Besucher stehen am Lagertor der KZ-Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar mit der Inschrift Jedem das Seine
Die Mitarbeiter in Buchenwald werden fast jede Woche mit rechtsradikalen Provokationen konfrontiert, sagt der Leiter der KZ-Gedenkstätte. Bildrechte: picture alliance/dpa/Martin Schutt

Erinnerung an NS-Verbrechen Gedenkstätte Buchenwald: Fast jede Woche eine rechtsradikale Provokation

17. September 2022, 05:00 Uhr

Die Gedenkstätte Buchenwald ist immer wieder Angriffen oder Provokationen von Rechtsradikalen ausgesetzt. Immer wieder werden solche Aktionen zur Anzeige gebracht. Doch nur selten hat dies auch Konsequenzen für die Täter. Woran das liegt und warum umgeknickte Bäume das nun ändern könnten.

Hitlergruß im ehemaligen Krematorium gezeigt, Wände einer KZ-Gedenkstätte mit Parolen beschmiert oder Gedenkbäume zerstört. Immer wieder kommt es zu solchen und weiteren rechtsradikalen Provokationen. "Es sind verbrecherische Taten, weil sie die Opfer ein zweites Mal versuchen, zu Opfern zu machen", sagt Bundeskulturministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen). Doch offenbar werden diese Täter nur selten strafrechtlich zu Rechenschaft gezogen.

Claudia Roth war Anfang September in Thüringen, um in Weimar neue Gedenkbäume zu pflanzen. Zwei Monate zuvor hatten dort Unbekannte sieben Gedenkbäume abgesägt. Einen Monat später sind zwei weitere zerstört worden. Alle gehören zum Erinnerungsort 1.000 Buchen, der an die vielen Opfer der Todesmärsche erinnert, die während der letzten Tage des Dritten Reichs umkamen. "Es sind Bäume, die im Gedenken für Personen und für die Opfer von nationalsozialistischem Terror gepflanzt werden", so Roth.

Gedenkstätte Buchenwald: Fast jede Woche eine rechtsradikale Provokation

Mit der Pflanzung will Claudia Roth – gemeinsam mit anderen – ein Zeichen setzen gegen die,  welche die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus zerstören wollen. "Wenn man schweigend zur Kenntnis nimmt, dass Auschwitz eine Normalität sei, oder dass da gar nichts passiert sei…", sagt Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) in Weimar: "wenn solche Abhandlungen stattfinden, dann wäre es gut, wenn auch jemand, der dabei ist, einfach sagt: ´Nein´, ich teile deine Meinung nicht!" Es müsse eine größere Aufmerksamkeit geben, wenn der Holocaust relativiert werde.

Knapp zehn Kilometer Luftlinie in Richtung Nordwesten vom Gedenkort "1.000 Buchen" steht die KZ-Gedenkstätte Buchenwald. Deren Leiter Jens-Christian Wagner und seine Mitarbeiter werden fast jede Woche mit rechtsradikalen Provokationen konfrontiert. "Dass geschichtsrevisionistische Positionen in Führungen geteilt werden, das passiert eigentlich wöchentlich. Und mal ist das unbedarft, mal ist das ganz dezidiert rechtsextrem." Zudem würden sich immer mal wieder Personen im Krematorium mit Hitlergruß fotografieren. "Das ist wie so eine Art Trophäenjagd, die stattfindet. Es ist aber auch eine gewisse Lust offensichtlich an der Provokation", so der Professor für Geschichte.

Erinnerungsorte an NS-Verbrechen sind Ziele von Neonazis

Seit Jahren werden Orte, die an die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten erinnern, zu Zielen von Neonazis oder Rechtsextremisten. 1996 erschienen die Neonazis vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in SA-Uniformen in der Gedenkstätte Buchenwald und posierten vor dem gusseisernen Tor mit der Aufschrift "Jedem das Seine" mit erhobenen rechten Armen.

Vor acht Jahren wurden Zäune und Eingangstore der KZ-Gedenkstätte Langenstein in Sachsen-Anhalt niedergewalzt. Vor fünf Jahren beschmierten Neonazis in Bremen einen Gedenkort, der an ermordete Zwangsarbeiter erinnert, mit der Aufschrift: "Stoppt den Schuldkult". Vor drei Jahren posierten Neonazis in der KZ-Gedenkstätte in Mohringen in Niedersachsen mit T-Shirts, auf denen stand "Zensiert” und "Fuck you Israel”. Die Fotos stellten sie auf Facebook.

"Wer kein liberales Land haben möchte, wer auf Abschottung setzt, wer auf Nationalismus setzt, der muss die Axt anlegen an das, was von rechter Seite als Schuldkult bezeichnet wird – also unsere Erinnerungskultur", sagt der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald. Hinzu komme: "Natürlich steht der Verweis auf die NS-Verbrechen dem Wunsch von Rechtsextremen, nationale Größe zu propagieren, im Weg. Und wer nationale Größe, wer Deutschland als Meisterwerk kennzeichnen möchte, der muss die Erinnerung an den Holocaust auslöschen."

Ramelow: Holocaust-Leugnung und Volksverhetzung sollten strenger verfolgt werden

Doch Jens-Christian Wagner und seine Mitarbeiter haben nicht nur mit Provokationen in der Gedenkstätte zu kämpfen, sondern auch mit denen aus dem Internet.  Für die, die strafrechtlich relevant sind, hat der Leiter einen Ordner angelegt. Ein Beispiel von der AfD Weimar. Die schrieb auf einem sozialen Netzwerk: "Würdiges Gedenken braucht würdiges Personal und keine kleinkriminellen Straftäter, die sich durch Sachbeschädigung und den Diebstahl unserer Wahlplakate als Demokratiefeinde entlarven."

"Das war, als wir die illegal aufgehängten Plakate entfernt hatten. Und die AfD beschimpft mich dann als kleinen kleinkriminellen Straftäter", berichtet Jens-Christian Wagner. "Das mussten sie dann aber löschen. Wir sind da gerichtlich dagegen vorgegangen." Alles, was strafbar sei, werde angezeigt. Insgesamt habe man in den letzten zwei Jahren wegen mutmaßlich politisch motivierter Delikte etwa 50 Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Der überwiegende Teil wurde wieder eingestellt. Die Gründe laut dem Gedenkstätten-Leiter: Mangelndes öffentliches Interesse oder die Täter konnten nicht ermittelt werden. "Oder weil die entsprechende Staatsanwaltschaft der Meinung sei, das sei kein strafbarer Inhalt."

Holocaust-Leugnung und Volksverhetzung sollten einer strengeren und vor allem schnelleren Strafverfolgung unterliegen, erklärt Ministerpräsident Bodo Ramelow gegenüber MDR exakt. "Die zuständigen Stellen – Polizei, Staatsanwaltschaft – da würde ich mir manchmal wünschen, dass das, was schon ermittelt worden ist, am Ende auch zu einer zügigeren Ahndung führt."

Die Staatsanwaltschaft Erfurt teilte auf Nachfrage mit, dass im Falle der zerstörten Bäume noch ermittelt werde. Das Landeskriminalamt hat die Ermittlungen übernommen, nachdem vor einem Monat zwei weitere Gedenkbäume umgeknickt worden waren. Die Stadt Weimar hat 10.000 Euro für Hinweise auf die Täter in Aussicht gestellt.

Quelle: MDR exakt/ mpö

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 14. September 2022 | 20:15 Uhr

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