachte."

Es ist wichtig, zu verstehen, dass wir das alles nicht machen, um irgendwem damit auf die Nerven zu gehen.

Kim | Teil des Awareness-Teams im Erfurter Club Kalif Storch

Im Leitfaden wird das Ziel der Awareness-Arbeit definiert. Demnach soll ein Raum geschaffen werden, in dem keinerlei Übergriffe geduldet werden. Was als Übergriff gelte, hängt aber auch immer ab, wie ein Gast dies wahrnimmt. Wenn sich der eine Besucher also zum Beispiel damit wohl fühlt, dass er von hinten angetanzt wird, ist das in Ordnung. Fühlt sich ein anderer Gast damit aber unwohl, ist das ein Problem.

Für den Fall, dass ein Team-Mitglied Zeuge einer solchen Situation wird, sieht der Leitfaden mehrere Einzelschritte vor. Ein Gast sollte zum Beispiel in einem Gespräch an einem ruhigen Ort darauf aufmerksam gemacht werden, dass sich andere von ihm belästigt fühlen. Reagiert dieser dann aggressiv, soll sich das Team Verstärkung holen, zum Beispiel bei der Security.

Es geht nicht nur um eine gute Party

Die Resonanz der Gäste auf das neue Awareness-Team ist laut Kim im Übrigen bis auf ein paar Ausnahmen gut. Wichtig sei ihr außerdem, zu betonen, dass es bei der Awareness-Arbeit um mehr gehe als nur eine gute Party: Awareness-Arbeit brauche es, weil sich manche Menschen einfach falsch verhalten. "Es ist wichtig, zu verstehen, dass wir das alles nicht machen, um irgendwem damit auf die Nerven zu gehen", sagt Kim. Es gebe einen größeren Sinn: "Wir machen das, damit die Leute das im besten Fall mitnehmen und sich so auch nach der Party verhalten."

* Der vollständige Name ist der Redaktion bekannt.

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MDR (rom)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 11. Juni 2023 | 18:40 Uhr

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