Eine Katze auf einer Straße
Nach Schätzungen des Tierschutzvereins Erfurt leben derzeit rund 5.000 Straßenkatzen in der Landeshauptstadt. Bildrechte: IMAGO / Steffen Schellhorn

Tiere Streuner auf samtigen Pfoten: Wie Tierschützer sich um Erfurts Straßenkatzen kümmern

08. Februar 2023, 11:59 Uhr

Auf samtigen Pfoten schleichen sie durch ihr Revier. Dabei müssen sie manchen Straßenkampf bestreiten und nicht selten holen sie sich nicht nur Prügel, sondern auch den einen oder anderen Schmiss. In Erfurt leben nach Schätzungen des Tierschutzvereins rund 5.000 Straßenkatzen. Als er 1990 seine Arbeit begann, waren es noch mehr als 20.000. Seitdem werden pro Jahr an die 150 Katzen kastriert und registriert. Das hat die Population eingedämmt.

Sie werden nicht gestreichelt, haben kein mit Samtdecken ausgelegtes Körbchen. Haben kein Herrchen, kein Frauchen, dem sie ums Bein streichen können, um sich ein Leckerli zu erbetteln. Sie leben auf der Straße. Ein hartes Leben. Da wartet nicht nur an jeder Ecke die tierische Konkurrenz, da drohen auch von Menschen gemachte Gefahren wie Autos, Glasscherben und Silvesterböller.

In Erfurt-Mittelhausen hätten die Böller noch lange nach Silvester die Tierwelt in Panik versetzt, beklagt der Tierschutzverein Erfurt. "Das ist staatlich gedeckte Tierquälerei", geißelt Heidi Blüthner den Tierschreck. Sie betreut eine Futterstelle an der Alten Ziegelei und füllt einmal täglich den Fressnapf auf. "Manchmal gibt's oben drauf auch ein Stückchen gebratenes Hühnchen oder Katzenmilch. Sie haben es ja eh schon schwer", sagt sie.

Kaum noch freilebende Katzen in Schutzhütten

Doch jetzt haben Böller - oder waren es gar Schüsse? - die Tierschützer aufgeschreckt. In Erfurt-Mittelhausen stehen versteckt hinter Containern zwei Schutzhütten für freilebende Katzen. Normalerweise werden da zwischen 12 und 15 Tiere gezählt. Seit Wochen trauen sich aber nur noch drei oder vier in die Nähe.

Die Tiere sind zumindest verschreckt. Sie trauen sich nicht mehr raus aus dem Dickicht.

Petra Dünkler Vorsitzende des Tierschutzvereins Erfurt

"Die Tiere sind weg. Was ist da los?", heißt es in einem Schreiben an MDR THÜRINGEN. Ist vielleicht ein Katzenmörder unterwegs? "Die Tiere sind zumindest verschreckt. Sie trauen sich nicht mehr raus aus dem Dickicht", meint Vereinschefin Petra Dünkler. Tote Katzen wurden in der Gegend zum Glück noch nicht gefunden.

Die Katzenfreunde haben das gesamte Gelände abgesucht. "Früher sind sie mir um die Beine geschlichen. Jetzt sind die wenigen, die man sieht, wieder ganz scheu", stellt auch Harald Baum fest. Der 72-Jährige füttert die Streuner meist in den Abendstunden. Da trauen sich seine Schützlinge normalerweise an ihren Fressnapf.

"Hier ist geschossen worden", ist die übereinstimmende Vermutung der Katzen-Sitter. Sie haben den Fall eines möglichen "Katzenmörders von Mittelhausen" der Polizei gemeldet. "Nach Aussagen der Anwohner ist es offensichtlich, dass geschossen wurde", ist sich Katzenfan Baum sicher. Die Wildtierkamera hatte unter anderem eine schwarze Katze mit einem ausgeschossenen Auge gefilmt.

Andere Katzen, die regelmäßig gesichtet wurden, sind verschollen. Da gab es den uralten Kater, der seit Jahren hier herumstreift. "Den habe ich auch schon lange nicht mehr gesehen", beklagt Heidi Blüthner. Die Tierschützer vermuten, dass noch lange nach Silvester mit illegal besorgten, sogenannten Polen- oder Chinaböllern im Umfeld der Futterstation geballert wurde.

Mit einem Schreiben haben sich die Katzen-Schützer daher an die Öffentlichkeit gewandt. Darin suchen sie Augen- und Ohrenzeugen des Geschehens. Zum Glück seien solche Fälle sehr selten, versichert Vereinsvorsitzende Petra Dünkler. Häufiger werden Tiere aufgegriffen, die im wahrsten Wortsinne unter die Räder gekommen sind.

Die Erfurter Polizei bestätigte auf Anfrage, dass der Tierschutzverein eine Strafanzeige wegen eines Vergehens nach dem Tierschutzgesetz zu Silvester gestellt hat. Der Polizei seien jedoch bisher keine durch Schüsse getöteten oder verletzten Katzen in Mittelhausen bekannt. Auch gibt es nach Angaben eines Sprechers bisher keine Hinweise, dass dort zuletzt jemand auf Tiere geschossen hat.

Katzenpopulation soll nicht überhand nehmen

Der Tierschutzverein kümmert sich um verletzte Tiere und darum, dass die Katzenpopulation in Erfurt nicht wieder überhand nimmt. Die Zahl der Straßenkatzen hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten in Erfurt auf ein Viertel reduziert. Der Tierschutzverein schätzt die Zahl streunender Katzen aktuell auf 5.000. Zur Wendezeit seien es über 20.000 gewesen.

82 Futterstellen in Erfurt verstreut

Grund für den Rückgang der Population seien die Kastrationen der Tiere, sagt Vereinsvorsitzende Petra Dünkler. Seit seiner Gründung im Jahr 1990 kümmert sich der Tierschutzverein Erfurt nicht nur um streunende Katzen, sondern auch um Igel oder verletzte Vögel.

Im Vorjahr hat der Verein in Erfurt 138 Straßenkatzen kastrieren, chippen und somit registrieren lassen. Die Stadt unterstützt die Arbeit des Vereins seit fünf Jahren mit jährlich 3.000 Euro. Übers gesamte Stadtgebiet verteilt werden die Tiere an 82 Futterstellen einmal täglich von insgesamt 110 Ehrenamtlichen gefüttert.

Gerade die freilebenden Katzen, die sogenannten Streuner, rühren mich. Sie haben keine große Lobby.

Harald Baum Vorstandsmitglied des Tierschutzvereins Erfurt

Neben den Futterstellen wie an der Alten Ziegelei wurden auch kleine Schlafhütten gebaut. Sie sind mit Stroh ausgelegt und mancher Straßentiger nimmt den wind- und wettergeschützten Ort gern an. "Ich stamme aus einer Bäckerfamilie. Wo Mehl ist, sind auch Mäuse. Wir hatten immer Katzen, und ich habe sie einfach ins Herz geschlossen", begründet Harald Baum sein Engagement für die Fellnasen. "Gerade die freilebenden Katzen, die sogenannten Streuner, rühren mich. Sie haben keine große Lobby."

Stadt gibt Zuschuss für Kastrationen

Seit fünf Jahren hat Erfurt eine "Katzenschutzverordnung". In der Verordnung nach Paragraf 13b des Tierschutzgesetzes wird unter anderem festgeschrieben, dass Freigängerkatzen von den Tierhaltern registriert werden müssen und dass fortpflanzungsfähige Katzen keinen freien Auslauf mehr haben dürfen. Diese Vorschriften gelten seit 2. Januar 2017. Seitdem gibt es für den Tierschutzverein aus dem städtischen Haushalt einen Zuschuss, um Katzen und Kater kastrieren, sterilisieren zu können.

Pro Katze werden dafür inzwischen bis zu 130 Euro, pro Kater knapp 100 Euro fällig. Die Tierschützer sind auf Spenden angewiesen, auch auf Futterspenden beispielsweise von den Supermärkten und auf Menschen mit einem Herz für die Streuner. Heidi Blüthner investiert in die Straßenkatzen jährlich rund 2.500 Euro. Das Futter, das sie ihren Lieblingen in den Napf füllt, zahlt sie aus eigener Tasche.

Mancher Straßentiger bedankt sich dafür mit einem sanften Miau - wenn er nicht zuvor von lauten Böllern oder gar Schüssen vertrieben wurde. Eine so verschreckte Katze schnurrt nicht - sie faucht und zieht sich zurück. "Ich wollte noch zwei, drei einfangen, die hätten vom Tierarzt behandelt werden müssen. Leider sind sie nicht zurückgekehrt."

Wer den Erfurter Straßenkatzen helfen will, kann sich beim Tierschutzverein melden. Es werden, sagt Petra Dünkler, immer Helfer und Sponsoren gesucht.

MDR (co)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 09. Februar 2023 | 07:40 Uhr

3 Kommentare

Wagner am 08.02.2023

Hohe Anerkennung für das ,was da getan wird. Es ist schlimm ,wenn auf die Tiere geschossen wird oder sie mit Böllern verjagt werden. Frust oder Übermut an Kreaturen abzulassen,die sich nicht wehren können ,ist eine Schande und Straftat.

SGDHarzer66 am 08.02.2023

Mein Elternhaus hat mir gelehrt: "Quäle nie ein Tier zum Scherz - denn es fühlt wie du den Schmerz".
Wenn ich diese bemitleidenswerten Geschöpfe sehe, verkrampft mein Seele!

Fraeuleinwunder am 08.02.2023

Leider gibt es fast überall ...beschränkte Menschen, die es toll finden, immer wieder mal mit Böllern um sich zu schmeißen. Oder die mit dem Luftgewehr auf Vögel und Säugetiere ballern. Ein tumbe-asoziales Verhalten, aber es wird vielfach immer noch als Kavaliersdelikt behandelt, das man stillschweigend toleriert. "Es sind doch nur Tiere". Erst wenn dadurch Menschen zu Schaden kommen und diese dann auch Anzeige erstatten, kommt es ans Licht. Wird aber oft gar nicht oder nur halbherzig verfolgt.

Eigentlich sollte da viel härter durchgegriffen werden, wie bei jeder Tierquälerei überhaupt. Die Gesetze gibt es längst, man muss sie halt anwenden. Auf Katzen, Vögel und andere Tiere schießen ist nun mal kein harmloser Spaß, denn das Tier leidet im Ernst.

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