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20 Jahre nach dem BrandAschebücher der Anna Amalia Bibliothek können immer noch gerettet werden

16. August 2024, 04:00 Uhr

Auch knapp 20 Jahre nach dem Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar will der Direktor der Bibliothek beschädigte Buchseiten nicht verloren geben. Reinhard Laube sagte MDR KULTUR, es bereits jetzt absehbar, dass durch Einsatz neuer Techniken fragile Materialien gesichert werden könnten. Zu diesen neuen Techniken forscht die Klassik Stiftung selbst – in einer eigenen Lehrwerkstatt. Dort hat man die nötige Expertise in Sachen Buchrestaurierung, um auch anderen zu helfen.

  • In einer Spezialwerkstatt in Weimar-Legefeld werden auch 20 Jahre nach dem Brand noch so genannte Aschebücher restauriert.
  • Mittels neuer Verfahren können sogar Teile der verloren geglaubten Musikaliensammlung von Herzogin Anna Amalia gesichert und wieder nutzbar gemacht werden.
  • Auch wenn die letzten Aschebücher restauriert sind, soll der Betrieb in der Werkstatt weitergehen.

Die Fortschritte, die es in der Buchrestaurierung seit dem Brand der Anna Amalia Bibliothek gegeben hat, lassen sich in einem Gewerbegebiet im Süden von Weimar entdecken. Seit 2008 betreibt die Klassik Stiftung und die Herzogin Anna Amalia Bibliothek hier eine Restaurierungs- und Lehrwerkstatt. In ihr wird geforscht und getüftelt, aber auch nach wie vor an den so genannten Aschebüchern gearbeitet – also an jenen stark verkohlten Buchblöcken, die Helferinnen und Helfer nach dem Brand aus dem Bauschutt geholt haben.

Reinhard Laube, Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar, will auch die verbliebenen 5,5 Millionen Buchseiten, die durch den Brand 2004 beschädigt wurden, nicht aufgeben. Bildrechte: Henry Sowinski

Etwa 25.000 solcher Aschebücher sind 2004 geborgen worden. Das sind sieben Millionen Blatt, von denen rund eineinhalb Millionen Blatt erhalten werden können. Die übrigen Blätter will der Direktor der Bibliothek, Reinhard Laube, nicht aufgeben. Er sagte MDR KULTUR, das sei dem Umstand geschuldet, dass die ganze Motivation nach dem Brand im Umgang mit diesem geborgenen Kulturgut daher rühre, einfach unglaubliche Mengen gerettet zu haben. Daraus erwachse die Verpflichtung, nicht zu schnell ein Stoppschild aufzubauen und zu sagen, das sei das Ende.

Der größte Fortschritt: die Mengenrestaurierung

Alexandra Hack ist bei der Herzogin Anna Amalia Bibliothek für die Bestandserhaltung und Restaurierung zuständig. Sie hat jahrelange Erfahrung im Umgang mit den "Aschebüchern" und beschreibt deren Besonderheiten so: "Ganz typisch ist, dass bei diesen Bänden der Einband vollständig verbrannt ist. Meistens auch im Zusammenhang mit der Bindung und der ursprünglichen Heftung, so dass sich der Brand bis auf das Papier hin abzeichnet."

Stark beschädigte Buchseiten werden in der Restaurierungswerkstatt der Klassik Stiftung Weimar angefasert, damit sie wieder genutzt werden können. Bildrechte: MDR/Tino Dallmann

Dass in den vergangenen Jahren Tausende solcher Aschebücher restauriert werden konnten, ist neuen Verfahren zu verdanken. Diese sind darauf angelegt, möglichst große Mengen an Buchseiten in möglichst kurzer Zeit zu behandeln. Erst werden die einzelnen Seiten im Wasserbad von Schmutz und Ruß befreit. Dann folgt die Anfaserung. Dabei werden die Seiten in ein weiteres Bad gelegt, in dem kleine Papierfasern schwimmen. Diese bleiben an den Seiten haften und ersetzen Fehlstellen. Anschließend werden sie mit dünnem Japan-Papier überfließt. Die getrockneten Seiten sind dann stabil genug, damit man sie wieder zu einem Buchblock zusammensetzen kann.

Hoffnung für die Musikaliensammlung von Anna Amalia: die Superfaser Nanocellulose

Durch ein neues Verfahren gibt es nun auch Hoffnung, Teile der stark beschädigten Musikaliensammlung von Herzogin Anna Amalia zu retten: Denn seit 2018 wird in der Werkstatt mit Nanocellulose gearbeitet. Das sind kleinste Fasern, die auf das brüchige Papier aufgebracht werden und es so stabilisieren. Weil ein Pinsel für diese Arbeit zu grob wäre, wird die Nanocellulose mit einer Airbrush-Pistole aufgesprüht. Es sei ein relativ neues Material, erklärt Papierrestauratorin Laura Völkel. Im Alltag begegnet es einem schon öfter, aber im Bereich der Papierrestaurierung sei es komplett neu gewesen.

Es ist ein relativ neues Material. Im Alltag begegnet es einem schon auch öfter, aber im Bereich der Papierrestaurierung ist es komplett neu gewesen.

Papierrestauratorin Laura Völkel zur Nanocellulose

Ein Blick in das Magazin der Restaurierungswerkstatt in Weimar-Legefeld. Hier lagern noch Teile der Musikaliensammlung von Herzogin Anna Amalia. Bildrechte: MDR/Tino Dallmann

Expertise kann auch bei Flutkatastrophen wie im Ahrtal nutzen

Die Restaurierung der Aschebücher soll 2028 abgeschlossen sein, der Betrieb der Restaurierungs- und Lehrwerkstatt soll aber weitergehen. Dann könnten mit Hilfe der Nanocellulose auch Bücher versorgt werden, die bei Flutkatastrophen in Mitleidenschaft gezogen worden sind: Denn auch Wasser wirke auf das Papier ein und das könne zu Schäden führen, sagt Laura Völkel. Sie hebt hervor, dass die Nanocellulose "ein sehr interessantes und reizvolles Material" sei.

Wie wertvoll die Expertise der Werkstatt in Weimar ist, hat sich erst kürzlich gezeigt: Knapp drei Jahre nach der Flutkatastrophe im Ahrtal hat die Klassik Stiftung eine gerettete Lutherbibel restauriert, die deutliche Wasser- und Schimmelschäden aufwies. Kosten hat die Stiftung dafür nicht in Rechnung gestellt. Sie wollte sich solidarisch mit jenen zeigen, die ebenfalls eine Katastrophe erlebt haben.

Quellen: MDR KULTUR, Klassik Stiftung Weimar; redaktionelle Bearbeitung: tis

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 16. August 2024 | 06:30 Uhr