Musikradar Pedal Tree aus Erfurt: Handgemachte Effekt-Geräte für Bands und Musiker
Hauptinhalt
15. Juli 2023, 05:00 Uhr
Wenn die E-Gitarre kreischt und sich die Mundharmonika in den Gehörgang gräbt, hat Christopher Wand ganze Arbeit geleistet. Mitten in der Corona-Krise machte sich der Hobby-Tüftler in Erfurt selbstständig und baut seither einzigartige Effekt-Geräte für Bands und Musiker. Heute vertreibt er seine handgemachten Soundmaschinen weltweit.
"Scheiße, es ist schon wieder Freitag! Ich will noch nicht gehen, weil es einfach so mega Spaß macht!" Die Probleme, die Christopher Wand mit seinem Job hat, dürften die meisten Menschen nur schwer nachvollziehen können. Denn mal Hand aufs Herz - wer arbeitet freitags schon gern länger? "Das hatte ich vorher auch noch nicht, dieses Gefühl, etwas zu machen, für das du brennst", schwärmt Wand und steht in seiner Werkstatt umringt von elektrischen Bauteilen, Kabeln und Werkzeugen.
Handgemachte Effekt-Geräte für Bühnenmusiker
Christopher Wand ist 40 Jahre alt, eine gebürtige Erfurter Puffbohne und hat sich 2020 selbstständig gemacht. Mit seinem Ein-Mann-Unternehmen "Pedal Tree" designt, verdrahtet, schraubt und lötet er analoge Effekt-Geräte für Bühnenmusiker. Jeder Arbeitsschritt ist Handarbeit. Ganz egal, ob Soundmaschine, Equalizer, Booster, Amp, Delay oder Switch - Wand baut in seiner kleinen Werkstatt beinahe jede Art von "Pedal".
Wenn auf dem Sperrmüll ein cooles Holz liegt, eine Wallnussholzplatte, die wahnsinnig teuer wäre und wo ein Baum 60 Jahre für wachsen musste, dann mach ich da was draus. Warum sollte man die schreddern?
Zur Erklärung für Nicht-Musiker: Unterhalb der Instrumente liegen auf der Bühne oft sogenannte Pedalboards, auf denen die Musiker verschiedene kleine Geräte drapiert haben, die via Kabel mit dem Instrument oder Mikrofon verbunden sind. Per Fußtritt können die Musiker das jeweilige Gerät ein- oder ausschalten und somit den Sound verändern: Dann hallt die Stimme des Sängers plötzlich, die Gitarre klingt verzerrt oder das Keyboard bekommt einen Pitch, der gerade noch nicht da war.
Mit einer Blechdose fing alles an
Angefangen hat Wands Leidenschaft für Effektgeräte schon in den späten 90er-Jahren. Als Teenager spielte er Gitarre in verschiedenen Thüringer Alternative-Bands und wie das bei Jugendlichen nun mal ist, hatte er kaum Geld. Also fing er schon damals an zu basteln. Er besorgte sich Baupläne von Effektgeräten, kaufte sich ein Starterset mit Dioden, Kabeln, Lötzinn und vielem mehr und baute seinen ersten Gitarren-Fuzz aus einer alten Blechdose. Eine Reminiszenz an diese längst vergangenen Tage gibt es auch bei Pedal Tree: den "Pineapple Chunks Fuzz" in Blechdosen-Optik.
Weil seinen Bands der Durchbruch verwehrt blieb, machte Wand schließlich eine Ausbildung zum Koch. Hobbymäßig tüftelte er zwar weiter an Effektgeräten und träumte insgeheim davon, sein Hobby zum Beruf zu machen, weil er aber relativ jung Vater wurde, musste er Geld verdienen. "Ich lebte damals so vor mich hin und die Zeit verging", erinnert er sich heute.
2020 war es dann ausgerechnet die Corona-Pandemie, die so vielen Musikern, Bühnentechnikern und Veranstaltern übel mitspielte, die Wand zur Unternehmensgründung nutzte: "Diese ganze verrückte Corona-Zeit war für mich perfekt. Plötzlich haben alle online gekauft und ich hatte Zeit, mich auf die ganzen gewerblichen Sachen zu konzentrieren, mit der Anmeldung und so weiter." Drei Monate Kurzarbeit reichten am Ende aus, um Wands Leben einen neuen Sinn zu geben.
Das Erfolgsrezept
Warum Pedal Tree eine Erfolgsgeschichte geworden ist, lässt sich auf drei Schlagworte herunterbrechen: Qualität, Community, Zeitgeist. Jeder kennt das: Elektronische Geräte müssen in erster Linie funktionieren und das machen, was sie versprechen. Damit die Geräte von Pedal Tree zuverlässig ihren Sound abliefern, legt Wand nicht nur bei der Herstellung große Sorgfalt an den Tag und bietet einen Reparaturservice an, er entwickelt vereinzelt sogar Geräte auf speziellen Kundenwunsch.
Das konnte ich am Anfang gar nicht glauben, als Anfragen aus Australien oder so kamen.
Sein aktueller Bestseller, ein Booster für Mundharmonikas, ist genau auf diese Weise überhaupt erst entstanden. Ein Musiker schrieb ihm, ob er sich vorstellen könnte, ein Effekgerät für die Mundharmonika zu bauen. Wand ließ sich erklären, was der Musiker genau suchte, baute einen Prototyp und verbesserte ihn mit seinem Kunden Stück für Stück, bis das Gerät den richtigen Sound hatte. Inzwischen hat er diesen Booster schon mehr als 400-mal verkauft - zuletzt auch nach Australien und Island.
Hier kommt die Community ins Spiel. Musiker sind ein eigener Schlag Mensch. Für ihre Leidenschaft sind sie nicht nur bereit, viel Geld zu bezahlen, sie schätzen auch gute Arbeit und empfehlen sie weiter. Da im Social Media-Zeitalter jeder noch so kleine Straßenmusiker ein Influencer ist, dem oft auch viele andere Musiker folgen, haben sich die Geräte von Pedal Tree inzwischen auf der ganzen Welt einen Namen gemacht. "Das konnte ich am Anfang gar nicht glauben, als Anfragen aus Australien oder so kamen", erinnert sich Wand.
Recyceln statt schreddern
Hinzu kommt: Die Geräte von Pedal Tree sind keine Massenware. Jedes Gerät ist Handarbeit, und weil Wand bei jeder Gelegenheit versucht, Materialien zu recyceln, sind viele sogar echte Einzelstücke. "Wenn auf dem Sperrmüll ein cooles Holz liegt, eine Wallnussholzplatte, die wahnsinnig teuer wäre und wo ein Baum 60 Jahre für wachsen musste, dann mach ich da was draus. Warum sollte man die schreddern?"
Damit trifft der Jungunternehmer auch den Zeitgeist: Viele Menschen sehen die maßlose Produktion im Kapitalismus inzwischen kritisch. Wenn Wand einem alten Radioempfänger oder einem ausgedienten DDR-Trafo als Amp neues Leben einhaucht und diese dann 20 Jahre länger genutzt werden können, macht das die Marke Pedal Tree für viele Menschen sympathisch.
International erfolgreich, aber in Thüringen unbekannt
Trotz der internationalen Kundschaft und der wachsenden Verkaufszahlen ist Pedal Tree noch immer ziemlich unbekannt - vor allem in Thüringen. "Von all meinen Kunden kommen die wenigsten aus Erfurt, was schade ist", meint Wand und spricht eine Einladung aus: "Wenn ihr Musiker aus Thüringen seid, kommt auf einen Kaffee vorbei!"
Es wird nie so werden, dass hier irgendwann fünf Leute sitzen, die das alles für mich produzieren. Hier am Lötkolben, das werde ich immer alles selbst machen
Im Erfurter Norden, in einem Gewerbegebiet am Moskauer Platz, hat Wand eine kleine Werkstatt eingerichtet. Vor gut einem Jahr hat er seine Produktion aus dem heimischen Schlafzimmer hierher verlegt und sich damit weiter professionalisiert. Es sind nur zwei bescheidene Räume, die wenig Platz für Größeres bieten.
"Klar nehme ich jetzt im Monat Geld ein, da hätte ich am Anfang nicht mal von zu träumen gewagt. Aber es wird nie so werden, dass hier irgendwann fünf Leute sitzen, die das alles für mich produzieren. Hier am Lötkolben, das werde ich immer alles selbst machen", skizziert Wand die Zukunft seines Unternehmens.
Und wovon träumt er heute noch? "Dass Billy Corgan von den Smashing Pumpkins meine Geräte benutzt, das wäre cool!"
MDR (ask)