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Die Universität Erfurt reagiert unter amderem mit Schließtagen der Bibliothek auf Energiesparforderungen des Landes. Bildrechte: picture-alliance/ ZB | Martin Schutt

EnergiekriseSorge um Hochschulstandort: Stadtrat kritisiert Energiesparkurs der Uni Erfurt

10. November 2022, 12:21 Uhr

Bis zum Ende des Jahres bleibt die Universitätsbibliothek in Erfurt an Wochenenden verschlossen. In beiden Wochen um die Weihnachtspause sollen Vorlesungen und Seminare an der Uni dazu digital stattfinden - beides vorrangig mit dem Ziel, Energie zu sparen. Mehrere Fraktionen des Erfurter Stadtrats kritisieren die Kürzungen und geben an, Studierendenvertreter seien in die Entscheidung nicht ausreichend eingebunden worden. Stadträte fürchten zudem um den Ruf des Hochschulstandorts Erfurt.

von MDR THÜRINGEN

Die Hochschule hatte angekündigt, dass die Universitäts-Bibliothek bis Jahresende an Wochenenden geschlossen wird. Auch unter der Woche endet demnach die Öffnungszeit bis Jahresende zwei Stunden früher als in vergangenen Semestern bereits um 20:00 Uhr.

Außerdem sollen die Vorlesungswochen um den Jahreswechsel digital abgehalten werden. Zur Begründung verweist die Universität unter anderem auf eine Energiesparvorgabe des Landes. Diese Haltung unterstrich das Präsidium der Universität am Dienstag auf der Universitäts-Website.

CDU: Universität Erfurt droht Ruf zu verlieren

Die Erfurter CDU erklärte zu den Energiesparmaßnahmen, diese dürften nicht zu Lasten der Studierenden gehen. Werktags um zwei Stunden verkürzte Öffnungszeiten könnten demnach nicht wirksam Energie sparen. Schließtage an den Wochenenden seien nicht "verhältnismäßig". Der Erfurter CDU-Kreisvorsitzende Wolfgang Weisskopf sagte, die Universität drohe ihren guten Ruf zu verlieren, die Energiesparmaßnahmen seien der "absolut falsche Weg" und schädlich für den Wissenschaftsstandort Erfurt.

Die Universität Erfurt droht zunehmend ihren guten Ruf zu verlieren, daher sehen wir in den geplanten Maßnahmen einen absolut falschen Weg, der dem Wissenschaftsstandort Erfurt schadet.

Wolfgang Weisskopf | Kreisvorsitzender der CDU Erfurt

Linke: Einsparungen dürfen kein Selbstzweck sein

Die Linke-Fraktion im Stadtrat erklärte auf MDR THÜRINGEN-Anfrage, Einsparungen dürften "kein Selbstzweck" sein und müssten mit Betroffenen diskutiert werden. Die Uni-Leitung müsse dabei "Versäumtes" umgehend nachholen. Die geänderten Öffnungszeiten seien für die Fraktion "nicht akzeptabel", auch weil die mit Steuergeldern finanzierte Uni-Bibliothek von Erfurter Bürgern genutzt werde.

Nach Ansicht der Fraktion hat die Hochschule abseits der Bibliothek ausreichend andere Möglichkeiten zum Energiesparen.

Erfurter AfD: Sparmaßnahmen sinnloser Aktionismus

Die Erfurter AfD teilte MDR THÜRINGEN mit, sie halte die Sparmaßnahmen der Universität für "sinnlosen Aktionismus". Es sei "skurril", dass bei Bildung und Wissenschaft gespart werden solle, gleichzeitig aber in Erfurt umfangreiche Weihnachtsbeleuchtung angebracht werde.

Grüne: Vorgezogene Weihnachtsferien "nicht nachvollziehbar"

Die Erfurter Grünen erklärten, sie teilten die Kritik der CDU nicht vollständig, der Hochschulstandort Erfurt sei durch die Einsparungen nicht gefährdet. Von den Energiesparvorgaben seien alle Standorte betroffen. Auch an anderen Hochschulen würden Öffnungszeiten gekürzt, sagte der Fraktionssprecher für Hochschulpolitik, Jasper Robeck. Es bleibe aber unklar, ob in Bezug auf die Bibliothek in Erfurt seitens der Universität Alternativen zu kürzeren Öffnungszeit geprüft wurden.

Die Universitätsleitung sei bei der Entscheidung nicht transparent und solle den Austausch mit den Beteiligten suchen. Vorgezogene Weihnachtsferien seien nicht nachvollziehbar, sagte ein Grünen-Sprecher, weil Energiekosten so auf die Studierenden abgewälzt würden.

Was ist das das für ein Signal […], wenn jetzige Studierende schon äußern, dass sie sich an der Universität Erfurt nicht willkommen fühlen? Das ist für den Hochschulstandort Erfurt und Thüringen eine dramatische Bilanz.

Tina Morgenroth | Stadträtin Fraktion Mehrwertstadt

Fraktion Mehrwertstadt: Keine hochschulinternen Grabenkämpfe

Die Fraktion Mehrwertstadt sieht die Ursachen für die Einschränkungen an der Uni Erfurt in finanziellen Kürzungen des Landes. Die beträfen alle Hochschulen. Energiekosten könnten demnach offenbar nicht mehr von den Hochschulen getragen werden. In dieser Situation brauche es aber an der Universität Erfurt keine "hochschulinternen Grabenkämpfe", sondern Solidarität, sagte Stadträtin Tina Morgenroth.

Die Hochschulen sollten Kritik zur Finanzierung an das Land richten. Dass sich einzelne Studierende an der Universität nicht mehr willkommen fühlten, sei eine "dramatische Bilanz" für den Hochschulstandort Erfurt, auch in Bezug auf mögliche Studienbewerber.

SPD: Studierende vor vollendete Tatsachen gesetzt

Die Erfurter SPD teilte mit, die Fraktion begrüße grundsätzlich private und öffentliche Bemühungen, ein gemeinsames Energiesparziel zu erreichen. Die verkürzten Schließzeiten der Universitäts-Bibliothek unter der Woche seien ein "guter Kompromiss". Eine niedrige Auslastung der Bibliothek rechtfertige aber keine Schließtage an Wochenenden.

Den Entschluss der Universität zu digitaler Lehre in den Wochen um den Jahreswechsel hält die Erfurter SPD demnach für "verhältnismäßig". Die Fraktion kritisiere aber den Umgang der Universität mit dem Studierendenrat. Dieser sei nach eigenen Angaben vor "vollendete Tatsachen" gestellt worden.

Studierende hatten Anfang November eine Petition gegen die Sparpläne gestartet. Nach Angaben der Universität waren Vertreter der Studierenden an Entscheidungen beteiligt. Der Studierendenrat sagte MDR THÜRINGEN abweichend, die Schließzeiten und die digitale Lehre seien ohne Mitsprache des Gremiums beschlossen worden.

Universität Erfurt: Fehlende finanzielle Rücklagen

Die Universität hatte die Entscheidungen bei MDR THÜRINGEN mit Energiesparvorgaben des Landes, aber auch mit der finanziellen Situation der Hochschule begründet. Neben Haushaltskürzungen des Landes, die alle Hochschulen betreffen, hatten nach Aussage der Universität Erfurt auch stark gestiegene Baukosten nahezu alle finanziellen Rücklagen gebunden. Eigenen Angaben zufolge spart die Universität deshalb seit Mitte des Jahres unter anderem in der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung und beim Bibliotheks-Etat.   

HochschulautonomieDer Erfurter Stadtrat kann auf die Universität keinen politischen oder finanziellen Einfluss nehmen. Universitäten bekommen vorrangig Finanzmittel aus den Landeshaushalten und verwalten sich im Rahmen der gesetzlich festgeschriebenen Hochschulautonomie selbst.

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MDR (ls)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 12. Oktober 2022 | 19:00 Uhr

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