MusiktheaterUmjubelte Premiere: Märchenoper "Hänsel und Gretel" am DNT Weimar
Es ist die letzte Inszenierung des scheidenden Intendanten Hasko Weber am Deutschen Nationaltheater in Weimar: Das Märchen "Hänsel und Gretel" nach den Gebrüdern Grimm von Engelbert Humperdinck – als Oper für die ganze Familie. Das Publikum zeigt sich begeistert, doch unsere Kritikerin ist nicht komplett überzeugt.
- In der neuen Inszenierung der Märchenoper "Hänsel und Gretel" liefert die Staatskapelle Weimar musikalisch gesehen großes Kino.
- Die Schlüsselszene am Lebkuchenhaus und das Hexenbild können nicht überzeugen.
- Dafür beeindruckt die Oper mit ihrer Ästhetik und einem Jugendstil-Bühnenbild.
Am Ende war der Jubel groß: Auf der Bühne und im Saal. Dort feierten unter anderem zahlreiche Verwandte der Kinder und Jugendlichen aus der Schola Cantorum Weimar die Premiere mit. Wo genau steht meine Enkelin, will die Oma in der Reihe vor mir wissen. Die Mutter zeigt es ihr, dann winken und applaudieren beide lautstark weiter.
Kinderchor singt für Märchenoper
Völlig zurecht übrigens, denn die Schola-Mitglieder (insgesamt 70 Kinder wechseln einander in den Vorstellungen ab) schlugen sich wacker: Mal traten sie weißbehemdet als Engelchor mit beleuchteten Flügeln in Erscheinung, später als vom Hexenbann erlöste Lebkuchenkinder.
Die feierten schlussendlich fröhlich singend und tanzend ihre wieder gewonnene Freiheit, wobei selbst den Kleinsten ihre Spielfreude anzusehen war. Und damit nicht genug, denn dieser Abend war insgesamt musikalisch gesehen großes Kino – doch der Reihe nach.
Tradition der "Hänsel und Gretel"-Inszenierungen
"Hänsel und Gretel" gehört zur DNA der Staatskapelle Weimar: Die Oper wurde 1893 in Weimar uraufgeführt. Seitdem hat sich auch anhand der überlieferten Uraufführungs-Partitur eine Tradition fortgeschrieben. Man weiß also, wie diese Musik zu klingen hat.
Und da steckt einiges drin! Motivisch von Humperdincks Idol Richard Wagner zum Beispiel, auch große, spätromantische Sinfonik oder Volkslieder wie "Ein Männlein steht im Walde" oder "Suse, liebe Suse was raschelt im Stroh". All das hat Engelbert Humperdinck wunderbar miteinander verwoben.
Diesen Stil-Mix ebenso homogen wie differenziert und klangschön zu spielen, gelang der Staatskapelle Weimar unter der Leitung von Andreas Wolf ganz vortrefflich.
Überzeugende Gesangseinlagen
Auch die Sänger und Sängerinnen überzeugten weitestgehend: Natalie Image und Sayaka Shigeshima singen und spielen die Titelrollen mit beeindruckender Natürlichkeit.
Uwe Schenker-Primus ist Peter Besenbinder, der Vater der beiden. Ihm kauft man die Angst um die eigenen Kinder, die seine Frau Gertrud zuvor zum Beerenpflücken in den Wald geschickt hat, sofort ab. Und bei ihm versteht man jedes Wort!
An seiner Seite die jugendliche Sarah Mehnert als Gertrud, Franziska Löber als Sand- und Karine Minasyan als Taumännchen. Sie alle machten ihre Sache gut.
Märchenhexe auf Highheels
Und die Hexe? Wie gelang diese zentrale Szene samt Hexenritt und Knusperhäuschen? Leider weniger überzeugend. Denn einerseits strahlt das Haus von Rosina Leckermaul den Charme eines Fertigteil-Hauses mit integriertem Backofen und ein paar Leuchtelementen aus.
Andererseits stöckelt Jörn Eichler dann doch eine Spur zu unsicher in Lackleder-Highheels über die Bühne: Zuerst mit wilder Perücke und wehendem Umhang, später mit Glatze, Brille und im Herrenanzug sich genüsslich die Lippen leckend. Am Theater Erfurt kam die Oper vor Jahren als Pädophilenstück heraus. In Weimar aber hängt die Szene, und diese Unentschiedenheit im Zugriff auf die Figur spiegelt sich auch im Gesang. Ein für mein Empfinden in jeglicher Hinsicht unterzuckertes Hexenbild!
Bühnenbild im Jugendstil
Abgesehen davon überzeugt das Setting: Die Bühne wird von schwungvoller Jugendstil-Ornamentik gerahmt, dahinter ragen scherenschnittartig schwarze Bäume in den Bühnenhimmel, die gelegentlich grell-farbig aufleuchten. Und auch bei den Kostümen sind Leuchtfarben angesagt: Hänsel trägt knielange grüne Hosen und Tirolerhut, Gretel ein pinkfarbenes Kleid samt Strickmütze. Hier wurde also nicht krampfhaft aktualisiert, sondern ästhetisch bei Graphic Novel und Comic angedockt.
Zudem erweiterte Hasko Weber das Ensemble um zwei Tänzer: Manon Andral und Francesc Nello Deakin. Sie sind offenbar schwarz-geflügelte Waldgeister, die versuchen, hier und da die Handlung in andere Bahnen zu lenken. Außerdem überbrücken sie mit einer Mischung aus Modern Dance und klassischem Tanz gekonnt vor allem die instrumentalen Teile. Am Ende schauen auch sie friedlich vom Dach des Besenbinderhauses dem fröhlichen Treiben zu.
Weitere Informationen
"Hänsel und Gretel"
Märchenoper von Engelbert Humperdinck
Deutsches Nationaltheater und Staatskapelle Weimar
Adresse:
Theaterplatz 2 99423 Weimar
Termine:
25. November 2024, 10 Uhr
16. und 24. November 2024, je 16 Uhr
1. Dezember 2024, 15 Uhr
2., 10. und 19. Dezember 2024, je 10 Uhr
6. Dezember 2024, 19 Uhr
9. und 18. Dezember 2024, je 18 Uhr
26. Dezember 2024, 16 Uhr
10. Januar 2025, 19:30 Uhr
19. Januar 2025, 16 Uhr 25. Januar 2025, 19 Uhr
Im Radio hören:
MDR KLASSIK sendet einen Mitschnitt der Inszenierung am 21. Dezember 2024 in seinem Abendprogramm.
Redaktionelle Bearbeitung: hro,vp
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 11. November 2024 | 08:40 Uhr