GastronomieZehn Tage an einer Soße feilen: Erfurter Gourmet-Restaurant "Clara" will Michelin-Stern behalten
Am kommenden Dienstag erscheint der neue "Guide Michelin" - die Bibel für die Gastronomiebranche. Darin verteilt der französische Reifenhersteller seine Bewertungen für die besten Restaurants - und vergibt die sagenumwobenen Michelin-Sterne. Auch ein Restaurant aus Erfurt ist wieder im Rennen.
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Die Freude war riesig, als sich das "Clara" im vergangenen Jahr seinen Stern zurückerobern konnte. Christopher Weigel ist schon der vierte Küchenchef, der dem Erfurter Gourmet-Restaurant einen Stern erkocht hat. Der Hamburger leitet das "Clara" seit 2021. Mit 32 Jahren ist er ein recht junger Sternkoch, in seinem Team ist Christopher Weigel aber der Älteste.
Um am Wochenende einen Tisch im "Clara" zu bekommen, kann es mehrere Wochen dauern. Pro Abend bekocht das Team bis zu 16 Gäste. Für das große Menü werden pro Person 177 Euro fällig - Getränke nicht inbegriffen. Das Ambiente im "Clara" ist eher unspektakulär. Das Essen soll im Vordergrund stehen. Um dem Gourmet-Standard gerecht zu werden, werde im "Clara" nur mit den erlesensten Zutaten gekocht. Laut Christopher Weigel wird an einer Soße manchmal bis zu zehn Tagen gefeilt, damit sie perfekt ist.
Das ist ein bisschen wie beim Fußball. Wenn ein Team Meister wird, trägt dafür auch nicht nur der Trainer die Verantwortung.
Christopher Weigel | Sternekoch im Erfurter Restaurant "Clara"
Der Mythos um die Sterneköche
Dass die Haute Cuisine und ihre Chefköche faszinieren, hat zuletzt der amerikanische Film "The Menu" eindrücklich bewiesen. In der satirischen Horrorkomödie lädt ein Meisterkoch (gespielt von Ralph Fiennes) eine ausgewählte Gruppe von Gourmet-Liebhabern auf eine einsame Insel, um ihnen ein spektakuläres Dinner zu servieren. Um nicht zu viel zu verraten: Es wird mit jedem Gang ein bisschen blutiger.
In der deutschen Ausgabe des Guide Michelin wird die Bedeutung der Sterne so beschrieben:Ein Stern: "Eine Küche voller Finesse - einen Stopp wert!"
Zwei Sterne: "Eine Spitzenküche - einen Umweg wert!"
Drei Sterne: "Eine einzigartige Küche - eine Reise wert!"
Vom Mysterium um den exzentrischen "Sternekoch" hält Christopher Weigel nicht viel. Er selbst wird jedenfalls nicht gerne so bezeichnet. "Es gehört ja das ganze Team dazu", sagt er. "Das ist ein bisschen wie beim Fußball. Wenn ein Team Meister wird, trägt dafür auch nicht nur der Trainer die Verantwortung." Seine bodenständige Art kommt beim Team gut an.
Azubi Samantha Framke hat in ihrem Chef ihr größtes Vorbild gefunden. "Es ist ein Privileg, dass ich hier mit ihm kochen darf. Ich lerne unheimlich viel von ihm", sagt die 18-Jährige. Das Klima in der Sterne-Gastronomie habe sich in den vergangenen Jahren stark verändert, erzählt Christopher Weigel. Er selbst habe in seinen ersten Jobs noch täglich bis zu 14 Stunden gearbeitet. Heute gehe es viel mehr um die Work-Life-Balance. Weil auch in dieser Branche händeringend nach Fachkräften gesucht wird, haben sich die Bedingungen ändern müssen.
Es ist ein Privileg, dass ich hier mit ihm kochen darf. Ich lerne unheimlich viel von ihm.
Samantha Framke | Auszubildende im Restaurant "Clara"
Michelin-Kritiker bleiben anonym
Ein Mysterium gibt es aber dennoch - und das betrifft den Guide Michelin selbst. Anders als andere Restaurantführer schreibt sich der französische Restaurantführer auf die Fahne, ausschließlich das Essen zu bewerten. So soll der Service oder das Ambiente keinerlei Einfluss auf die Vergabe des Sternes haben. Wer die Gerichte bewertet, weiß niemand. Um völlig unbefangen zu sein und dasselbe Restauranterlebnis zu haben, wie alle anderen Gäste, bleiben die Michelin-Kritiker anonym. "Es könnte im Grunde jeder sein", sagt Weigel. Mal sind die Kritiker allein, mal in der Gruppe unterwegs.
Ein Reifenhersteller als gastronomische Instanz
Der 26. März - die große Michelin-Zeremonie - ist der wohl wichtigste Tag im Gastronomiegeschäft. Wie konnte ausgerechnet ein Reifenhersteller eine solche Bedeutung für Restaurants erreichen? Angefangen hat alles Anfang des 20. Jahrhunderts. Für die (damals noch eher wenigen) Auto- und Kraftfahrer in Frankreich wies Michelin mit einem Faltblatt auf Raststätten, Tankstellen und Werkstätten hin. Daraus entwickelte sich schnell ein erfolgreiches Konzept - der Guide Michelin war geboren. Seit 1926 verleiht Michelin seine begehrten Sterne, die bis heute als das Exzellenz-Kriterium schlechthin gelten.
Weitere Thüringer Restaurants hoffen auf Stern
Neben dem "Clara" in Erfurt führen in Thüringen noch das "Masters" in Blankenhain im Weimarer Land und das "BjörnsOx" in Dermbach im Wartburgkreis einen Michelin-Stern. Ob sie ihn behalten dürfen, erfahren sie - wie jeder andere - aus dem Guide Michelin.
Im vergangenen Jahr ist das noch etwas anders abgelaufen, erinnert sich Christopher Weigel. Wer zum ersten Mal ausgezeichnet wird, erhält ungefähr eine Woche davor die Einladung zur großen Vergabezeremonie. "Dann ist eigentlich schon relativ eindeutig, was passiert", sagt der Chefkoch und grinst. In diesem Jahr müssen er und sein Team etwas mehr Geduld haben.
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MDR (co)
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Morgen | 24. März 2024 | 06:05 Uhr
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