Erfurt Wer nicht aufisst, zahlt drauf: Wie ein Gastwirt die Lebensmittelverschwendung eindämmt
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09. Mai 2025, 05:00 Uhr
Preise für Lebensmittel steigen ständig. Im Restaurant zu essen, wird immer teurer. Ein großer Kostenfaktor für Gastronomen sind Lebensmittel, die nicht aufgegessen werden und im Müll landen. Ein chinesischer Restaurant-Betreiber aus Erfurt möchte gegen Lebensmittelverschwendung ankämpfen und setzt dabei auf Strafgebühren.
Die grüne Tonne im Hinterhof ist fast voll. Reis, Gemüse, Shrimps und Hähnchenfleisch haben sich über die Woche vermengt. Der Brei stinkt. Chien Yung Cheok schlägt den Deckel wieder zu und geht zurück in die Küche.
"Beim Fleisch ärgert es mich am meisten", sagt der Gastwirt. "Das wird immer teurer." Drei andere Tonnen sind noch leer. Nach dem Wochenende werden aber auch sie bis oben hin gefüllt sein. In Zahlen bedeutet das: 480 Liter Abfall - pro Woche.
Lebensmittelverschwendung beschäftigt Cheok schon seit drei Jahren
Herr Cheok betreibt den "Goldenen Wok", ein chinesisches Restaurant am Berliner Platz in Erfurt. 2022 gründete er das Lokal und bietet seitdem klassische asiatische Küche an. Die Gäste bezahlen einen Festpreis und können dann - soviel sie möchten - vom Büfett essen und auch unbegrenzt Softdrinks, Wasser oder Tee trinken. Ein klassisches "all you can eat"-Konzept. Dafür hat sich Cheok entschieden, weil das Konzept Personal spart.
Von Beginn an war Lebensmittelverschwendung ein Problem im Restaurant. "Da gab es manchmal Gäste, die haben sich den Teller vollgeladen und alles stehen lassen", sagt Cheok. Vor zwei Jahren führte der Gastronom darum Regeln für sein Büfett ein: Wer nicht aufisst, zahlt Strafe.
Konkreter gesagt: Für jeden nicht aufgegessenen Teller verlangt Cheok fünf Euro und für jedes nicht ausgetrunkene Glas zwei Euro. Die Strafgebühr ist eine Maßnahme, die schon mehrere "all you can eat"-Restaurants in Deutschland eingeführt haben.
Ziel: Wenig Speisereste in den Mülltonnen
Aus den Töpfen dampft es. Die Köche wenden das Gemüse im Wok im Sekundentakt. Präzise positioniert eine Küchenhilfe die Entenbrust auf der Büfettauslage. Augenblicke später liegen auch die Kochbananen und das Sushi auf ihrem Platz. Die Scheibe beschlägt vom Dampf. Cheok schaltet noch den Schokobrunnen an und zieht dann die Eingangstür auf. Geschafft. Der "Goldene Wok" hat geöffnet und der Mülleimer am Büfett ist noch leer.
Zur Eröffnung im Mai 2022 kamen gerade mal acht bis zehn Gäste pro Tag, mittlerweile kommen 120 Gäste unter der Woche und knapp 200 am Wochenende. "Ohne Reservierung geht da nix", sagt Cheok. Die Menschen kommen vor allem, weil der "Wok" für sie preiswert sei. 15,50 Euro bezahlen die Gäste zum Mittagessen für Essen und Trinken, soviel sie möchten. "In der Altstadt kriegst du dafür nix mehr", sagt Herr Weber. Er kommt jede Woche mit seiner Frau in den "Wok" und bestellt "all you can eat".
Für die Menschen am Berliner Platz ist der "Wok" eine bezahlbare Option in Zeiten, in denen Restaurant-Besuche teurer werden. "Der Wok ist wirklich eine Bereicherung für den Berliner Platz", sagt Weber. Cheok möchte den Preis niedrig halten, aber das ist nur möglich, wenn die Gäste verantwortungsvoll mit den Lebensmitteln umgehen und vor allem teure Lebensmittel wie Fleisch und Fisch nicht wegschmeißen.
Gäste und Gastwirt müssen an einem Strang ziehen
Die Karawane der Gäste schlängelt sich am Büfett entlang. Reis, Wokgemüse und Shrimps landen auf dem Teller. Aber: Von jedem nur ein Löffel. Die roten Plakate weisen die Gäste auf Cheoks Regel hin und auch untereinander geben sie sich Hinweise, dass nichts verschwendet wird.
"Man kann doch mehrmals gehen und sich kleinere Portionen holen", sagt Herr Weber. Er kann nicht verstehen, warum Menschen Lebensmittel wegwerfen, obwohl alles teurer wird. "Am Ende zahlen wir für alle, die nicht lernen wollen", sagt der Stammgast.
Am Ende zahlen wir für alle, die nicht lernen wollen.
Für Gastronom Chien Yung Cheok geht es ums Prinzip. Er ist 1968 in China geboren. "Es gab kein Fleisch, keinen Reis… wir haben nur Süßkartoffeln gegessen."
Den Gedanken, dass Lebensmittel wertvoll sind, möchte er seinen Gästen mitgeben, kann aber auch verstehen, wenn mal nicht der ganze Teller leer wird. Dann spricht er mit den Gästen und rechnet ihnen vor, warum die Verschwendung am Ende auch auf sie negativ zurückfällt. Die meisten zeigen sich dann einsichtig, aber manchmal berechnet er den Aufschlag auch. "Ich sehe sofort, wenn jemand sich den Teller mit Absicht vollschlägt", sagt der Gastronom.
Dehoga: Essen entsorgen kostet Restaurants viel Geld
Die Lebensmittel-Preise sind im Vergleich zu 2021 um 30 Prozent gestiegen, und auch dieses Jahr sollen die Kosten weiter steigen. Zusätzlich belastet die Gastronomen der Preis für die Müllentsorgung. Sie benötigen spezielle Gastro-Mülltonnen und auch eine Kühlung. "Das kostet viele Tausende Euro im Monat", sagt Dirk Ellinger der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Thüringen. Er sieht in den Kosten für Lebensmittel und die Müllentsorgung die Hauptmotive für die Einführung von Gebühren gegen Verschwender.
Dass die Gastronomen Gebühren auf nicht aufgegessene Lebensmittel erheben, ist juristisch in Ordnung. Wichtig ist dabei aber, dass die Gäste über Aushänge oder persönlich über die Konsequenzen aufgeklärt werden. "Die Gäste müssen die Spielregeln kennen", sagt Ellinger.
In den vergangenen Jahren haben Gastronomen deutschlandweit Strafgebühren auf nicht aufgegessene Lebensmittel eingeführt. Vor allem Betreiber von "all you can eat"-Restaurants setzen auf diese Maßnahme.
Die Strafgebühr wirkt
Es ist 13:30 Uhr und das Büfett ist schon seit zwei Stunden geöffnet. Im Mülleimer liegen ein paar Hundert Gramm Nudeln, etwas Gemüse und drei angebissene Chicken Nuggets. "Das, was die Leute jetzt wegschmeißen, schaffen sie wirklich nicht mehr", sagt Cheok und schlendert weiter am Büfett entlang. "Es ist wirklich besser geworden."
Die meisten Gäste geben mir Daumen hoch.
Nachdem die Regel 2023 eingeführt wurde, essen laut Cheok 90 Prozent der Gäste ihre Portion auf. Für den Gastronom war die Einführung der Gebühr ein großer Erfolg. Sie schreckt Verschwender ab und garantiert für alle Gäste niedrige Preise. "Die meisten Gäste geben mir Daumen hoch", sagt Cheok und grinst. Die Regel - eine Win-Win-Situation für Gäste und Gastwirt.
MDR (dr/mm)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 09. Mai 2025 | 07:10 Uhr
klaus.kleiner77 vor 2 Tagen
@Jana
Wenn sie ein all you can eat Buffet anbieten brauchen sie weniger Personal und einen höheren Lebensmitteleinsatz! Im vorliegenden Falle geht es lediglich darum neue Einnahmequellen zu generieren, denn der überwiegende Teil des Buffets wird von Gastronomen selbst entsorgt und es sind nicht die übrig gebliebenen Reste direkt von den Gästen! Offenbar hat sich hier der Autor ein X für ein U vormachen lassen!
klaus.kleiner77 vor 2 Tagen
Mir fehlt im Artikel die Angaben darüber, die Anteile, wie viel Essen die Gäste übrig lassen und wie viel Essen direkt vom Gastronom vom Buffet entsorgt wird!
klaus.kleiner77 vor 2 Tagen
Ein All you can eat Buffet ist die Lebensmittelverschwendung schlechthin, denn es muss von Anfang bis Ende immer reichlich gefühlt sein! Das bisschen was die Gäste nicht aufessen spielt eine untergeordnete Rolle!